Von Qroqq nach Bombi

Mein allererster Ausflug in Valletta war ein Spaziergang zum großen Busbahnhof vor dem modernen Stadttor. Weil die Straßen in der Altstadt so eng und steil und stufig sind, fahren hier keine öffentlichen Busse. Ganz ehrlich ist das aber auch nicht nötig, denn alles geht schnell zu Fuß zu erreichen und um die Altstadt rum fährt zur Not ein Hop-on-Hop-off-Bus.

wenn so geparkt wird...dann nehm ich gern den Bus
wenn so geparkt wird...dann nehm ich gern den Bus

Alles außerhalb Vallettas Altstadt scheint erstaunlich gut an den öffentlichen Nahverkehr angebunden zu sein. In Spanien und anderen Mittelmeerländern war ich bisher irgendwie nie so richtig überzeugt von den Bussen, deswegen hatte ich nicht damit gerechnet, dass es in Malta anders sein sollte. Aber es gibt in der Tat richtige Fahrpläne, die auch weitestgehend eingehalten werden – jedenfalls fahren die Busse pünktlich an der Stadtstation los. Für Malta scheinen alle Busse am „Valletta Terminal“ loszugehen. An über 30 Bus-Buchten starten und enden alle Busrouten, die alle As mit allen Bs auf Malta verbinden. Die Busse sind super modern – das war ein bisschen schade, denn auf Bildern und Postkarten sieht man ganz oft so nette knubbelige bunte Klapperkisten, die wohl früher hier als Busse gefahren sind. Aber Malta wird umweltfreundlicher und so gibt es heute topmoderne Busse, solarbetriebene Anzeigetafeln am Bus-Terminal und kontaktloses Bezahlen im Bus. Soweit sind die Busse in Greifswald noch nicht, dass man nur mit elektronischem Ticket einsteigen darf. In den Malteser Bussen tippt man einfach seine Kreditkarte ans Lesegerät oder kauft sich vorher eine Plastikkarte, mit der man für 21 Euro unendlich viele Fahrten innerhalb von sieben Tagen machen kann. Wer nicht mit Karte zahlen will, muss passend in bar zahlen oder damit rechnen, kein Rückgeld zu kriegen. Wenn der Busfahrer nett ist und gerade vorher Bargeld bekommen hat, kann man Glück haben und auf seine 2 Euro noch 50 Cent für eine einfache Fahrt rauskriegen. Wenn der Busfahrer es nicht einsieht und du nur einen 10-Euro-Schein hast…dann zahlst du halt 10 Euro für deine einfache Kurzstrecke und hast Pech.

Riesiges Busterminal in Valletta
Riesiges Busterminal in Valletta

Eine passende App gibt es auch, damit das Busfahren einfacher wird. Mit GPS zeigt sie einem an, wo die nächste Bushaltestelle ist und wann dort der nächste Bus in welche Richtung fährt. Wenn man direkt nach einer Verbindung sucht, zeigt er an, wie weit entfernt der Bus noch ist. Alles in allem hat das richtig gut geklappt, auch wenn ich zwischendurch öfters mal eine halbe Stunde irgendwo an der Straße in der Sonne sitzen musste weil der Bus doch nicht wie gedacht kam. Weil aber alle Orte eine Busanbindung haben, weiß man wenigstens, dass man nach dem Wandern nicht komplett stranden wird.
Auch sehr schön und extrem auffällig fand ich, dass es überall kostenlose öffentliche Toiletten gibt. Sie sind nicht nur kostenlos, sie sind auch noch sauber, es gibt immer Klopapier und Seife und die Waschbecken funktionieren. Wie sie das hinbekommen, weiß ich nicht, aber es war schon sehr angenehm zu wissen, dass in der Nähe der Haupt-Bushaltestelle in jedem einzelnen Ort, in dem ich war, irgendwo ein öffentliches Klo war. Und ausgeschildert ist es auch immer, sodass man auch sicher sein kann, dass man es findet.

nächtliche Beleuchtung am Stadttor
nächtliche Beleuchtung am Stadttor

Wenn man mit den öffentlichen Bussen über Malta zuckelt, sieht man ganz tolle Örtchen, die man andernfalls übersehen hätte. Die Busrouten scheinen nicht unbedingt nach Schnelligkeit angelegt worden zu sein, sondern so, dass möglichst viele Orte möglichst regelmäßig angefahren werden können. So kann eine Strecke von zehn Kilometern auch mal anderthalb Stunden dauern. Manche Orte liegen am Ende einer Busroute und offenbar ist die Anbindung (oder der Einsatz der modernen größeren Busse) eine eher neue Erfindung. So muss der arme Busfahrer am Ende der Route auf einen kleinen Platz wenden, der definitiv nicht als Wendeplatz eines Busses geplant worden war. Diese Busfahrer hab ich echt nicht beneidet um ihren Job, das war schon beeindruckend, wie die ihre Ungetüme durch die schmalen Gassen manövriert haben. In elf Tagen habe ich erstaunlicherweis nur einmal in einem Bus gesessen, der sich einen Seitenspiegel abgefahren hat, weil das Haus ein bisschen zu nah am Straßenrand stand.

