Die Freuden der Seefahrt

Eingepfercht auf engstem Raum lernt man ein ganz neues Leben kennen. Wobei wir ja natürlich nicht wirklich eingepfercht sind – wir haben schließlich 16 Decks und sind 300m lang. Aber man muss sich eben arrangieren, denn man ist ja nicht alleine auf dem Schiff. Egal in welcher Abteilung man arbeitet, alle sind hier wichtig und wir könnten keine Kreuzfahrt machen, wenn nicht alle gut zusammenarbeiten können.

Aussicht vom Euromast über Rotterdam
Aussicht vom Euromast über Rotterdam

Damit wir alle freundlicher miteinander umgehen, gibt es was neues bei AIDA und das nennt sich „Smiling Star Award“. Diejenigen Kollegen, die von ihren Mitmenschen als besonders freundlich, lächelnd, serviceorientiert wahrgenommen werden, können nominiert werden zum Smiling Star und einmal die Woche werden drei aus dem Topf der Nominierungen gezogen und die gewinnen dann – entweder einen Gutschein fürs Spa oder den Shop oder den Frisör, oder einen Wertgutschein für eins der Restaurants, oder einen Tag frei. Unsere Scoutine Isabel hat letzte Woche gewonnen und wir alle gönnen ihr so sehr ihren freien Tag (hauptsächlich weil wir drauf hoffen, auch bald mal zu gewinnen) und dann nehmen wir natürlich auch die Mehrarbeit für den Tag in Kauf, wenn es heißt, dass einer aus der Abteilung mal für einen Tag entspannen kann.

 

Prima Aussicht über Rotterdam
Prima Aussicht über Rotterdam

Im Team gibt es zwar grade noch ein paar Spannungen (wahrscheinlich recht normal wenn jede Woche jemand neues dazustößt und außerdem alles Leute mit dem ersten Vertrag sind), aber das wird sich auch noch irgendwie normalisieren. Kevin und Christiana sind abgestiegen, und wir haben drei neue Scouts bekommen. Alles Jungs, also schonmal eine arge Umstellung im bisherigen Mädels-Reich mit Hahn im Korb. Christina und Vicky sind noch ein paar Wochen da und Kevin kommt für einen Monat wieder – hoffentlich glätten sich die Wogen dann etwas, denn er bringt immer Ruhe ins Team. Isabel bleibt auch noch ne Weile, worüber ich mich sehr freue – sie ist beste Freundin hier an Bord. Inzwischen ist es schon fast zur Tradition geworden, dass wir uns ab und an im offenen Crewbereich auf Deck 5 treffen zur Maniküre. Da gibt es die offene Wand nach hinten raus und eine kleine Kante davor, in der perfekten Höhe zum Nägellackieren und danach kann man die Finger über die Wand baumeln lassen und alles trocknet wunderbar schnell.

 

Nordsee-Sunset
Nordsee-Sunset

Obwohl alle Crew-Betten belegt sind und wir offiziell zu viel Crew an Bord sind, gibt es noch immer einige Abteilungen die „short fahren“, also zu wenige Mitarbeiter haben und deshalb helfen wir uns alle gegenseitig. Einer von uns hilft an den Seetagen zum Beispiel immer bei Blümchen (der Dame im Blumenladen), damit sie mal ne Stunde freimachen kann fürs Mittagessen. Bei der Security und dem Check-In am Wechseltag helfen wir sowieso und so kommt man auch mal ein bisschen in verschiedene Abteilungen und lernt, was die eigentlich alle so treiben. Letzte Woche war ich für anderthalb Stunden im Shop, da dort 4 Kollegen krankgeschrieben waren, und die haben sich so tierisch gefreut, dass ich da war, das war richtig nett. Ich habe nur geholfen, Etiketten zu schreiben und Ware auszuzeichnen, aber dann sogar einen kleinen Jungen sehr glücklich gemacht, als ich ihm sein neues Kuscheltier abkassiert habe und er es endlich knuddeln durfte.

