Nach einer unglaublich stressigen Woche, die überfüllt war
mit sehr viel Packen (wer hätte gedacht, dass sich in so einer kleinen Wohnung
SO viel Zeug ansammelt in 5 Jahren?) und Wohnung-Auflösen, ging es Sonntagfrüh
in einer ebenso überfüllten Bahn gen Norden.
Der anstrengendste Part des Sicherheitstrainings war
überstanden und nachdem wir alle die Hafenbecken-Querung im Drysuit überstanden
hatten, ging es Mittwoch gleich wieder ins Wasser.
Mit Einzug des Frühlings an der Warnow wurden wir auch
fitter in unserer Sicherheitsausbildung. Nachdem Birte uns eine krasse Doku
über die schlimmsten Schifffahrtsunglücke der letzten Jahrzehnte gezeigt hatte,
waren wir hoch motiviert, auch endlich die Feuerschutzmaßnahmen zu lernen.
Nach so einer langen und anstrengenden (aber auch
erfolgreichen) Woche musste dringend ein bisschen Urlaub her. Kostentechnisch
hätte es sich wirklich gar nicht gelohnt, nochmal die ultralange Reise gen
Süden anzutreten, nur um eine Woche später wieder hoch zu fahren, also
beschloss ich, gleich dort zu bleiben.
Laut der alten Sage ist das lebt irgendwo im Schweriner
Schloss ein kleiner netter Geist, der die guten Bürger belohnt und die
schlechten bestraft; er weckt eingeschlafene Nachtwächter und spukt Feinde so
sehr, dass sie Schwerin nie wieder betreten wollen. Das ist das Petermännchen.
Mehr als ein paar Tage Hamburg wollte ich nicht, also gab es
noch einen weiteren Zwischenstop auf dem Weg dahin: Lübeck. Schon wieder so
eine hübsche Stadt, wo man vom Großstadtfeeling nichts mitbekommt. So langsam
verliebe ich mich wohl doch so richtig in Norddeutschland.
Wenn man schon am Meer ist, muss man auch mal ans Meer und
weil Lübeck so mittendrin ist, fuhr ich mit dem Bus „raus aufs Land“ nach
Timmendorfer Strand und nach Travemünde. Hier waren die beliebten Seebäder der
DDR-Bürger, aber davon sieht man heute nichts mehr.
Nach so vielen Ortserkundungen waren alle neuen Schuhe
eingelaufen und alle Wäsche durchgeschwitzt, also wird es Zeit, dass es endlich
aufs Schiff geht. In Hamburg war die Hölle los, denn der Hafen feierte seinen
300. Geburtstag, also sah man ab dem Feiertag nur noch Himmel und Leute wo man
auch hinsah.
…oder wenigstens sehr aufregend. So viel zu lachen gab es
die ersten Tage in der schwimmenden Stadt nicht, denn wir wurden so ziemlich
ins kalte Wasser geworfen. Neulinge an Bord sind auffällig wie ein bunter Hund
– sie wenden mitten im Gehen plötzlich um 180 Grad, fragen oberste Offiziere
nach dem Weg, weil sie die vielen Streifen auf der Schulter zu spät sehen und
kommen permanent zu spät zu allem, weil sie sich mal wieder verlaufen haben.
Unser Schiff ist so gigantisch groß, es ist eigentlich eher
eine kleine Stadt. Wenn die Prima im Hafen liegt, überragt sie oftmals die
anliegenden Hallen und Terminals und fällt so von Landseite aus immer richtig
auf (oder passt sich alternativ so perfekt ins umliegende Industriegebiet, dass
sie aussieht wie ein zusätzliches Hochhaus).
Soviel zu „Das kann ja nur entspannter werden“. Wenn die
erste Woche an Bord stressig war, war der Beginn meiner zweiten der blanke
Wahnsinn. Streik in Frankreich, Taufe in Holland, Konkurrenz in England – es
kam alles zusammen und weil wir am nächsten am Kunden sind, sind wir natürlich
auch an allem Schuld.
