Thailand haben wir schweren Herzens hinter uns gelassen um uns auf den Weg Richtung Arabien zu machen, aber bis wir dort ankommen liegen noch ein paar Häfen auf dem Weg. Entlang der Malaiischen Halbinsel geht es und da gibt es natürlich noch allerhand zu entdecken.
Singapur war der erste von drei Hafentagen am Stück. Hier hatte ich Zwischenstopp auf dem Weg ins Auslandssemester eingelegt, also kam mir alles ein bisschen bekannt vor, aber seit 2012 hat sich doch einiges getan in dem kleinen Stadtstaat ganz im Süden der Halbinsel und so konnte ich jetzt auch den Merlion sehen, das Wahrzeichen aus Fischkörper und Löwenkopf, das damals gerade renoviert wurde und verhängt war. Im ganzen Viertel von Marina Bay haben sich die vielen Baustellen von vor ein paar Jahren in beeindruckende neue Hochhäuser verwandelt und die sehr besonderen Gardens by the Bay. Direkt neben dem riesigen Marina Bay Sands Hotel wurden die angelegt als Geschenk vom Chef des Casino-Hotels an die Regierung. Als Hotel und Casino gebaut werden sollten, entschied die Regierung, dass das nur mit Einhaltung von speziellen Auflagen möglich sein sollte: Einheimische werden für freie Arbeitsplätze immer vor Ausländern bevorzugt, 50% des Gewinnes geht direkt an die Regierung für Investitionen im Stadtgebiet und der Geschäftsführer hat ein Geschenk an die Stadt zu machen. Der reiche Amerikaner, der dahinter steckte, entschied sich, der Stadt einen neuen Garten zu schenken und daraus wurden die Gardens by the Bay, bestehend aus zwei Gewächshäusern, in denen man Pflanzen aus aller Welt sehen kann. Eins davon ist das größte Glas-Gewächshaus der Welt, im anderen wird das Klima auf 1.000 Metern nachgestellt, wo sich Nebel hält oder schon Wolken bilden. Höchst imposant in sich, aber eins der größten Highlights dort waren für mich tatsächlich die Fliegenfallen und bunten Stinkblumen, die jemand sehr detailgetreu aus Legos gebaut hat.
Vor den beiden Gewächshäusern stehen die sogenannten „Super Trees“, das sind Konstruktionen aus Metallrohren und –gestängen, auf denen seltene Pflanzen gezogen werden. Oder drauf sind
Solarzellen, die den gesamten Stromverbrauch des Gartens decken, und von den Stangen umschlossen sind Wassertürme, die Regenwasser sammeln und damit die Kühlung des Gartens speisen. Das ganze ist
also praktisch klimaneutral und sieht dabei auch noch toll aus. Jetzt ist grade Chinesisches Neujahr rum und alles steht noch voll mit Hunden in diversen Materialien und Farben, weil jetzt das
Jahr des Hundes ist.
Regen gibt es hier tatsächlich sehr viel zu dieser Jahreszeit. Sobald die Feierlichkeiten Anfang März rum sind, erwartet man hier die regelmäßigen Schauer, die fast jeden Tag kommen und nach ein
paar Minuten immer wieder vorbei sind.
Ganz anders ist das weiter im Norden: in Kuala Lumpur kommen die Schauer auch jeden Tag nach dem Neujahrsfest und hören dann aber ein bis zwei Stunden nicht mit dem Schütten auf. Kuala Lumpur ist Malaysias Hauptstadt und obwohl man die Skyline mit der von Singapur vergleichen kann, fällt auf, dass man in Singapur irgendwie weiter ist. Man sagt, Kuala Lumpur ist 20 Jahre hinter Singapur, was die Architektur und Stadtentwicklung angeht. Wie in Singapur auch hat man in Kuala Lumpur noch an jeder dritten Ecke die Erinnerungen an die Kolonialzeit und würde man den Hintergrund ignorieren, könnte man viele der Gebäude als eindeutig britisch erkennen. Heute ist es aber auch hier alles bunt gemischt. Angefangen hat alles mit den Chinesen, die herkamen um im Dschungel Zinn abzubauen, dazu kamen irgendwann die Inder, die von den Kolonialherren aus der Kolonie Indien als billige Arbeitskräfte und Sklaven eingeschippert wurden. Heute sind 80% der Bevölkerung buddhistisch oder muslimisch, der Rest setzt sich aus Hindus und Christen und anderen Minderheiten zusammen. Schön, wie die hier alle sehr friedlich miteinander leben können.