 

Honfleur (schon wieder - und immer wieder toll)
Honfleur (schon wieder - und immer wieder toll)

Diese Woche war sehr entspannt, denn unsere TM war nicht da. Stattdessen hat SOM Flo das Kommando übernommen und Männer sehen unseren Job irgendwie lockerer scheint es. Also hatten wir viel Freizeit – mit Christina hatte ich drei Stunden Zeit zum Shoppen und Crêpen in Le Havre (dort ist es übrigens gar nicht ganz so hässlich, wie wir das immer erzählen, aber so richtig schön eben auch nicht). In Rotterdam dann auch Zeit am Nachmittag, und wir lieben ja alle unseren Mittagsschlaf, wenn wir ihn mal bekommen können.

 

wir haben nicht überlebt: Konni, Dennis, Viktor, Isabel und ich
wir haben nicht überlebt: Konni, Dennis, Viktor, Isabel und ich

Am Abend dann eine Überraschung unserer Agentur: Annika und Wietzke, die immer in Rotterdam die Abwicklung der Busse auf der Pier übernehmen, haben uns eingeladen. Ein Van mit Fahrer kam uns abholen und wir hatten keine Ahnung wo es hingehen sollte. Alle acht Scouts waren dabei und der Fahrer ließ uns raus an einem Arm der Nieuwe Maas, wo ein Restaurant-Schiff liegt. Aber nicht nur das – in dem Schiff gibt es einen sogenannten Escape Room. Man wird also eingesperrt mit einer tickenden Bombe und man hat eine Stunde Zeit, um die Bombe zu entschärfen. Das gelingt durch ganz clevere Rätsel, die einen langsam zum Ziel führen. Superlustig und eine tolle Möglichkeit, seine Kollegen besser kennenzulernen.

 

Unilever-HQ in Rotterdam (das Haus unten wurde zu klein, da haben sie einfach noch eins drauf gebaut)
Unilever-HQ in Rotterdam (das Haus unten wurde zu klein, da haben sie einfach noch eins drauf gebaut)

Donnerstags in Rotterdam ist ja sowieso immer cool, weil wir über Nacht liegen und somit abends immer vom Schiff runter und endlich mal ohne Gäste ganz ungestört was trinken gehen können. Außerdem ist Donnerstag ja Seefahrer-Sonntag. Denn Seefahrer haben üblicherweise kein Wochenende, deswegen gibt es Ersatz-Wochenende. Also gibt es zur Feier des Tages Donnerstags Eis zum Nachtisch und am Nachmittag Kaffee und Kuchen in der Crew-Messe. Das gibt es sonst nur Sonntags (für diejenigen der Crew, die sich noch nicht als Seefahrer fühlen vielleicht).
Wenn die Küche mal ein bisschen Zeit hat, wird Essen geschnitzt. Dann hat man immer was zu gucken, welche Tiere die Melonen heute wieder darstellen.

 

Melonenkunst in der Crew-Messe
Melonenkunst in der Crew-Messe

In der Crew-Messe ist es immer ganz spaßig. Jeder hat ungefähr seinen üblichen Platz oder wenigstens den Bereich, wo die Abteilung sich trifft. Das Foto-Team zum Beispiel sitzt immer an den hohen Tischen mit Barhockern, die Spa-Mitarbeiter sind vor dem großen Spiegel an der Wand und wir sind um die Ecke und bekommen manchmal Gesellschaft von der RedBo (die Redakteurin der Bordmedien) oder vom TV-Team. Die Rezeption sitzt gegenüber, Seiten werden üblicherweise nicht gewechselt, außer das eigene Team isst zu einer anderen Zeit.
Im nächsten Raum ist inoffiziell die Offiziers-Messe. Auf anderen Schiffen gibt es einen separaten Raum, hier ist es einfach um eine Wand rum. Dort geht auch jeder hin für seine Getränke, denn da ist die Cola noch wirklich kalt und es gibt sogar Salzstreuer auf den Tischen. Der General Manager hat sich beschwert, dass man „Mahlzeit“ nicht mehr sagen soll, sondern „Guten Tag“ oder „Guten Appetit“, wenn man durch die Messe geht. Seither hat einer der Offiziere angefangen, auf seinem Weg zur Offiziersmesse in jedem Bereich einmal RICHTIG laut „MAAAHLZEEEIT!!“ zu brüllen, damit alle „MAAAHLZEEEIT!“ zurückbrüllen. Da haben wir also immer was zu lachen.

