Eine Schifffahrt, die ist lustig

…oder wenigstens sehr aufregend. So viel zu lachen gab es die ersten Tage in der schwimmenden Stadt nicht, denn wir wurden so ziemlich ins kalte Wasser geworfen. Neulinge an Bord sind auffällig wie ein bunter Hund – sie wenden mitten im Gehen plötzlich um 180 Grad, fragen oberste Offiziere nach dem Weg, weil sie die vielen Streifen auf der Schulter zu spät sehen und kommen permanent zu spät zu allem, weil sie sich mal wieder verlaufen haben.

Einlauf in die Hafen-City mit Hilfe eines Schleppers
Einlauf in die Hafen-City mit Hilfe eines Schleppers

So geht es Theresa und mir zur Zeit noch. Theresa ist mit mir als Scout für ihren ersten Vertrag aufgestiegen und wir sind auch Kabinengenossen. Ihr Vertrag läuft bis Oktober, also werden wir die nächsten 5 Monate unsere 8 Quadratmeter gemeinsam mit Leben füllen. Soo klein ist das aber gar nicht, man kommt ganz gut zurecht zu zweit – und eigentlich ist man ja sowieso nur zum Schlafen und Duschen „auf Kabinski“. Ich habe dankenswerterweise das untere Bett bekommen, dadrüber freue ich mich sehr, da es nach oben doch eher kompliziert und verrenkend ist. Am Bett hat jeder ein kleines Regal und eine Ablage für Wasser und Bücher und ein Netz für die Brille. Und das Beste: die Wände sind metallisch, also konnten wir gleich am ersten Abend unsere persönliche Note dran-mageneten und es sieht jetzt schon richtig bewohnt bei uns aus.

 

meine und Theresas Kabine - mein Bett unten
meine und Theresas Kabine - mein Bett unten

Erster Eindruck vom Schiff: Gigantisch! Die AIDAprima ist das größte Schiff der AIDA-Flotte und eines der größten deutschen Kreuzer, außerdem gilt es momentan noch als sauberstes Kreuzfahrtschiff der Welt, denn dank einer speziellen Stromversorgung an Bord kann das gesamte Schiff über ein sauberes Gasgemisch betrieben werden, während es im Hafen liegt – heißt also weniger Dreck im Hafen und niedrigere schädliche Emissionen.
Die Prima wurde gerade erst fertig gestellt und ist nicht nur das neueste Schiff der Flotte, sondern auch das erste der neuen Hyperion-Klasse: neue Bauweise, neues Layout, neues Design. Die Prima fährt auch deswegen die Nordsee-Tour, weil die meisten Passagiere nicht für die Reiseziele kommen; das Hauptziel ist das Schiff selbst.

 

viel zu groß...
viel zu groß...

Beim Aufstieg am Samstag mussten Theresa und ich uns erstmal beim Crew Purser vorstellen, das ist das zuständige Team für die Crew-Mitglieder, die an oder von Bord gehen. Vom Crew Purser haben wir unser Willkommenspaket bekommen (ja, ich habe tatsächlich jetzt einen Selfie-Stick…allerdings gabs kein ausreichendes Selfie-Talent dazu, also macht euch nicht allzu große Hoffnungen) und unsere Crew-Cap (dazu später mehr) und ganz viel Papier zum Ausfüllen.
Wir bekamen eine halbe Stunde Zeit zum Ankommen auf unserer Kabine, dann ging es auch schon weiter. Wir bekamen einen ersten Satz unserer Uniform, bestehend aus roter Bluse, rotem Polo, dunkelblauer Stoffhose, dunkelblauer Sweatjacke und dunkelblauem Blazer und lernten dann auch gleich unsere künftigen Kollegen kennen. Wir sind 8 Scouts an Bord, die alle den gleichen Job haben: Passagiere glücklich machen. Chefin ist Tour Managerin (TM) Linda (mit 2 Streifen auf der Schulter), sie ist meine direkte Ansprechpartnerin und zuständig für die Einteilung der Schichten, wer wie wann wie lang zu arbeiten hat. Ihre Vorgesetzte ist Jutta, sie ist Shore Operations Managerin (SOM) und reportet direkt zur Brücke (darf man mit 3 Streifen auf der Schulter).

