Freunde finden.

Es war nur ein halbes Jahr, aber meine Güte, was für ein halbes Jahr! Mit übergebenen Schlüsseln, korrektem Mietvertrag und allen Möbeln in Greifswald, konnte der Einzug endlich losgehen. Für mich war das eine entspannte Umzugswoche, denn ich ging ganz normal zur Arbeit und jeden Abend war die Wohnung ein kleines bisschen wohnlicher, dank Papa und seiner effizienten Aufbau-Liste, anhand derer er mit Mama systematisch Schränke aufbaute und Regale aufhängte. Mama stellte währenddessen fest, dass „besenrein“ wirklich sehr übertrieben gewesen war bei der Übergabe, also schrubbten wir erstmal die Fensterrahmen.

Greifswald
Greifswald

Die Streifen an meiner Küchenwand sehen nach mehrmaligem Anschauen immer besser aus, also durften sie bleiben und bisher hat sogar nur einer drüber gelacht und der war ein Küchenbauer, den ich nie wieder sehen werde. Soll er lachen…ich denke, Josi und ich haben das sehr kreativ gelöst. Der große rote Sonnenschirm, den der Vormieter mir überlassen hat, steht noch auf meinem Balkon. Allerdings hat es letzt plötzlich aus einer anderen Richtung als üblich gewindet und ich sah aus der Küche, wie eine Windböe den schon fürs Mittagessen aufgespannten Schirm von unten erfasste und die Hauswand hoch pustete. Gut, dass da eine Kante in der Wand ist, sodass ich ihn mit Michas Hilfe retten und zurück in seine Kabelbinder-Befestigung bringen konnte.

regelmäßiger Besucher auf dem Marktplatz
regelmäßiger Besucher auf dem Marktplatz

In der Wohnung hat sich doch noch einiges geändert, sie ist vor allem voller geworden. Alle Bilder hängen an den Wänden, ich habe in ein Sofa, neue Esszimmerstühle und Second-Hand Wohn- und Esszimmertische investiert. Weil ich bodenlange Fenster und deswegen keine Fensterbretter habe, musste ein Blumentisch her, der jetzt mein Wohnzimmerfenster begrünt. Und wo ich schon mal dabei war, habe ich den Baumarkt im Ort halb leer gekauft und meinen Balkon auch mit Blumentöpfen ausgestattet. Der großen blauen Hortensie gefällt es nicht so gut, aber Erdbeeren, Tomaten und mein riesiger gelb-blühender Knubbel scheinen sich besonders wohl zu fühlen. Weil der Boden meines Balkons aus richtig unschönem Sichtbeton ist, habe ich Josi eines Samstags eingeladen und wir haben eine Fliesenleger-Party veranstaltet, bei der wir mit meinen superschicken Klick-Fliesen den hässlichen Boden abgedeckt haben. Um die Ränder auch noch schön zu machen, schwangen wir uns auf unsere Räder, düsten die drei Kilometer zum Baumarkt und strampelten mit jeweils 10 Kilo weißer Flusskiesel zurück. Den Sand siebten wir aus und wuschen jeden einzelnen Stein bevor jeder seinen passenden Platz entlang meines Balkongeländers fand. Das wird ein Spaß, die alle wieder einzusammeln wenn ich hier mal ausziehe. Aber ich bin zufrieden und habe jetzt sogar eine Ecke Kunstrasen auf meinem Balkon, auf dem sich der kleine Grill gegenüber meiner Balkonmöbel ganz gut macht.

Greifswald
Greifswald

Was sich so alles ansammelt, ist schon beeindruckend. Es ist das erste Mal, dass alles, was ich besitze, an einem Ort ist. Also alle Möbel und Krimskrams aus der Studentenbude in Karlsruhe, alles Angesammelte aus vier Jahren auf See, diverse geerbte Möbel von Kollegen, Gebraucht-Geschirr von Julia, die daran Spülmaschinentabs getestet hatte, Gebraucht-Geschirr von diversen Großeltern (und meine Güte, gab es da viele Servierschüsseln), und dann noch ganz viel Kram, der es nie wirklich aus meinem Kinderzimmer geschafft hatte. Ich begann also meine Zeit in der eigenen Wohnung mit Fotografieren allen Zeugs, das ich nicht mehr brauchte und eröffnete einen Kleinanzeigen-Account bei eBay. Wer hätte gedacht, dass es immer noch Sammler von Diddl-Blättern gibt?! Aber tatsächlich, immerhin 74 Euro habe ich mit Blöcken, Blättern und Kuschel-Mäusen schon verdient, und übrig habe ich auch noch was! Hätte ich das gewusst, hätte ich vor 20 Jahren im großen Stil in Diddl-Blöcke investiert, die heute wohl für mehrere hundert Euro die Hände wechseln – aber nur, wenn kein einziges Blatt fehlt. Bescheuert, wir haben die schließlich gesammelt und getauscht, da hat halt leider immer die Hälfte an Blättern gefehlt. Naja, hinterher ist man immer schlauer – und wer hätte schon damit gerechnet, dass Leute heute 20 Cent für ein Blatt Papier ausgeben?
Insgesamt hat sich die ganze eBay-Sache nach ein paar Anlaufschwierigkeiten als echt lukrativ erwiesen und als schöner Nebeneffekt wird das Chaos im dritten Zimmer immer ein bisschen aufgeräumter.

