Greifswinter

Etwas verspätet kommen sie, aber die Bilder vom Traumwinter in Greisfwald kann ich euch natürlich nicht vorenthalten. Viel passiert ist ja nicht seit Herbst, aber der Winter war uns wohler gesonnen als noch im Jahr davor und bescherte uns über Nacht plötzlich ganz viel Schnee, was hier etwas echt Besonderes ist.

Ryckufer im Schnee
Ryckufer im Schnee

Genau ein Jahr zuvor war ich zum ersten Mal für mehrere Tage in Greifswald unterwegs gewesen, auf der Suche nach meiner Wohnung. Fünf Tage Greifswald und fünf Tage Dauerregen. Es war kalt, es war nass, es war stürmisch. Eine Minute vor der Tür und man war bis auf die Unterhose nass. Der Dezember 2020 hätte im Vergleich dazu nicht extremer anders sein können. Die Wochen vor Weihnachten waren mild und sonnig, die Wochen nach meiner Rückkehr aus dem Süden schneereich und blauhimmelig. So einen Winter hatte ich in der Tat schon lange nicht mehr. Wenn man sich gerade im Winter immer die schönen warmen Kreuzfahrtziele ausguckt, umgeht man gleichzeitig die monatelange Kälte. Ich muss zugeben, dass ich ja nun wirklich kein Wintermensch bin und zu lange kalt macht mich einfach irgendwann schlecht gelaunt. Aber wenn es so kalt ist, dass der Marktplatz unter einer 20cm-dicken Schneedecke verschwindet, der Ryck zufriert und der Greifswalder Bodden zur Schlittschuhbahn umfunktioniert wird, dann finde sogar ich Winter gar nicht so schlecht.

Yachthafen
Yachthafen

Das ständige „Nur-Spazierengehen“ war dann plötzlich auch gar nicht mehr so langweilig, weil es endlich was Neues zu sehen gab. Weihnachtsmarkt gab es ja leider nicht, denn normalerweise bin ich um Weihnachten immer gerne unterwegs und schaue mir die Märkte in verschiedenen Städten an. Aber wer nach den Feiertagen mit solch grandiosen Aussichten entschädigt wird, vergisst ganz schnell die ausgefallenen Crêpes und Amaretto-Pünsche.

Josi gibt es noch und seit August noch einen zweiten Kollegen namens Steffen, mit denen ich mich regelmäßig für eine Runde am Fluss oder übers Feld treffe. Die Mädels, die ich über den Sommer in der Freunde-finde-App gefunden habe, sind auch noch da, und so hat sich doch eine nette kleine Gruppe Freunde angesammelt – es soll ja schließlich auch nicht langweilig werden. In diversen Paarungen ging es also auf diverse kleine Ausflüge im Stadtgebiet und Greifswald präsentierte sich in ganz neuer Pracht.

Waldohreule
Waldohreule

Das erste Highlight war der letzte Tag im Januar, wo über Nacht zentimeterdick Schnee fiel und am Morgen der Himmel in einem grandiosen Dunkelblau strahlte. Nach drei Stunden draußen merkte man dann auch die Kälte gar nicht mehr. Mit Josi ging es raus aufs Feld, an einen Punkt unweit des Platzes, wo Caspar David Friedrich schon vor 200 Jahren die Marienkirche aus der Ferne gemalt hat. Das zweite Highlight wollte sich erst gar nicht fotografieren lassen, aber ich war so unnachgiebig, dass ich schließlich doch ein Bild schießen konnte von der ersten wilden Eule meines Lebens und endlich einem Eisvogel vor der Linse. Und um noch ein bisschen mehr Wildlife zu sehen, bauten Josi und ich kurzerhand einen Schneehasen auf dem Werftgelände um den Hausmeister am nächsten Morgen zu beglücken.