 

Nordsee-Sunset
Nordsee-Sunset

Sonnenuntergang sieht man in Rotterdam nicht so gut, denn es wird ja mit Frankfurt und New York verglichen, was die moderne Skyline angeht. Dafür sieht man den aber öfters mal beim Auslaufen aus anderen Häfen, wenn wir mal wieder gemütlich auf Deck 5 rumlungern. Auslaufen-Schauen macht immer Spaß, denn man sieht auch mal ein bisschen mehr von den Häfen als nur die Pier, man kommt an die frische Luft, und auf Deck 5 sind wir immer unter uns und ohne Gäste.

 

Euromast-Restaurant mit Aussicht
Euromast-Restaurant mit Aussicht

In den Gästebereich dürfen wir ja prinzipiell auch, dann in Privatklamotten und mit Namensschild. Und da wird auch immer recht viel angeboten, für die Gäste und für uns. In den letzten Wochen gab es wöchentliche Partys in unseren schiffseigenen Disco, immer mit Motto und schon recht früh, dass die ganzen Jugendlichen, die während der Ferienzeit an Bord sind, sich auch mal ein bisschen auspowern dürfen. Die Teenie-Jungs dancen dann immer richtig ab, bis einer unserer Mitarbeiter aus der Provision (die, die sich um alle Lieferungen, Essen, Klopapier, Bestellungen, etc. kümmern) sich in den Kreis der Jugendlichen schleicht und eine Runde Breakdance einlegt. Dann jubeln alle und die Tanzdarbietungen der Kiddies werden entweder sehr gedämpft oder dann erst recht ausgefallen.

 

die letzten Stufen im Euromast zum 360°-Kapselaufzug
die letzten Stufen im Euromast zum 360°-Kapselaufzug

Eine richtig coole Sache ist „Crew meets Band“, das findet alle paar Wochen mal statt und ist oben im Beachclub. Mitarbeiter, die gerne und gut singen, tun sich dafür mit der Beachclub-Band zusammen und machen ordentlich Gaudi abends. Besonders die Filipinos können sooo schön singen! Letzte Woche war ich bei der Karaoke im Brauhaus, weil Braumeister Jens so davon geschwärmt hatte. Ein paar Crewmitglieder singen auch immer mit und letzte Woche gab es „When you say nothing at all“ in superschnulzig und danach „Let’s get loud“. Die Gäste sind jedes Mal begeistert, wenn ihre Kellner kurz auf die Bühne hüpfen und wenn das Lied aus ist, einfach ihren Job weitermachen, als wäre nix gewesen.

 

ohne Worte...
ohne Worte...

Bei solchen Gelegenheiten lernt man natürlich auch immer schön Kollegen aus anderen Abteilungen kennen, aber am lustigsten ist es eigentlich auf Deck 7, wenn ich am Schalter bin und einfach gar nix los ist. Einen neuen Freund hab ich dort an der Bar. Erstfahrer auf der AIDA und super interessiert an der europäischen Kultur und ausnahmsweise ein Filipino, der richtig gut Englisch spricht, weil er in Kanada gelebt hat. Ronnie kommt dann also immer, wenn bei ihm auch wenig los ist und lernt bei mir Deutsch. Er sammelt immer Sätze, die er gerne können will, weil er sie öfters bei den Kollegen oder bei den Gästen hört. Also bringe ich ihm „Darf es noch etwas sein?“ und „Ist alles recht?“ und „Die Rechnung bitte!“ bei und ich hoffe, dass wir bald mal ein bisschen mehr Zeit haben, dass ich auch mein Tagalog (aka Philippinisch) verbessern kann. Ich kann bisher nur sagen „Ich schlafe“ (weil „Ich bin müde“ ist irgendwie komplizierter), „Guten Abend“ und „Deine Füße stinken. Ekelhaft!“

 

 

 

 


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