Mal den Osten kosten

Einmal schnell in den Süden flitzen war natürlich bei weitem nicht genug Abenteuer für meinen Sommerurlaub – vor allem nachdem schon letztes Jahr der größere Urlaub ausgefallen war. Und so musste ich meine Zeit eben anders füllen. Gleich drei alte AIDA-Freundinnen kamen für jeweils ein paar Tage zu Besuch, also kenne ich die Usedomer Kaiserbäder, den Rasenden Roland auf Rügen und die Radwege auf Hiddensee jetzt ein bisschen besser, denn natürlich musste mit allen dreien das typische Ostsee-Touristenprogramm sein.

Ostseebad Binz auf Rügen
Ostseebad Binz auf Rügen

Eine der drei war Isi, die der aufmerksame Leser schon von vor drei Jahren kennt, als sie mit mir für mehrere Wochen Irland unsicher gemacht hat. Leider sind wir beide nicht mehr auf dem Schiff und die Urlaubstage daher viel stärker begrenzt als früher. Eine wochenlange Auszeit irgendwo kam also leider nicht mehr in Frage. Weil Isi inzwischen ganz im Südosten Deutschlands wohnt, hatten wir schon länger mit dem Gedanken gespielt, uns mal in der Mitte zu treffen, das wäre an Zugstunden gemessen irgendwo in Sachsen. Und so machte ich mich Mitte Juli aus dem Süden auf zur nicht ganz so langen Zugfahrt, stoppte auf dem Weg bei Patentante Bettina auf ein-zwei Gläschen Likör und Open-Air-Kino, und fuhr am nächsten Tag weiter nach Leipzig. Ich war noch nie in Leipzig gewesen, also freute ich mich umso mehr, dass mein treuer Blog-Fan Joachim Zeit für einen Kaffee hatte und mir voller Stolz seine Stadt zeigen wollte. Das war ja fast ein bisschen wie ein Blind Date, wie wir uns am Leipziger Bahnhof suchten und schließlich fanden – immerhin haben wir uns davor erst einmal getroffen und das ist knapp 30 Jahre her. Ein paar Stunden Leipzig riefen mir eindeutig hinterher „Komm mal wieder!“, denn die Stadt sieht auf den ersten Blick echt schön aus. Vor allem die riesigen Universitäts-Gebäude mitten in der Stadt sind ein Hingucker und mir gefällt es ja immer sehr, wenn die Gebäude einen einheitlichen Stil haben und ein nettes Gesamtbild abgeben.

Dresden
Dresden

Für die Stadtführung auf Schwäbisch war ich doppelt dankbar, als ich abends bei AIDA-Freundin Cathi in einem kleinen Kaff auf dem Land ankam und nach zwei Bier doch arge Schwierigkeiten hatte, ihren sehr einheimischen Vater zu verstehen. Mit Sächsisch komme ich sonst eben einfach nicht so viel in Berührung, und so war das Verstehen eine leichte Herausforderung. Kurz nach dem Schlafengehen um kurz vor Mitternacht ging dann auch noch eine Sirene los, die sich haargenau so anhörte wie in den WWII-Dokumentationen und im ersten Moment dachte ich nur „Das kann doch wohl kein Fliegeralarm sein?!“ Gruselig war das, vor allem sah man in der stockfinstren Dorfnacht kein Blaulicht herannahen. Da sich im Haus aber niemand rührte und der Alarm nach zwei Minuten aufhörte, ging ich halt wieder ins Bett und wurde am Frühstückstisch aufgeklärt: da hatte es wo gebrannt. Weil die Dörfer hier teilweise so klein sind, dass sie keine eigene Feuerwehr haben, geht der Notruf nur im größten Dorf ein, dort wird die Sirene bedient und alle freiwilligen Feuerwehrler aus den umliegenden Orten kommen angeflitzt. Ist ja verrückt.