Selbstgemachte Schlittschuhbahn auf dem Greifswalder Bodden
Selbstgemachte Schlittschuhbahn auf dem Greifswalder Bodden

Drittes Highlight war ein Spaziergang nicht am, sondern AUF dem Greifswalder Bodden mit Josi und Anne ein paar Wochen später. Denn ob ihr’s glaubt oder nicht: auch nach zweieinhalb Wochen hatten wir noch immer so viel Schnee, dass alles weiß war und auch permanent neues Weiß dazu kam. Zu den ganz krassen Einheimischen gehörten wir nicht, die mit dem Fahrrad ans andere Ufer des Boddens radelten, aber immerhin sind wir auch ein paar hundert Meter übers Eis geschlappt. Da hätten wir auch wirklich was verpasst, denn die ganze Stadt schien auf den Beinen zu sein und auf der riesigen holprigen Eisfläche Schlittschuhbahnen freizuschaufeln, Eishockeytore aufzustellen und mit dem Schlitten die Dünen runterzubrettern. Mit Steffen sah ich hingegen drei Männer in der Mitte der Fahrrinne des Ryck auf Hockern vor kleinen Löchern beim Eisfischen sitzen. Markus (der Fischreiher) saß ganz bedröbbelt nebendran und hat drauf gewartet, dass sie aufgeben, damit er endlich seinen Schnabel durchs Eis bekommt. Und weil drei Highlights so klischeehaft klingen, gab es sogar noch ein viertes: den Urheber habe ich zwar immer noch nicht gesehen, aber immerhin seine Spuren und damit eindeutige Beweise, dass es tatsächlich einen Otter am Ryckufer gibt.

In der Tat...
In der Tat...

Na, wenn das kein erfolgreicher Winter war, weiß ich auch nicht. Sobald der Schnee weg und es nur noch eisig war, fror meine Freude aber auch ziemlich schnell wieder ein. Sechs Monate in der gleichen dicken Winterjacke und mit Schal und Thermo-Handschuhen rumzulaufen ist einfach echt nichts für mich. Aber hey, immerhin zu Ostern war dann gaaanz langsam eine ganz kleine Besserung in Sicht, als die Minusgrade langsam nur noch einstellig wurden.

 

 

 


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Kommentare: 4
  • #1

    Melanie (Donnerstag, 13 Mai 2021 07:36)

    Tolle Bilder! Das ist eindeutig schöner als der graue Schneematsch, den wir in Stuttgart hatten...

  • #2

    Nicole (Donnerstag, 13 Mai 2021 14:03)

    Wow! Super Bilder. Da bekommt man richtig Lust auf Winterurlaub.

  • #3

    Michael aus Fulda (Donnerstag, 13 Mai 2021 20:45)

    Deine Texte sind anschaulich und lebendig geschrieben. Zusammen mit den Fotos bilden sie eine gelungene Einheit, die uns Leserinnen und Lesern den Eindruck vermitteln, bei Deinen Unternehmungen dabei gewesen zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass auch die Greifswalder das gern lesen würden. Vielleicht interessiert es sie, wie Du nach Deinen weiten Reisen vom Südwesten in den Nordosten der Republik gekommen bist und nach dem ersten regennassen Winter den trockenkalten zweiten Winter erlebt hast. Es gibt die „Ostsee-Zeitung“ und den „Heimatverband Mecklenburg-Vorpommern e.V.“
    Der Blick aus der Ferne auf einen Kirchturm hat nicht nur Caspar David Friedrich fasziniert. Den Münchnern ist ihr Blick auf die Türme der Frauenkirche so wertvoll, dass im Stadtgebiet vorläufig keine höheren Gebäude mehr gebaut werden dürfen (Wikipedia).
    Natürlich hat auch Marcel Proust aus der Ferne Kirchtürme angeschaut und beschrieben. Hier ein Zitat:
    „Combray, von ferne gesehen, aus einem Umkreis von zehn Meilen, von der Eisenbahn aus, wenn wir in der letzten Woche vor Ostern dort ankamen, war nur eine Kirche, die die Stadt zusammenfaßte, die sie vertrat, die zu der Ferne von ihr und für sie sprach und die, wenn man näherkam, um ihren hohen, düsteren Kragenmantel herum mitten im Feld gegen den Wind wie eine Hirtin ihre Schafe die wolligen grauen Rücken der zusammengescharten Häuser dicht beieinanderhielt, die ein Rest der Stadtmauer aus dem Mittelalter hier und da mit einer ebenso vollkommen kreisrunden Linie umgab wie auf einem spätgotischen Bild.“
    Zur Winterkälte:
    Es gibt die Arie „The Cold Song“ von Henry Purcell, in der sich der Sänger zitternd über die Kälte beklagt.
    Jakub Jósef Orlinski - Purcell - King Arthur - The Cold Song
    https://www.youtube.com/watch?v=Q8K8wFk-tn8

  • #4

    Sonja (Samstag, 15 Mai 2021 08:42)

    Wunderschön - aber auch mir ist der Frühling lieber.