Aussicht auf Fischerdorf Masaxlokk
Aussicht auf Fischerdorf Masaxlokk

Von Valletta aus kommt man mit dem Bus wirklich überall gut hin. Um nach dem ersten Tag mit Regen, Gewitter und Sturm die Sonne an Tag Zwei wieder zu begrüßen, fuhr ihr raus dahin, wo ich 2018 schon einmal war: in den Fischerort Marsaxlokk in der gleichnamigen hübschen Bucht an der Südostküste. Gleich morgens ist hier Markt, wo erstaunlich wenig Fisch angeboten wird, vermutlich weil Tourismus inzwischen eben doch die Hauptwirtschaft ist. Von der Bucht kann man die angrenzenden Klippen hochwandern und kommt nicht allzu weit entfernt zum St Peter’s Pool, einer kleinen Bucht mit einem ganz bezaubernden natürlichen Wasserloch, dass über Jahrtausende hinweg vom Meer in den Fels gegraben wurde. Wenn der Wind gut steht und die Brandung genug Bums mitbringt, donnert das Wasser hier an den Fels und zischt oben draus wieder hervor. Einen Strand gibt es nicht, sodass man vor allem morgens ziemlich alleine ist.

(noch) höchstes Gebäude von ganz Malta in St Julian's
(noch) höchstes Gebäude von ganz Malta in St Julian's

Mit dem Bus zurück und direkt an Vallettas Altstadt vorbei kommt man nach St Julian’s, was offiziell noch zu Valletta gehört, aber eher wie ein eigener Ort wirkt. Hier tummeln sich die Studenten und Partysüchtigen, hier findet man auch die meisten Sprachschulen und Jugendherbergen. Außer dem Yachthafen, der auch in Dubai sein könnte, hat mich St Julian’s nicht umgehauen, aber es war ein netter Ausgangspunkt um kilomeeeeterweit an der Küste entlang zurück zur Altstadt zu schlappen. Im nächsten Stadtteil Sliema liegt die Straße ein paar Meter oberhalb des Wassers, und wo früher mal natürliche Salzpfannen waren, kann man heute ganz hervorragend am Wasser lang schlappen. Der Begriff „Steinstrand“ bekommt hier eine ganz neue Bedeutung, denn es ist eigentlich nur ein einziges Kalksteinplateau, das sich die gesamte Küste entlang zieht, auf dem man aber definitiv ohne Sand in der Bikinihose liegt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts hin wurden einige der ehemaligen Salzpfannen tiefer ausgehöhlt, mit hölzernen Hütten, Steinstufen und einem Sonnendach versehen und als private Pools für die viktorianischen Damen vermietet.

Steinstrand in Sliema mit "Il-Banjijiet ta' Mananni"-Bädern aus viktorianischer Zeit
Steinstrand in Sliema mit "Il-Banjijiet ta' Mananni"-Bädern aus viktorianischer Zeit

Über Sliema kommt man an der Küste entlang wieder komplett zurück in die Altstadt von Valletta. Die andere Seite, also Richtung Osten, habe ich am Tag vorher schon erkundet, wo das Wetter irgendwie nicht ganz so sommerlich war wie erhofft mit meterhohen Wellen sogar im Hafen, richtig üblem Sturm, strömendem Regen und Gewitter. Also ging es lieber mit dem Bus in die sogenannten „Three Cities“, statt wie geplant zu laufen. Diese drei Städte sind eigentlich nur Stadtteile, waren aber ganz früher mal eigene Orte. Sie liegen auf der anderen Seite des „Grand Harbour“, also genau gegenüber von Vallettas Stadtmauer. Dort ragen sie wie drei Finger ins Wasser. Die älteste der drei Städte ist Vittoriosa, wo es entsprechend auch die schönsten kleinen Gassen gibt, denn sie hat sich seit vor dem Mittelalter nicht sehr verändert. Die anderen beiden, Senglea und Cospicua, schließen sich an, haben aber nicht wirklich was zu bieten.