Klappbrücke in Greifswald-Wieck
Klappbrücke in Greifswald-Wieck

Meine Küche wurde auch wirklich fünf Tage vor dem ursprünglichen Datum geliefert, als meine Eltern grade weg waren. Und wie gut, dass es da geklappt hat, denn kurz drauf war Corona da und ich hätte bangen müssen, ob ich meine Küche noch gekriegt hätte mit den Einschränkungen, die Möbelhäuser teilweise hatten, wo sie nur noch bis zur Wohnungstür lieferten und nicht mehr aufbauten. Ich liebe meine Küche und mit einer großen Speisekammer nebendran sieht sie auch gar nicht so vollgestellt aus wie ich gefürchtet hatte. Gegenüber der Küchenzeile habe ich neben meinem Kühlschrank eine Tischplatte anbringen lassen, in der perfekten Höhe um sich mit dem Ellenbogen aufzustützen und jemandem mit Cocktail in der Hand beim Kochen zuzugucken. Ob der Koch das so geil findet, muss ich noch rausfinden, aber Micha hat sich bisher nicht beschwert.
Bekocht wurde die Küche jetzt auch schon genug, besonders groß immer wenn Josi zum Topmodel-Schauen donnerstags vorbeikam.

Greifswald
Greifswald

Dass ich mich direkt mit Josi angefreundet habe, war ein absoluter Geniestreich. Für sie übrigens auch, denn auch sie hatte in ihrer Zeit in Greifswald noch nicht wirklich jemanden kennengelernt. Wir retteten uns gegenseitig über die Zeit im Homeoffice (dazu nächstes Mal mehr) und es ist einfach schön, zu wissen, dass man wenigstens eine Person kennt am neuen Wohnort. Ich versuche mich seit Einzug, den Nachbarn aufzudrängen, aber so richtig geklappt hat das nur mit Lisa und Jakob direkt unter mir. Kein Wunder, sie haben schwäbische (Schwieger-)Eltern und sind deswegen dem süddeutschen Gemüt weniger abgeneigt als beispielsweise Herr Schmidt aus dem Erdgeschoss, der mir fast die Tür vor der Nase zuschlug, als ich ankündigte, mal mit Kuchen vorbeizukommen.
Lisa und Jakob sind super lieb, ich durfte im Urlaub bei ihnen Blumen gießen und sie im Anschluss natürlich auch bei mir. Die kleine Tochter fängt grade an zu reden und ist total verschossen in mich. Als Mama und Papa hier eine Woche lang gebohrt und gehämmert haben und die Kleine zu der Zeit gerade „Specht“ gelernt hatte zu sagen, hat Jakob ihr erklärt, das sei „der Tanja-Specht“, der da oben Lärm macht. Seitdem ist es der „Danna-Specht“ wenn irgendjemand im Haus bohrt oder hämmert. Immer wenn sie mich sieht, brüllt sie „Dannaaaaa!!“ und nimmt mich an ihre winzige Hand und geht mit mir nach Hause.

Strand in Greifswald-Eldena
Strand in Greifswald-Eldena

Drei Freunde haben mir noch nie gereicht, also habe ich auf Empfehlung eine App runtergeladen, die funktioniert wie eine Dating-App, aber fürs Freundefinden gedacht ist. Ich habe mir ein Profil angelegt und erst wurde mir gar niemand in meiner Umgebung angezeigt. Aber in Greifswald muss man bei so ziemlich allem ein bisschen Geduld mitbringen, und inzwischen habe ich ein Grüppchen netter Mädels, die immer sehr spontan für Eis oder Kaffee zur Verfügung stehen und sich freuen, auch jemand neues in ihrem Leben zu haben.

Dank Corona wurden alle Segeltörns auf dem Firmen-Boot abgesagt, aber seit ein paar Wochen ist es wieder im Wasser und bald darf ich dann mal mit zum Schnupper-Segeln, wo ich hoffentlich endlich rausfinde, ob das was für mich ist, und vielleicht trifft man dabei ja auch ein paar neue Kollegen. Leute, die mir das Segeln beibringen können, sind ja wohl keine schlechte Idee hier am Meer…

 

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Michael aus Fulda (Samstag, 29 August 2020 19:17)

    Hallo Tanja,
    was für eine Überraschung, nach so vielen Wochen wieder etwas von Dir zu hören.
    Wir haben Dich in der vergangenen Zeit nicht vergessen und immer mal wieder an Dich gedacht und uns gefragt, wie es Dir wohl in dem neuen Wohnort gehen möge. Nun freuen wir uns, dass Du voller Tatendrang die Wohnung mit Balkon schön eingerichtet hast und Kontakte knüpfen konntest.
    Etwas neidisch lese ich, dass Du über ebay viele überflüssige Sachen verkaufen kannst. Ich würde das auch gern machen, aber leider beherrsche ich in meinem Alter die Technik nicht.
    Weiterhin alles Gute,
    Rita und Michael

  • #2

    Sonja (Sonntag, 30 August 2020 10:15)

    Superschön ist es da oben bei dir. Freue mich auf die erste Reise!

  • #3

    Flo (Sonntag, 30 August 2020 12:03)

    Sehr schön, mal wieder was von dir im Blog zu lesen! Freut mich, dass du es dir da oben schon so gemütlich gemacht hast. Bin gespannt auf die folgenden Blogs.