Stress und Wellengang

Alltag ist eingekehrt auf der Prima. Jedenfalls wenn man das ganze Chaos hier Alltag nennen kann. So langsam kommt Routine rein und nichts kann uns Scouties aus der Bahn werfen. Eine normale Woche hatten wir hier nämlich noch nicht, aber inzwischen haben wir es total drauf, alle genervten Gäste zu beruhigen und so lange gemächlich auf sie einzuschwätzen, bis sie sich vom Acker machen.

Die Prima im Hafen von Rotterdam
Die Prima im Hafen von Rotterdam

Erste Woche Stress wegen der Taufe in Hamburg und Jungfernfahrt, zweite Woche Stress wegen Umroutung, dritte Woche Stress wegen IT-Ausfall gleich zu Beginn der Reise, … Diese Woche ist alles soweit gut, wir sind zwar wieder zuerst nach Frankreich und dann nach England, wegen einem Mega-Event in London, aber das war geplant und die Gäste entsprechend frühzeitig informiert. Trotzdem kommen natürlich bei jeder Reise ultraviele Beschwerden. Besonders lustig sind die Gäste, die sich beschweren, dass sie die Reise doch nur gebucht haben, um London zu sehen und dann aber feststellen mussten, dass 3 Stunden ja gar nicht reichen, um London zu sehen. Äh…

 

Auslaufen von Zeebrügge
Auslaufen von Zeebrügge

Aber so langsam kommt man eben doch besser damit zurecht. Und es gibt immer noch die paar wenigen, die sich so überschwänglich für einen schönen Tag bedanken, dass für alles andere wieder wettgemacht wird.
Das frühe Aufstehen wird mir sehr vereinfacht durch Theresa, die meist ähnliche Arbeitszeiten hat wie ich, aber jeden Tag mindestens 10 Minuten vor dem Wecker wach ist. Der morgendliche geteiltes-Bad-Stress fällt also schonmal weg. Mit dem schnellen Frühstücken komme ich zwar noch nicht so zurecht, aber es wird. Wenn es mal wirklich zu knapp wird morgens, gibt es ab halb 11 auch schon wieder Mittagessen. Blöd ist nur, wenn man den ganzen Tag auf Ausflug ist, dann muss man sich selbst versorgen, und das möglichst mit weniger als 5€, damit wir auch noch was von unserer Essenspauschale haben und keine Miesen machen.

 

Leinen los in Hamburg
Leinen los in Hamburg

Die erste Post hat mich an Bord erreicht, welche Freude! Ein bisschen skeptisch war ich, aber es funktioniert wirklich, also immer fleißig her mit den Postkarten und Briefen um mir meine Tage hier an Bord zu versüßen – ihr vergesst, dass man hier schnell vereinsamen kann ohne Kontakt zur Außenwelt. Egal wie toll die Kollegen sind, der Gedanke an mein nächstes Wochenende in 156 Tagen ist doch leicht deprimierend. In den knapp 4 Wochen, die ich jetzt an Bord bin, hatte ich ganze zwei Tag mit Sonnenschein. Seit 5 Tagen regnet es praktisch ununterbrochen, egal in welchem Land wir festmachen. Unter „Metropolen im Sommer“ hatte ich mir wirklich was anderes vorgestellt.
Wenigstens wurden wir ausgestattet mit gebrandeten Schirmen und einer Regenjacke, die mir bis zu den Knien reicht.

 

in Hamburg kommen jeden Samstag hunderte Menschen an die Elbe um uns beim Auslaufen zu winken
in Hamburg kommen jeden Samstag hunderte Menschen an die Elbe um uns beim Auslaufen zu winken

Wenn das Wetter immer so bescheiden ist, haben wir nachts auch immer ordentlich Wellengang. Laut Kapitän Boris Becker (ja, er heißt wirklich so) hatten wir heute Nacht Windstärke 9 und dementsprechend krasse Wellen – sehr unregelmäßig bei so einem riesigen Schiff, also kein gemütliches Hin und Her. Heute früh wars schon besser, aber die Böen merken wir doch noch sehr. Aber wenns nur doll genug wackelt, kommen wenigstens keine Beschwerden, dass kein Wasser im Pool ist, weil dann eh keiner schwimmen gehen will.

 

Der Blick aus der Bugkamera per Fernseher - mitten auf der Nordsee
Der Blick aus der Bugkamera per Fernseher - mitten auf der Nordsee

Unser neuer TM Martina ist super lieb und macht einen guten Job. Die dienstälteren können angeben, welche Ausflüge sie gerne machen möchten, und da achtet sie sehr drauf. Das mache ich zwar noch nicht, aber bisher bin ich auch zufrieden mit meinen Einsatzorten. Diese Woche war ein bisschen anstrengend mit Paris am Montag und London am Dienstag, und beides waren die Ausflüge, wo die Gäste nur den Transfer hin bekommen und dann Freizeit vor Ort haben. Ist ja schön und gut, denn das ist ja auch Freizeit für mich. Aber so viel Busfahren finde ich super anstrengend und fühle mich dann den Rest der Woche wie gerädert. Und mit Schuhen, aus denen vorne und hinten bei jedem Schritt das Wasser rausquietscht…könnte mir schöneres vorstellen. Aber ich beschwere mich nicht, wenigstens komme ich mehr an die frische Luft als die meisten Kollegen aus anderen Abteilungen und laufe am Tag so viele Treppe und mache so viele Schritte, dass das doch ein recht gesunder Job sein müsste.