Das coole an meinem Job ist ja eigentlich nicht die Zeit an
Bord, sondern die paar Stunden auf festem Boden, die ich ab und an mal habe.
Als Scout versuchen wir natürlich auf so viele Ausflüge wie möglich mitzugehen,
damit wir sie auch gut den Passagieren verkaufen können. TM Linda versucht da
immer, für jeden was passendes zu finden und keine Woche wie die andere
aussehen zu lassen.
Jede Woche neue Gäste, jede Woche neuer Job. Weil unsere
Route nur 7 Tage lang ist, ändern sich die Gegebenheiten an Bord somit auch
wöchentlich. Wenn neue Passagiere aufsteigen, ist jeden Samstag alles erstmal
für ein paar Stunden wieder auf Anfang, denn plötzlich kennt sich wieder keiner
aus. Im Laufe der Woche werden die Fragen nach der Richtung weniger, aber die
Fragen nach spezifischen Schiffsdaten mehr, und samstags geht’s wieder von
vorne los.
Alltag ist eingekehrt auf der Prima. Jedenfalls wenn man das
ganze Chaos hier Alltag nennen kann. So langsam kommt Routine rein und nichts
kann uns Scouties aus der Bahn werfen. Eine normale Woche hatten wir hier
nämlich noch nicht, aber inzwischen haben wir es total drauf, alle genervten
Gäste zu beruhigen und so lange gemächlich auf sie einzuschwätzen, bis sie sich
vom Acker machen.
London, Paris, Brügge, Amsterdam – so viele Ziele in so
kurzer Zeit ist schon immer komisch irgendwie. Aber wenigstens gibt’s was zu
sehen und die Daheimgebliebenen sind immer gut mit Fotos zu versorgen. Wäre ja
auch langweilig sonst. Ich bin ja so allgemein kein Großstadtmensch, aber
London und Paris haben schon auch ihre gemütlichen Eckchen. Genießen tu ich
trotzdem die kleinen Städtchen mehr: Brügge in Belgien und Honfleur in
Frankreich haben es mir angetan und für die typischen Orte in Englands Süden habe
ich ja eh schon seit jeher eine Schwäche.
Wenn man immer so viel arbeiten muss, muss natürlich auch
mal eine Runde Relaxen sein. An Bord haben wir genug Möglichkeiten im
Crew-Bereich, sodass wir uns abends immer in der Crew-Bar treffen oder uns dort
ein, zwei Fläschchen Bier holen und damit aufs offene Deck am Heck setzen zum
Hafen-Begucken.
So lange immer auf 7-Tage-Rundkurs, da kommt man schon mal
zwei Mal am selben Ort vorbei. Unsere Häfen bzw. Piers ändern sich erstaunlich
oft dafür, dass wir jede Woche da sind und einen festen Anlegeplan haben. Aus diesem
Grund oder jenem haben wir bisher fast genauso oft an anderen Piers angelegt
wie an unseren regulären – meist hat das aber keine großartige Auswirkung auf
unseren Tagesablauf. Zu den Ausflügen kommen wir trotzdem.
So viel gleiche Hafenlandschaft und doch so viel dahinter zu
entdecken! Von Bord aus sieht man eigentlich überall das gleiche: eine Stadt
aus Containern in Zeebrügge, eine Skyline aus Kränen in Le Havre und viele
Autos, die aufs Verschiffen warten, in Southampton. Nur Rotterdam bietet was –
Stadthafen, direkt an der Erasmusbrücke, viele viele Hafenrundfahrten, die
vorbeischauen und winken, wenn man auf Deck 5 im Crew-Außenbereich sitzt. Aber
wozu wäre man denn Scout, wenn man immer an Bord bleiben würde?
Da gibt es ein paar wenige Ausflüge, die sind nicht nur ne
Tour, sondern na-Tour. Die genieße ich besonders, denn da kommen alle mal ein
bisschen runter, meistens gibt es keine Beschwerden über die na-Touren und egal
wie das Wetter ist: es gibt Frischluft en-masse und endlich mal einen stillen
Tag.
