Zwischen Paradies und Müllkippe

Großes Highlight für einen Großteil unserer Gäste und die meisten Crewmitglieder war das Inselparadies der Malediven. Ganze anderthalb Tage lagen wir vor Anker, also freuten wir uns natürlich schon auf einen gemütlichen Abend an Land mit dem ganzen Team. Aber nix war’s, denn die Malediven sind eigentlich nicht wirklich das Paradies, das wir uns alle vorgestellt hatten.

ein erster Blick aufs Paradies
ein erster Blick aufs Paradies

Eins der kleinsten Länder der Welt sind die Malediven ohnehin, aber die Fläche, die etwa so groß ist wie die Cayman-Inseln, verteilt sich auf um die 1.200 Inseln, von denen nur um die 200 bewohnt sind. Ein Traum, dachte ich mir. Morgens machten wir fest vor der Hauptinsel Male und weit und breit kein weißer Strand und keine einzige Palme zu sehen. Es war heiß und stickig wie überall bisher, aber dazu kam ein Dunst, der den Horizont ganz verwischt aussehen ließ und der Himmel wurde gar nicht so richtig blau. Die Malediven haben ein großes Interesse dran, den Klimawandel zu stoppen – mit der höchsten Erhebung des ganzen Landes bei 5 Metern über Null kein Wunder – aber so wirklich etwas zu tun scheinen sie nicht. Also steigt eben weiter der Dunst aus Müllverbrennung und Abgasen auf über Male und der Nachbarinsel Thilafushi, auf die aller Müll aus Male und Umgebung zum Verbrennen hingebracht wird. Hunderte Tonnen Müll werden jeden Tag produziert, einerseits von der Bevölkerung, von der mehr als ein Drittel in Hochhäusern und Wohnblöcken auf Male lebt, und andererseits von den 80 Resortinseln des Landes, auf denen nichts ist außer einem Hotel. Dort hat man noch Paradies, jedenfalls an der Oberfläche. Es heißt, wenn die Touristen schlafen, wird auf den entfernteren Inseln der Müll selbst verbrannt. Was durch die recht starken Winde über so flachen Landmassen aufs Meer geweht wird, bleibt dort meistens und wenn man einen Blick unter die Wellen wirft, zerplatzt der Traum vom Paradies hier draußen irgendwie auch recht schnell.

neugierig sind sie jedenfalls...
neugierig sind sie jedenfalls...

„Taucherparadies“ hatte ich gelesen und die „schönsten Schnorchel-Spots Asiens“, also hatte ich mir einen Schnorchelausflug gewünscht. Chef Tobi ist ja sowieso immer sehr bedacht darauf, uns glücklich zu machen mit seiner Ausflugsplanung, und da wir auf den Malediven keinen einzigen Ausflug mit Reiseleiter und somit nichts zu übersetzen hatten, wurden prompt alle Wünsche erfüllt. Also ging es raus vor eine der kleineren Hotelinseln mit Haus-Riff, wo man in schwimmbarer Entfernung vom Strand ist (der aber natürlich nur für die Hotelgäste reserviert ist) und die Unterwasserwelt besuchen kann. Ich war im ersten Moment tatsächlich überrascht wie viel Leben so in direkter Nähe zur Insel war, hunderte Fische direkt unter der Wasseroberfläche, sogar einen Seestern hab ich gesehen. Zwei Rochen und ein kleiner Riffhai kamen vorbei, und die sind immer ein gutes Zeichen dafür, dass das Ökosystem noch funktioniert, denn sie sind am ganz oberen Ende der Nahrungskette. Im Nachhinein denke ich mir, dass es schon erschreckend war, dass es nur ein Hai war bei so vielen Kleinfischen. Einen Meter unter der Wasseroberfläche, wo alles noch viel Sonne abbekommt, findet man kaum eine bunte Koralle, keine Anemonen, dafür aber ganz viele Anzeichen für ein wirklich geschädigtes, wenn nicht sogar totes Riff.

Cinnamon Dhonveli Resort
Cinnamon Dhonveli Resort

Schade, denn ansonsten hätten die Malediven wirklich viel, was einen Traumurlaub ausmacht. Die Strände der Hotelinseln sind einwandfrei sauber und mehlig weiß, Palmen stehen am Strand und fast jedes Resort hat Over-Water-Bungalows, die mit Brücken mit der Insel verbunden sind und von denen man einen unverbauten Blick und einen direkten Zugang zum Indischen Ozean hat. Ich persönlich kann aber nach anderthalb Tagen ehrlich sagen: hier zieht es mich nicht mehr hin. Es gibt nichts zu sehen außer den Traumstränden, auch nichts was kulturell irgendwie interessant wäre.
Kurzfristig wurde beschlossen, die Hauptinsel Male gar nicht mit den Tenderbooten anzufahren, sie wurde mit der nächstgelegenen Flughafeninsel ersetzt, weil die politischen Unruhen in Male wieder heftiger wurden und Käptn und Security einen durchgehenden Tenderverkehr bis spät in die Nacht nicht wagen wollten. Einige Gäste kamen später zu uns und erzählten uns, dass sie noch nie so einen dreckigen und zugemüllten Ort gesehen hätten wie Male. Es soll stinken in den Hochhausschluchten der Hauptstadt und man müsse immer über die Schulter schauen, weil man sich so verfolgt und dreckig fühle. Ich glaube, man kommt wirklich nur zum reinen Strandurlaub her oder zum aktiveren Wassersporturlaub und fliegt vom Flughafen direkt weiter mit dem Wasserflugzeug oder fährt per Wassertaxi zu seinem Hotel.

Das gesamte Team war extrem froh, als wir die Malediven hinter uns lassen konnten und wegkamen von den lokalen Ausflugsbooten, die rostig waren und mit so alten dünnen Tauen ausgestattet, dass innerhalb eines Tages 17 Leinen rissen, weil sie nicht auf die kleinen Wellen direkt neben den Tenderluken ausgelegt waren. Irgendwie komisch, so ein Hafen, auf den man sich so sehr freut und so hohe Erwartungen hat und dann legt man so erleichtert wieder ab, weil man endlich wieder weg darf. Aber irgendwie hat halt keiner vorher drüber nachgedacht, dass die Malediven ein höchst muslimisches Land sind, das islamische Gesetz gilt (und öffentliche Strände somit für uns und unsere Gäste irrelevant sind), dass politische Unruhen seit Jahren das Land erschüttern, dass Touristen einfach nichts davon mitbekommen, dass der Präsident sich als Alleinherrscher fühlt, dass es praktisch keine Pressefreiheit mehr gibt und dass, egal wie schick und luxuriös die Resortinseln ausgestattet sind, doch noch 15% der maledivischen Kinder unterernährt sind. Und wenn man sich die Crew und vor allem die Gäste anschaut, ist es auch etwas erschreckend mitzubekommen, wie viele sich darüber beschweren kommen, dass es an ihrem Traumstrand kein kostenloses Wlan gab, um die Familie zu Hause neidisch zu machen, und wie wenige überhaupt etwas wissen wollen über das Land und seine Bewohner.

 

 

 


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