Den besten Überblick gibt es in den Großstädten natürlich immer vom höchsten Gebäude am Platz, das ist in Kuala Lumpur der Fernsehturm KL Tower – jedenfalls wenn man die höchsten Zwillingstürme der Welt auch sehen möchte, denn die sieht man schließlich nicht wenn man auf ihnen steht. KL (Käi-Äl), wie der Einheimische zu dem doch recht langen Hauptstadtnamen sagt, ist eine super grüne Stadt, wenn man von oben schaut. Ich glaube, hier könnte man es eine Weile aushalten, wobei ich für länger wohl eher Singapur bevorzugen würde. Ich stehe total auf die vielen Regeln zum Alltagsleben, die es da gibt. Kaugummikauen ist auf offener Straße verboten – nicht weil es jemanden stören würde, sondern weil keiner Lust auf Klebzeug an der Schuhsohle hat. Rauchen ist in allen öffentlichen Bereichen verboten. Man darf auch nicht auf die Straße spucken, was die Asiaten ja generell sehr gerne mal tun. Man darf auch nicht unhöflich sein oder sich rassistisch äußern zur Hautfarbe oder Religion seiner Mitmenschen. Die sehr empfindlichen Geldstrafen will keiner riskieren und deswegen kann man hier vom Boden der Metro-Stationen essen und fühlt sich generell sehr respektiert von allen.
Kuala Lumpur hat dafür noch mehr von den alten Kulturgütern übrig als Singapur, denn als Singapur vom Mutterstaat des heutigen Malaysias unabhängig wurde, hat die Regierung sofort beschlossen,
dass Singapur sich sehr schnell entwickeln soll, alles musste schnell, schnell gehen, damit Wirtschaft und Tourismus in nur wenigen Jahren extrem boomen konnten. Malaysia wusste zu dem Zeitpunkt
aber, dass die eigene Bevölkerung für so einen gigantischen Wandel noch nicht bereit wäre, und so wurde da alles gemütlicher angegangen.
Eins dieser kulturellen Besonderheiten findet man nicht allzu weit außerhalb der Hauptstadt. Entlang der Bergkette, die die Ost- von der Westküste Malaysias trennt, wurde in den bis zu 100 Metern
hohen Kalksteinhöhlen ein Tempel gebaut zu Ehren des Gottes Murugan. Der steht auch verewigt in einer über 40 Meter hohen goldenen Statue vor dem Eingang zur Höhle und bewacht die riesige Treppe,
die hoch führt. Die wahren Wächter über die Treppe sind aber die Langschwanzmakaken, die zu Dutzenden rauf und runter patrouillieren. Die lassen sich gerne füttern, aber wenn man sie nicht
füttern will, bedienen sie sich auch einfach selbst. Die sind ganz schön frech und wenn man nicht auf sein Hab und Gut aufpasst, ist plötzlich die Kamera weg oder die Wasserflasche. Ganz
besonders fasziniert scheinen die süßen Viecher von Getränkedosen zu sein, an denen sie Minuten lang rumzudoktern versuchen, bevor sie aufgeben. Unsere Reiseleitung sagte uns gleich bei Ankunft,
dass wir gut aufpassen sollen, denn die haben gelernt, dass Menschen sich weiter runterbeugen und Dutzi-Dutzi machen, je mitleiderregender sie dreinschauen. Also passiert es öfters mal, dass eine
Mama mit Baby am Bauch auf dem Geländer sitzt und dich ganz herzzerreißend anschaut und sobald du näher kommst und trösten willst, hüpft der dazugehörige Papa auf deinen Rucksack und räumt in
Windeseile alles aus, was lecker aussieht.
Ich mochte sie trotzdem, denn sie haben die extreme Hitze und die 272 supersteilen und ungleichmäßigen Stufen erträglicher gemacht. Wenn man dann endlich oben ankommt, hört man nicht auf beeindruckt zu sein. Im Gegenteil: in den Höhlen oben wurden mehrere Schreine und Tempel gebaut, die völlig fehl am Platz aussehen in so einer natürlichen Halle. Die Tempelhöhle ist über 100 Meter hoch und drinnen steht dieser Tempel, der natürlich komplett in Handarbeit gebaut wurde und gerade renoviert wird. Dann stehen unten Arbeiter und befüllen Eimer mit Backsteinen und Mörtelmasse und nebendran informiert ein Schild, dass jeder starke Mann, der den Pilgeraufstieg zur Höhle macht, ein Extra-Opfer an Murugan gibt, wenn er sich einen oder zwei Eimer schnappt und zu den Arbeitern nach oben bringt. Die Opfer-Sache ist eine große Sache im hinduistischen Glauben. Wer Opfer bringt, der wird von seinen Sünden befreit, oder der hat die Möglichkeit, seinen Gott um Hilfe zu bitten. Zum Beispiel gibt es Geschichten von kinderlosen Paaren, die ein Opfer bringen und den Gott um ein Kind bitten, und dann kam tatsächlich ein Kind. Wenn es drei Jahre bis zur Geburt gedauert hat, verpflichtet sich der Mann mit seinem Opfer dazu, nach der Geburt drei Jahre lang jeden Tag den Aufstieg zur Höhle zu machen und Murugan zu danken.