Eingepfercht auf engstem Raum lernt man ein ganz neues Leben
kennen. Wobei wir ja natürlich nicht wirklich eingepfercht sind – wir haben
schließlich 16 Decks und sind 300m lang. Aber man muss sich eben arrangieren,
denn man ist ja nicht alleine auf dem Schiff. Egal in welcher Abteilung man
arbeitet, alle sind hier wichtig und wir könnten keine Kreuzfahrt machen, wenn
nicht alle gut zusammenarbeiten können.
Der coolste Hafen dieser Route war für mich seit Beginn
meines Vertrages Southampton. Der früher so verhasste Montag ist inzwischen der
schönste Tag der Woche, an dem ich wöchentlich mit einem Lächeln im Gesicht
aufwache und der erste Gedanke am Morgen ist „Yeay, it’s England-Day!“
Freitag ist Seetag. Eigentlich ja ganz gemütlich so ganz
ohne Ausflüge und so. Schalter gibt es trotzdem noch, also ist einer der
größten Nachteile des Freitags das Tragen der Bluse, denn wir alle laufen
lieber kurzärmlig im Poloshirt rum. Freitag ist vor allem eins: i-Tix-Tag.
Ich bin inzwischen eine kleine Berühmtheit hier an Bord. Die
Berühmtheit hält bei den Gästen natürlich nur eine Woche, weil dann ist ihr
Urlaub rum und sie holen ihr Gehirn wieder in Hamburg ab, was sie eine Woche vorher
an der Gangway abgegeben hatten (der Urlaub auf der Prima wird von GM Harald
sogar so verkauft: „Lassen Sie Ihr Gehirn einfach mal zu Hause!“). Aber unter
der Crew bin ich inzwischen bekannt wie ein bunter Hund.
Wer hätte das gedacht – es gibt nach dreieinhalb Monaten auf
der Nordsee-Route immer noch Ausflüge, die ich noch nicht kenne. Jetzt, wo der
Sommer endlich auch bei uns angekommen ist und uns auch mal mehrere Tage am
Stück Sonne beschert hat, sind die Ausflüge in die Groß- und die
nicht-ganz-so-Groß-Städte besonders schön. Immer, wenn ein Boot oder irgendwas
draußen involviert ist, ist die Regenwahrscheinlichkeit zwar irgendwie immer
noch recht hoch, aber alles in allem wird es langsam besser.
So viele Kollegen haben uns inzwischen verlassen, da
brauchen wir ja auch mal Nachschub. Wir sind jetzt wieder zu siebt im
Scouties-Team und wir alle sind in unserem ersten Vertrag. Es gibt also immer
die lustigsten Sachen, weil keiner wirklich Ahnung hat, was er eigentlich
machen muss. Außer Isabel und ich – wir sind jetzt die Dienstältesten im Team
und fühlen uns dementsprechend cool.
An der Nordsee ist ja inzwischen doch ein bisschen Sommer
angekommen. Beziehungsweise ist er jetzt schon wieder weg und der Spätsommer
ist da. Auf dem Weg nach Hamburg auf Deck 5 weil unser i-Tixen schon so früh
fertig war, dass wir alle zweieinhalb Stunden frei hatten – ein Traum! Sonne
und warm und leichter Wind, herrlich. Da merkt man, wieso man das Meer liebt.
Und keine normalen Räder, nein. Das ganze Team durfte
Segway-Fahren lernen. Wir müssen ja schließlich wissen, was wir in unserer
Ausflugs-Präsi und im Fernsehen immer so kreativ anpreisen. Und weil wir
zufällig grade ganz neu unsere Segway-Lieferung bekommen haben und zufällig
auch grade einen Biker an Bord, der das ganze richtig gut kann, und zufällig
auch noch einen Parkplatz auf der Rotterdamer Pier, der über Mittag gänzlich
leer ist, …
Da hatte ich doch tatsächlich vor einigen Wochen das Glück,
den obercoolsten Ausflug unseres Heftchens mitzumachen. Findet praktisch nie
statt, weil aus unerfindlichen Gründen kaum Gäste ihn buchen und dann hat er
doch einmal (EIN Mal in knapp FÜNF Monaten) stattgefunden und wums, darf ich
mit zum Fotos-fürs-interne-Archiv-Knipsen: Bath!
