Kaum ist man angekommen im neuen Job auf dem alten Schiff,
da sind vier Monate auch schon wieder rum. Irgendwie ist es ja immer das
gleiche: im Urlaub ist man unglaublich unmotiviert, wieder aufzusteigen, und
wenn man dann erstmal wieder an Bord ist, fällt es schwer, wieder heim zu
fahren. Mein sehr nettes Scout-Team machte es mir leicht, mich gleich wieder
wie zu Hause zu fühlen, aber nach drei Monaten wechselte ein Großteil meines
Teams und dann wurde es irgendwann auch wieder Zeit für Urlaub.
Als Offizier mit silbernen Pommes auf der Schulter muss man
manchmal noch arbeiten wenn andere schon im Feierabend sind. Oder naja, man
muss vielleicht nicht zwingend, aber ich schließe gerne ab, was ich den Tag über
angefangen hab und da ich eh nicht so ein riesiger (wenn ich drüber nachdenke,
nicht mal ein kleiner) Partygänger bin, stört mich das nicht allzu sehr, wenn
ich die beliebtesten Partys der Reise verpasse – vor allem, weil es sie eh jede
Woche wieder aufs Neue gibt. Auf die Black-and-White-Party kann ich gerne
verzichten, aber wenn im skandinavischen Frühherbst die Tropical Beach Party
ansteht, lasse ich den Schreibtisch dann doch auch mal etwas früher allein und
lasse mich oben im Beach Club blicken.
Grade war ich so richtig in der Ostsee angekommen, mit einer
Route, die sich alle sieben Tage wiederholt und keine Überraschungen bereit
hält, da mussten wir auch schon wieder weg. Nur für zwei Wochen zwar, aber die
zwei Wochen hatten es definitiv in sich. Es ging nach Norwegen, und obwohl ich
es da so gerne mag – mit einem bis zum Zerbersten vollgestopften Schiff und
4.300 Sommerferien-Gästen an Bord ist Norwegen echt kein Spaß.
Ein paar Stunden frei machen und in privater Kleidung
unterwegs sein war ja schon immer etwas besonderes hier an Bord. Wenn es aber
nicht Polo und kurze Hose sind, die man ablegt, sondern der schicke
AIDA-Kugelschreiber aus der Brusttasche und die Streifen von der Schulter, ist
es gleich ein noch viel besondereres Erlebnis. Wie Chef Frank versprochen
hatte, durfte ich in seiner letzten Woche einen Tag sozusagen frei machen und
weil in Helsinki die Radtour so super schön sein soll, war die Entscheidung
recht schnell getroffen.
Eine kleine Umstellung ist es ja schon, so gar nicht mehr
auf Ausflug zu gehen. Wo früher der Ausflugsbus mein Haupt-Arbeitsplatz war,
ist es jetzt der Schreibtisch und mein kleines Büro auf Deck 4. Ich freue mich
jeden Tag aufs Neue über mein Bullauge auf der Kabine, denn unser Büro hat
leider kein Fenster und so ist das einzige Tageslicht, was ich an Bord sehe, das,
was es auf Kabine gibt. Gerade ist es wieder richtig frisch geworden, obwohl
letzte Woche noch über 30 Grad in Stockholm waren. Gestern sind wir dafür so
richtig eingeregnet auf der Pier und bei dem Wind hab ich dann abends auch
keine Lust mehr, groß draußen zu sitzen.
Wenn man plötzlich Streifen auf der Schulter hat, ist man
mit einem Mal ein anderer Mensch. Oder jedenfalls scheint es so, wenn man den
Gästen gegenübertritt. Gleich an meinem zweiten Tag in der neuen Uniform (die
tatsächlich gar nicht mal soo unverteilhaft ist wie erwartet) hatte ich ein
Gästegespräch zu führen, zu einem Thema, über das ich nichts wusste, weil der
Ausflug vor meiner Zeit an Bord stattgefunden hatte. Meine Scouts sagten mir,
worum es ging, und wie aufgebracht die Gäste wären. Kaum stehe ich vor ihnen
und stelle mich mit meinem tollen neuen Manager-Titel vor, sind sie die
Freundlichkeit in Person. Verrückt, wie viel so blöde Streifen auf der Schulter
ausmachen.
Ich persönlich kann es ja gar nicht so richtig glauben, dass
es wirklich drei Jahre her ist, dass ich zum ersten Mal einen Fuß auf die
Gangway eines AIDA-Schiffes gesetzt habe – und einigen von euch geht es
vermutlich auch so, denn ein paar meiner Leser begleiten mich und mein
Geschreibsel tatsächlich schon die ganzen drei Jahre lang oder sogar noch
länger. An dieser Stelle muss also auch mal ganz fix ein kleines Dankeschön
sein für die jahrelange Treue. Ihr wisst ja: Ein Schreiberling ist nur so gut
wie die Unterstützung, die er fürs Schreiben bekommt. Ohne euch wäre das hier
also kein Reiseblog, sondern ein einfaches Tagebuch und im Tagebuchschreiben
war ich noch nie gut – wie mein allererster Tagebucheintrag von 1999 beweist:
„Liebes Tagebuch, heute habe ich dich zu meiner Kommunion geschenkt bekommen.
Gute Nacht, deine Tanja“.