Molkerei Pfund - der wohl schönste Milchladen der Welt
Molkerei Pfund - der wohl schönste Milchladen der Welt

 So habe ich also das sächsische Dorfleben auch kennengelernt und machte mich auf zum eigentlichen Ziel der ganzen Zug-Etappen: Dresden. Isi kam kurz nach mir an und wir verbrachten anderthalb vollgepackte Tage in der Landeshauptstadt. Dresden ist eine tolle Stadt, und das sage ich als Großstadt-Hasserin. Das Elbufer eignet sich ganz hervorragend zum Spazieren und wir liefen uns gleich am ersten Tag Blasen. Wer hätte gedacht, dass es an der Elbe Weinberge gibt? Wir fanden ein kleines Weingut am Hang, gut versteckt hinter einer Mauer, wo sie Wein und frischen roten Traubensaft ausschenkten, den man mit grandioser Sicht auf die Villen gegenüber im Schatten einer weinüberwucherten Terrasse genießen konnte. Herrlich! Weniger wunderbar als erwartet war das Blaue Wunder, eigentlich nur eine olle Brücke, die vermutlich vor nicht allzu langer Zeit mal blau war. Also schnell zurück Richtung Zentrum.

Zurück in der Innenstadt musste natürlich eine Runde zu Fuß entlang der Highlights sein, und in Dresden ist alles wichtige fußläufig zueinander. Zwinger und Semperoper sind schon von außen sehr beeindruckend und auf der anderen Elbseite überbieten sich die hochherrschaftlichen Bauten an Protz und Punk. Auch hier scheint die ganze Stadt aus einem Guss zu sein, alles ist aus ähnlichem Gestein und in ähnlichem Stil und so sieht jeder Platz einfach beeindruckend aus.

Ersatz-Windscheibe
Ersatz-Windscheibe

Weil das Wetter so unglaublich sommerlich-heiß war, entschieden wir uns gegen die meisten Museen – man musste einfach draußen Zeit verbringen. Aber ein Museum konnten wir uns nicht entgehen lassen, wo wir beide doch so gar nichts mit der DDR am Hut haben: das DDR-Museum. Wer mal nach Dresden kommt: wir können es extrem empfehlen! Wer nicht in der DDR aufgewachsen ist, entdeckt da richtig viele witzige Dinge – unser Highlight war eine faltbare Ersatz-Windschutzscheibe, die aufgerollt geliefert wird und dann ausgerollt mit Schnüren an der Heckklappe und der Motorhaube befestigt wird, um sie vor dem Wegwehen und Knittern zu hindern. Sachen gibt’s! Die hätte uns in der Werft vielleicht auch gut geholfen, als es wegen Lieferschwierigkeiten vor ein paar Monaten beim Einbauen von Windschutzscheiben auf unseren Boote kurz zu Engpässen gekommen war.

Ah...das erklärt einiges
Ah...das erklärt einiges

Meine zweite Woche Urlaub verbrachten wir in Greifswald, von wo aus sich die Inseln einfach gut erkunden lassen. Und dann war die Büro-Auszeit auch schon wieder rum und ich dachte kurz „Ach, wie schön es doch war, bei AIDA Urlaub zu haben!“ Aber schließlich hat das Leben hier auch seine Vorteile und ich genieße sehr meinen Balkon mit Gill und meinen kleinen feinen Freundeskreis, der für immer neue regionale Abenteuer zu haben ist. Zum Beispiel probierte ich Knoblauch-Eis auf dem Food Festival, ließ mir von einem Freund Caspar-David-Friedrichs (seine Rede) Greifswald bei Dunkelheit zeigen, war endlich im Klettergarten, trage deswegen jetzteine hübsche Narbe am Schienbein und kann aus eigener Erfahrung sagen, dass Beach-Polo wohl eine der unaufregendsten Sportarten der Welt sein muss.

 

Alles in allem war es also für da Ausbleiben eines Urlaubs mit Flugzeug, Hotel und allem Drum und Dran ein wirklich netter Sommer und irgendwie war auch wieder ganz froh, meinen Greifswald-Alltag zurückzuhaben – auch (oder gerade) weil er vier Wochen später schon wieder vorbei war.

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Sonja (Samstag, 16 Oktober 2021 12:41)

    Herrliche Bilder, wunderschön!