Es ist ja doch erstaunlich, dass ich nach fünf Monaten an
Bord immer noch nicht ganz alle Ausflüge mitgemacht habe. Aber so ist es
tatsächlich und so habe ich nochmal ein paar mehr berühmte Kirchtürme und
Klosteranlagen bestaunen können, bevor es dann in ein paar Wochen endlich doch
mal wieder für länger an Land geht.
Das ewige Busfahren geht mir irgendwie gewaltig gegen den
Strich und ich frage mich nicht zum ersten Mal, wie es kommt, dass die meisten
Gäste diese Kreuzfahrt tatsächlich nur machen, um London und Paris zu sehen.
Die schönsten Kommentare im Gästefeedback sind ja die auf die Frage „Was können
wir besser machen?“: Nächstes Mal direkt in London anlegen. Äh…ja.
Na, ich weiß ja nicht, ob dieser Job wirklich so gut für die
Figur ist. Zwar laufe ich am durchschnittlichen Ausflugstag meine 25.000
Schritte mit unzähligen Stufen dazwischen, aber irgendwie ist das Essen hier zu
gut. Dreimal am Tag gibt’s Essen in der Crewmesse so viel man will.
Da stand auf meiner Wunschliste für
meine Wunschwoche (meine letzte Woche an Bord), dass ich gerne biken gehen
würde. Hab mich ein bisschen weit aus dem Fenster gelehnt und angegeben, dass
ich am liebsten in England mit den Bikern rauswürde; dabei wusste ich doch
eigentlich, dass das so gut wie unmöglich ist, weil ich doch zum Übersetzen
gebraucht werde. Aber jetzt sind wir plötzlich 9 Scouties und die Neulinge
müssen ja auch übersetzen lernen, und bäm – durfte ich tatsächlich am Montag in
Southampton radeln!
So langsam aber sicher füllt sich meine To-Do-Liste mit den
Ausflügen, die ich gerne noch machen möchte. Es gibt noch einen pro Hafen, auf
den ich Lust hätte – allerdings sind 2 von 4 welche, die ich schon mal gemacht hab.
Aber manche Orte sind einfach richtig hübsch und man kann gar nicht genug davon
kriegen. Ich bin gespannt, ob ich es noch zu Madame Tussauds schaffe – aber an
sich bin ich ganz froh, nicht ganz so oft in den Hauptstädten unterwegs gewesen
zu sein.
So der große Verkleidungs-Typ bin ich ja nicht und
entsprechend hab ich mit Halloween auch nicht allzu viel am Hut. Eingesperrt
auf einem Schiff mit lauter Halloween- und Party-Verrückten muss man sich aber
wohl oder übel doch der Allgemeinheit beugen und mitmachen. Denn unser
Entertainment-Manager Stephan hat beschlossen „Wenn schon Halloween, dann aber
richtig!“ und so gab es diese und letzte Reise eine sogenannte „Grusel-Cruise“
auf AIDAprima.
Den Regen konnten wir leider nicht in der Normandie lassen
und er hat uns verfolgt bis Belgien. Der Herbst hat also so richtig Einzug
gehalten jetzt und es wird von Tag zu Tag kälter. Ohne Fenster in der Kabine
sind wir gezwungen, uns auf den Wetterbericht zu verlassen, und da der
praktisch täglich „welchselhaft“ sagt, gehört die Thermo-Strumpfhose inzwischen
zum Standard-Inventar vor Ausflügen.
Eine letzte Woche voller Stress und plötzlich hat man schon
wieder festen Boden unter den Füßen. Meine Zeit an Bord ist zu Ende und es geht
erst im Februar weiter aufs nächste Schiff. Aber vorher noch eine letzte Woche
voller Ausflüge, denn natürlich war Wunschwoche, und Marie versuchte, mir
möglichst meine Wunschausflüge zu bescheren.