 

selbst-designtes Magnum-Eis
selbst-designtes Magnum-Eis

Letzt hat TM Martina uns nach einem frühen Ende der Briefe-Schlacht im Back Office frei gegeben und so sind Theresa und ich los, das Schiff erkunden. Wenn man sich noch nicht so auskennt, ist das super und wir haben so viel neues entdeckt. Bei allen Kollegen, die gelangweilt aussahen, haben wir kurz angehalten auf ein Schwätzchen und haben z.B. gelernt, dass nur die alten Schiffe noch Dunkelkammern an Bord haben, auf den neuen die Fotos aber gedruckt und nicht mehr entwickelt werden. An der Kochschule sind wir vorbeigekommen und Sous-Chef Dirk hat uns eingeladen auf frischen Kuchen mit hausgemachtem Heidelbeer-Sorbet. An einer der Bars trafen wir SOM Jutta und sie lud uns auf einen Cocktail ein, während dem wir von Barkeeper Ilja mit Zaubertricks unterhalten wurden. Und dann haben wir auch noch den Magnum-Store erkundet und konnten nicht widerstehen uns auch ein selbst-designtes Eis zu bestellen.

 

Elb-Idylle in Hamburg
Elb-Idylle in Hamburg

Rotterdam habe ich inzwischen auch besser kennengelernt durch die Begleitung eines Bus-Ausflugs. Fazit: Rotterdam wird unterschätzt und hat auch ganz nette Ecken. (Das war übrigens ein Wink mit dem Zaunpfahl – wer mich besuchen kommen und das Schiff anschauen möchte, darf das gerne in Rotterdam tun, da hab ich verhältnismäßig viel Freizeit.)
Beim Verlassen von Hamburg am Samstag war das Wetter sogar ganz schön, sodass wir auf dem oberen Außendeck das Auslaufen schauen konnten. Wenn das Wetter nicht so super ist, bleiben wir auf Deck 5 ganz am Heck in unserem Crew-Bereich, wo die hintere Wand offen ist und man rausschauen kann während die Taue gelöst werden und wir ablegen. Dann winken an Land immer die Hafenarbeiter und freuen sich, wenn wir zurückwinken.

 

Theatrium
Theatrium

Kollege Lenni und SOM Jutta haben beide ihren Vertrag um je zwei Wochen verlängert, sodass wir noch eine kleine Schonfrist haben, bevor es dann leerer wird im Team. Juttas Nachfolger Flo ist schon da und hilft schon fleißig wo er kann, aber dann wird auch noch Theresa das Team verlassen und dann sind wir plötzlich nur noch 6 Scouts, denn Nachfolger wurden noch keine gefunden. Das wird anstrengend und wir fragen uns alle, wie wir unsere England-Ausflüge alle mit Übersetzern abdecken sollen. Es bleibt spannend.

 

Fressmeile auf der Prima
Fressmeile auf der Prima

Und wo wir grade bei SOMs und TMs sind – die Titel-Abkürzungen hier an Bord sind grandios (und leicht verwirrend zu Beginn). Unser Port Operations Manager (POM) Jakob wird liebevoll Pomsi oder Po-Manager genannt. Besonders lustig ist das beim Funken, wenn man grade nicht dran denkt, dass alle Gäste, die in der Nähe rumstehen, ja mithören können…
Mit wem ich noch nichts zu tun hatte, der aber schon öfters erwähnt wurde, das ist der Hot Man. Hat mich sehr verwirrt, wer wird denn hier als heißer Mann bezeichnet? Bis ich mich doch mal getraut habe, nachzufragen: so heißt der Hotel Manager in kurz.
Weniger charmant, aber dafür umso lustiger ist die Seekuh. Wird aber nur so gesprochen, geschrieben ist es die Secu – der Chief Security Officer. POM und SOM sind die wenigen Streifentragenden, mit denen ich im Tagesgeschäft regelmäßig zu tun habe. Sonst essen viele der Streifenhörnchen separat von uns und sind ja auch nicht unbedingt immer so sichtbar für die Gäste wie wir. Wann genau man welche Art von Streifen (gold, silber, halb, mit Wappen, mit Stern, …) bekommt, habe ich noch nicht rausgefunden.

 

Hamburger Idylle (und vor allem blauer Himmel!)
Hamburger Idylle (und vor allem blauer Himmel!)

Mit den weniger-gestreiften Securitys bin ich inzwischen ganz dicke. Die sehen mich ja an Hafentagen üblicherweise mehrmals, wenn ich jedes Mal mit einer Horde Gäste vorbeikomme für meine Abwicklungen. Meinen Namen kennen sie schon alle und brüllen dann schon immer von weitem „Yeaaay – Tanjaaaa!“ Meiner Lieblings-Seekuh habe ich versucht, klar zu machen, dass Teejay viel cooler ist als Tanja und das konnte er aber nicht aussprechen und deswegen nennt er mich jetzt Tayjee :D

 

Das wars von mir. Ich habe heute sogar 2 Ausflüge zu begleiten, daher die lang-genuge Pause über Mittag für ein Blögchen. Denn wer lang auf Ausflug ist, muss mindestens eine ganze Stunde Pause machen, damit er nicht in eine Arbeitszeit-Violation kommt. Heute Nachmittag geht’s also (zum zweiten Mal) zur geführten Tour durch Rotterdam und heute Abend dann nach Amsterdam zur romantischen Grachtenfahrt (laut Scout-Kollege Kevin kaum zu überbieten an Grandiosität, ich bin gespannt).

 

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Mellybelly (Freitag, 10 Juni 2016 17:48)

    ooooooohhhhh wow ich mag auch so ein selbst designtetes Magnumeis :-P
    so prachtvoll hätte ich mir die AIDA von innen gar nciht vorgestellt ;-)