Ganz krass wird es aber Anfang des Jahres, wenn das Thaipusam-Festival stattfindet. Ihr könnt es ja mal googeln wenn ihr einen starken Magen habt, denn das ist schon ziemlich übel, was die da
veranstalten und ein bisschen brutal. Um alle ihre Sünden wiedergutzumachen, wird erstmal anderthalb Monate vor dem Festtag gefastet, sonst ist man nicht rein genug um für seine Sünden zu büßen.
Dann pilgern die Gläubigen während den Feiertagen zu den Batu-Höhlen und demonstrieren ihre komplette Unterwerfung unter Murugan indem sie sich körperlicher Anstrengung oder Schmerzen aussetzen.
Manche setzen sich „nur“ einen Korb auf den Kopf, den sie voll bis zum Rand mit schweren Steinen oder Sandsäcken nach oben tragen. Das Fest wird gefeiert zum Gedenken an die Legende von Murugan,
der einen Speer von seiner Mutter Parvati bekam, um einen bösen Dämon zu besiegen, was er dann auch schaffte. Damit man ihm besonders nah ist, symbolisieren während Thaipusam viele der krass
Gläubigen (oder krass Sündigen) ihre Unterwürfigkeit mit Speeren – zum Beispiel, indem sie sich einen durch die Zunge stechen oder quer von einer Seite des Gesichts durch beide Wangen zur
anderen. Oder sie ziehen eine kleine Kutsche mit Murugans Statue drauf bis zu ihrem Pilgerziel (meist ist der Weg um die fünf Kilometer lang) indem sie sich die Zugseile mit Haken in den Rücken
stechen lassen.
Oben in den Höhlen angekommen, steht ein Priester, verbrennt irgendwas, zieht dann den Ankommenden die Speere und Haken aus der Haut und reibt die Wunden mit der Asche ein. Durch seine Gebete und
die gesegnete Asche bluten die Wunden kaum – und meine Reiseleiterin hat gesagt, sie hat es schon mal gesehen und es kam immer nur ein Tropfen Blut und dann wars wieder gut. Naja…wenn man dann
von allen Sünden befreit ist, ist es das für viele wohl wert. Sachen gibt’s…
Dann doch lieber ein bisschen was weniger brutales um die Kultur in Südostasien kennenzulernen: also ging es am nächsten Tag und unserem letzten Hafen dort auf die Ferieninsel Langkawi, wo ein Großteil der kleinen Inseln und Mangrovenwälder unter Naturschutz steht und wo man mit Booten durchtuckern kann. Hat mich tatsächlich sehr an die Bootsfahrten auf dem Belize River erinnert, nur die Krokodile blieben aus und die Affen sind kleiner und zutraulicher (und frecher) als die Belizer Brüllaffen. Nur durch die schnelle Reaktionsgabe eines Gastes meiner Gruppe bin ich heute noch im Besitz meiner treuen AIDA-Fahrradflasche, sonst wäre die glatt den flinken Fingern einer Makakendame zum Opfer gefallen. Sie hat sich dann stattdessen die Plastikflasche eines anderen Besuchers gekrallt und mehrere Minuten am Deckel rumgewurschtelt. Als sie dann festgestellt hat, dass sie nicht weiterkommt, hat sie neben dem Schraubverschluss oben ein Loch in die Flasche geknabbert und sich die Flasche so gehalten, dass eine kleine Trinkfontäne rauskam. Verrückt!
Die Makaken werden übrigens kaum als Haustiere gehalten, sondern leben wild und halten sich gerne bei den Menschen auf um deren Abfälle einzusammeln. Auf den Plantagen werden sie als Erntehelfer
angelernt, flitzen dann auf die Palmen, sammeln ein was es einzusammeln gibt, und bekommen dafür ihren Lohn.
Nebenan noch mehr Wildlife: eine Mangroven-Viper wärmte sich auf einem Ast am Wasser. Ich hatte so eine Giftschlange ja größer erwartet, aber anderthalb Meter und zwei Finger dick reichen um
tödlich zu sein.
Schnell weg, also – und auf Richtung Indien!
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