 

da wohne ich: in Hamburg, zweite Kabine auf der linken Seite
da wohne ich: in Hamburg, zweite Kabine auf der linken Seite

Gleich am Samstag kamen die neuen Passagiere an Bord, also musste noch am Nachmittag ein Sicherheits-Drill gemacht werden. Es gibt internationale Regeln zur Seeschifffahrt und auch dazu, wie Passagiere für den Notfall vorbereitet werden müssen. Die Hauptregel besagt, dass innerhalb von 24 Stunden, die neue Passagiere an Bord gehen, eine Evakuierungsübung durchgeführt werden muss. Da das Unglück der Costa Concordia aber passierte, als das Schiff grade ein paar Stunden aus dem Hafen draußen war, hat AIDA seither ihre eigenen Regeln angepasst, und nun werden bei der gesamten Flotte die Drills immer schon vor dem Auslaufen durchgeführt. Es gibt 8 Alarme von Bord, aber nur einer ist für die Passagiere relevant. Dann gibt es ein lautes Signal und alle müssen ihre Rettungswesten anziehen und sich zu ihren Sammelpunkten begeben. Dort stehen dann Mitglieder der Crew in ihren knall-orangen Rettungswesten und den roten Crew-Caps (damit man uns auch von weitem erkennt) und registrieren jeden einzelnen der Passagiere, damit auch keiner vergessen wird.

 

im Hafen fühlt man sich immer leicht beobachtet
im Hafen fühlt man sich immer leicht beobachtet

 

Im Notfall bin ich ein sogenannter Pax Musterer, ich führe die Musterung der Passagiere durch, wenn sie an ihren Sammelpunkt im Marktrestaurant kommen. Das sind ungefähr 200 Leute, die dann von mir abgehakt werden müssen. Unsere Truppe beim Drill war super schnell und alle waren pünktlich da, trotzdem mussten wir dann noch ewig warten, da wir natürlich erst die Übung beenden können, wenn an allen anderen Stationen auch alle Passagiere da sind.
Die Geschichte mit der Concordia bringt viele dazu, wirklich mitzumachen, aber es gibt wie üblich die Trottel, die es nicht einsehen, dann muss man sie förmlich in ihre Rettungswesten zwingen, denn das sind die Regeln und ich hab sie nicht geschrieben. Aber was bringt es dir im Notfall, wenn du deine Rettungsweste noch nie anhattest und dann überfordert bist von den ganzen langen Gurten und Pfeifen und Lichtern? Die verlorene Minute könnte die Minute sein, in der das Schiff sinkt.

 

Tauf-Feuerwerk
Tauf-Feuerwerk

Im Notfall und bei den Übungen mache ich die Musterung gemeinsam mit Scout-Kollege Lenni, der ist ein ganz netter Hamburger und fährt schon länger bei AIDA und kann mir alle Fragen beantworten. Also lief das einigermaßen geregelt ab.
Richtig stressig wurde es am Abend, denn die Prima ist ja ein ganz neues Schiff und musste vor ihrer ersten offiziellen Nordsee-Tour noch getauft werden. Im Rahmen des Hamburger Hafengeburtstages kam also als prominenter Gast und Taufpatin Til Schweigers Tochter Emma (die inzwischen gar nicht mehr so putzig ist wie damals in Keinohrhasen) an Bord und wir mussten alle in der Bar am Pooldeck Sekt ausschenken für alle Passagiere. DJ Mousse T legte auf und es war richtig voll und alles wuselte, aber immerhin hatten wir auch ein paar Minuten zwischendurch nix zu tun und konnten das große Tauffeuerwerk vom Außendeck anschauen. Das war ziemlich cool und danach liefen wir langsam aus. Feierabend um kurz nach Mitternacht und ich stand am Heck und schaute zurück auf den Hamburger Hafen in der Dunkelheit und Dutzende von privaten beleuchteten Bötchen, die uns aus der Hafencity begleiteten.

 

Und immer wenn die AIDA tutete, tutete es im ganzen Hafen als Willkommensgruß. Das war schon etwas ganz besonderes und ein echter Gänsehautmoment. Erster Tag an Bord also super anstrengend und mit vierzehneinhalb Arbeitsstunden wohl einer meiner längsten: danach kann ja alles nur entspannter werden.

 


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