begrünte Fassade
begrünte Fassade

Was mit in Vallettas Altstadt schon aufgefallen war, ist in Vittoriosa noch extremer zu sehen: die Bewohner begrünen ihre Straßen selbst. Weil alles schon seit Jahrhunderten befestigt ist, gibt es keine wirklichen Möglichkeiten, einfach irgendwo einen Baum zu pflanzen. Wenn man unsere Straßen anschaut, wo entlang der Bordsteinkante manchmal Bäume stehen, dann sucht man sowas üblicherweise in Malta vergeblich, vermutlich würden die Wurzeln den sehr porösen Kaltstein auch sehr schnell kaputt machen. Damit die Straßen aber trotzdem grün sind, stellen die Bewohner einfach ihre Fassaden und Türschwellen voll mit Blumentöpfen. An einer Straße in Vittoriosa hängt sogar eine Plakette, von der Stadt verliehen, die sagt, dass diese Straße für ihre Anstrengungen geehrt wurde, die Stadt zu begrünen. Wer diese teilweise wirklich gigantischen Blumenpötte da über die Stufen in die steilen Gassen bringt, weiß ich nicht, aber schön aussehen tut es allemal.

wer bringt bitte diese riesigen Töpfe in die Straßen?
wer bringt bitte diese riesigen Töpfe in die Straßen?

Weil das Wetter so gar nicht schöner werden wollte, besuchte ich ein Museum namens „The Malta Experience“, was auf Plakaten immer als DIE Attraktion in Malta beworben wird. Das Highlight meiner Reise war es jetzt nicht, aber man bekommt in einem 45-minütigen Panoramafilm die Geschichte Maltas erklärt und da gibt es ja wirklich viel in der Geschichte Maltas. Irgendwann waren die Araber da, dann die Phönizier, dann die Römer, dann die Briten, alle haben irgendwie ihren Fußabdruck hinterlassen und das macht die maltesische Kultur heute zu so etwas einzigartigem. Die Sprache ist auch heute noch eine Art Mischmasch von mehreren anderen, aber dazu später mehr.
Nach dem Film gibt es eine kleine Tour durch die angrenzende „Royal Infirmary“, also das königliche Krankenhaus. Ob es wirklich mal königlich war, hab ich mir nicht gemerkt, ganz ursprünglich war es ein Hospital der Ritter des Malteserordens, die dort jeden Menschen gleich behandelt haben. Ein sehr moderner Ansatz und einzigartig zu der Zeit, denn Alter, Herkunft, Rasse, Beruf, Einkommen, gesellschaftliche Stellung, Aussehen, Behinderung spielte alles keine Rolle – natürlich nur, solange du keine Frau warst. Frauen wurden natürlich nicht behandelt. Naja, man konnte eben nicht alles haben im Mittelalter.

Bankett im alten Krankenhaus
Bankett im alten Krankenhaus

Heute ist das Hospital das nationale Konferenzzentrum und war teilweise schon eingedeckt für einen Empfang am Abend, das sah hübsch aus. Der Großteil der Kranken wurde in einer riesigen Halle untergebracht, die war 150 Meter lang und ist noch heute der größte überdachte Raum auf Malta. Im Erdgeschoss waren die Reichen untergebracht, die sehr viel dafür zahlten, vom Ritterorden behandelt zu werden. Unten drunter im Keller die Armen, die sich die Behandlung nicht leisten konnten und somit auch nichts zahlen mussten. Sie durften nicht über den Haupteingang ins Hospital kommen, sondern über einen Seiteneingang, damit niemand von den Reichen sehen konnte, dass er die gleiche Behandlung bekommt wie ein Bettler. Die Führerin sagte, dass die Armen es eigentlich sogar schöner hatten. Sie waren zwar mit etwas mehr Leuten in dem Saal untergebracht (nämlich fünf pro zwei Meter breites Bett) und bekamen kein Tageslicht, aber es waren Belüftungslöcher unter der Decke eingelassen, die raus führten in einen Innenhof voll Orangenbäume, die alles schön duftend machten. Und immerhin gab es ein eigenes Klo pro Bett, so richtig mit Abfluss, ähnlich der heutigen Toiletten, sodass es nicht stank und eklig wurde. Der Innenhof ist heute überdacht und zum Theatersaal umfunktioniert. Die Belüftungslöcher sieht man aber teilweise immer noch. Die Reichen waren oben drüber, hatten zwar Fenster für Tageslicht, aber rochen deswegen vor allem die Gerüche der Straße, die im 16. Jahrhundert einfach nicht so schön waren.

sehr viel gemütlicher als früher im Krankenhaus: meine Altstadt-Unterkunft
sehr viel gemütlicher als früher im Krankenhaus: meine Altstadt-Unterkunft

Im Hospital behandelten Malteser-Ritter, die ausgebildet waren als Krankenpfleger und Ärzte. Für damals war das alles sehr fortschrittlich und die Überlebensrate nach einer Behandlung betrug immerhin 20%, was immer noch mehr Chancen zu überleben darstellte, als zu Hause auf dem Land mit Kräutern und Hausmitteln gepflegt zu werden. Operationen mussten möglichst schnell gemacht werden, also waren die besten Ärzte diejenigen, die besonders schnell behandeln konnten. Es gibt alte Aufzeichnungen, nach denen eine Nierenstein-Entfernung im Schnitt zwei Minuten dauerte und eine Amputation mit der Guillotine in 30 Sekunden erledigt war. Aber letzteres würde wohl sogar ich so schnell hinbekommen…

alte Salzpfannen entlang der Küste von Marsaxlokk
alte Salzpfannen entlang der Küste von Marsaxlokk

Aber zurück zum Busfahren. Auch auf Gozo gibt es öffentliche Busse. Etwas blöd ist, dass Maltas Nachbarinsel keine Küstenstraßen hat (andererseits macht sie das dann auch wieder ganz hervorragend geeignet für ausgiebige Wanderungen entlang der Klippen), sodass alle Buslinien vom Hauptort Victoria im Zentrum der Insel in die Küstenorte fahren. Von einem Küstenort in den nächsten muss man mit dem Auto oder Bus dann eben leider zurück über Victoria und so können auch hier zehn Kilometer mal anderthalb Stunden dauern. Aber generell hat mich das lange Busfahren eigentlich überhaupt nicht gestört, vor allem wegen der interessanten Bushaltestellen-Namen. Zum Beispiel gibt es richtig viele mit einfachen Vornamen – so war ich an den Haltestellen Anton, Ursula, Barbra, Mary, Enrico, Elizabetta, Vincenzo, Leonardu, Olivier, Carlo, Ludovico, David, Alfredo. Dann haben manche einfach ein Wort als Namen, der bestimmt irgendwas bedeutet, aber als Deutscher ist es doch witzig, in Papa oder in Pelikan oder in Strickland auszusteigen. Haltestellen mit Ortsnamen gibt es auch, nur ist der eigentlich Ort eben nicht auf Malta, zum Beispiel Mile-End oder Bologna. Die witzigsten Haltestellen waren aber immer noch Bombi und Qroqq – wie man letzteres genau ausspricht, habe ich bis zuletzt nicht herausfinden können, denn die Sprache ist irgendwie komisch. Aber dazu gibt es nächstes Mal ein bisschen mehr.

 

Und auf Wunsch hier noch ein kleiner Nachtrag zum letzten Bericht: die St John's Co-Cathedral in Valletta wird so bezeichnet, weil sie nicht der einzige Bischofssitz ist. Der Bischof hat auf Malta die Auswahl zwischen zwei Kathedralen, die im Erzbistum gleichwertig sind: die Kathedrale in Valletta und die in der alten Hauptstadt Mdina. Weil Mdina die alte Hauptstadt und daher die erste Kathedrale war, heißt die Kathedrale dort St Paul's Cathedral - obwohl sie sogar jünger ist als die Co-Cathedral. Aber es geht eben drum, wann die Kirche entsprechend geweiht wurde.

 

 

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Michael aus Fulda (Sonntag, 14 November 2021 11:45)

    Ich habe einmal in einer Fernsehsendung gehört, dass Blumentöpfe eine Erfindung von Nomaden sind. Ist das nicht eine romantische Vorstellung, dass Nomadenfrauen, die überall und nirgendwo zu Hause sind, eine Pflanze in einen Topf pflanzen, auf ihren Wanderungen mitnehmen, ihren kleinen persönlichen Garten hegen und pflegen und somit stets ein kleines Stück Heimat haben?
    https://www.ae-trade-online.de/catalog/Geschichte-der-Blumentoepfe:_:20.html

  • #2

    Joachim (Montag, 15 November 2021 09:28)

    Liebe Tanja,

    dank dir für die Information zur Co-Cathedral. Wieder was gelernt.

    Gruß und Dank,
    Joachim