Arabilienisch

Malta ist irgendwie eine seltsame und wunderbare Mischung aus Mediterran und Orientalisch. Das sieht man in der Architektur und im öffentlichen Leben, aber das hört man vor allem im Maltesischen. Wirklich identifizieren konnte ich die geschriebene Sprache nicht, aber wenn man sie gesprochen hört, klingt sie für uns ein-bisschen-in-Arabisch-Gelehrte ziemlich arabisch. Dann hört man aber die Ansagen im Bus, die immer von „Destinazzioni“, „Direzzjoni“ und „Distanza“ sprechen, und ist gleich wieder verwirrt.

St Peter's Pool bei Marsaxlokk
St Peter's Pool bei Marsaxlokk

Mit das erste, was ich umme Ecke von meiner Unterkunft in Valletta entdeckte, war eine „Pastizzerija“, da dachte ich erstmal an Italien und ob es hier tatsächlich ein Gemeinschaftswort für ein Pizza-und-Pasta-Restaurant geben sollte. Aber nein, Pastizzi sind kleine rautenförmigen Pasteten mit Blätterteig, der einem in der Hand zerfallen würde, wäre er nicht mit so viel Fett zusammen gehalten. Pastizzi gibt es gefühlt an jeder Straßenecke und üblicherweise sind sie herzhaft gefüllt mit Ricotta-Käse oder einer Erbsenmasse. Manchmal gibt es sie aber auch mit Schokolade, dann ersetzen sie schön das morgendliche Schokocroissant. Weil die Malteser ihre Pastizzi lieben und sie überall verkauft werden und besonders frisch aus dem Ofen ganz hervorragend sind, ist die Redensart „weggehen wir warme Semmeln“ im Maltesischen „weggehen wie frische Pastizzi“. Absolut verständlich, denn sie sind wirklich lecker, auch wenn die fettigen Finger danach echt nervig sind – wobei mir der Gedanke kommt, dass sie eigentlich deswegen so viele öffentliche Toiletten haben, weil man dauernd Hände waschen muss…

Bauernhäuser und Felder unterhalb der Dingli Cliffs
Bauernhäuser und Felder unterhalb der Dingli Cliffs

Pizza wird übrigens auch sehr gern gegessen und fast jedes Restaurant scheint eine Pasta-Karte zu haben. Die Italiener haben also eindeutig Eindruck hinterlassen. Mich freuts, denn die sonstigen typisch maltesischen Hauptspeisen haben mich nicht so angemacht – ich stehe einfach nicht so auf Hasen- oder Pferdefleisch. Die Hasen scheinen einheimisch zu sein, denn wenn man zu Fuß zwischen den Dörfern und Feldern unterwegs ist, hört man öfters mal Gewehrschüsse. Ich habe ein paar Einheimische gefragt und alle zuckten nur die Schultern und murmelten etwas von „Vögel“. Weitere Recherche hat ergeben, dass es Wachteln sind, die man während einer gewissen Zeit des Jahres auf dem eigenen Gelände schießen darf. Aber die Hasen fürs Essen müssen ja auch irgendwo her kommen, also nehme ich an, dass die auch zum Abschuss freigegeben sind .Auf den Feldern (die mysteriöserweise alle nicht bestellt waren und teilweise sogar so aussahen, als könnten sie gar nicht sinnvoll bestellt werden) stehen kleine Hütten, teilweise nur als Bretterverschlag, teilweise aber auch offensichtlich selbst gebaut aus Kalksteinbrocken. Bei manchen stand die Tür offen und drinnen war nichts außer einem superschicken gepolsterten Drehstuhl auf einem kleinen Podest, damit die Lücke zwischen Dach und Wand genau auf Augenhöhe ist zum Durchschießen.

am Fort St Elmo wurden unterirdische Vorräte angelegt, heute sieht man noch die "Deckel"
am Fort St Elmo wurden unterirdische Vorräte angelegt, heute sieht man noch die "Deckel"

Dass alle in Malta Englisch sprechen, macht einen Urlaub extrem angenehm. Man kommt wirklich gut zurecht und weiß, dass alle einen verstehen. Deutsche gab es noch, aber weil die Sommerferien auch im Süden schon um waren, hielten sie sich in Grenzen. Englisch spricht man übrigens in Malta seit der Kolonialisierung durch die britische Krone in 1813. Entsprechend gab es schon mal eine maltesische Flagge, die ein bisschen an die australische oder neuseeländische oder cookinsulanische Flagge erinnert mit dem Kolonialwappen in klein rechts und dem Union Jack in der linken oberen Ecke. Die Briten kamen nicht als Feinde nach Malta, sondern um den Maltesern zu Hilfe zu kommen. Nach der über 350 Jahre langen Geschichte der Malteserritter wurde Malta Ende des 18. Jahrhunderts von Napoleon und seinen Truppen belagert. Die Einheimischen baten das britische Königshaus um Hilfe und sie kamen, befreiten Malta von den Franzosen und setzten Malta unter britischen Schutz, woraus dann später die Kronkolonie wurde. Wie schön, sonst würde man heute Französisch reden und dann wäre Malta schon gleich nicht mehr so attraktiv für mich. So aber brachten die Briten ihren Fußabdruck nach Malta, vor allem in Form ihrer Sprache, aber zum Beispiel auch mit vielen Gesetzen. Heute sieht man zum Beispiel noch die typisch britischen blauen Laternen über dem Eingang der Polizeistationen auf den Dörfern hängen, die roten Briefkästen an den Straßenecken und ja, sogar die eine oder andere rote Telefonzelle.

St Peter's Pool
St Peter's Pool

Die Italiener bzw. Römer waren schon 700 Jahre vor den Briten da – vor allem wegen der geographischen Lage, denn Malta liegt nicht weit von Sizilien weg (heute ca. zwei Stunden per Fähre) und war deshalb schon Teil des Normannischen Königreiches dort und später unter Einfluss von Rom. Um die ganze Geschichte mal gehört zu haben, war ich im „Malta Experience“, das ist schon erwähnt hatte. Aber da sind so viele Zahlen und Menschen und Nationalitäten und generell war ja Geschichte noch nie mein Lieblingsfach, dass ich mir nicht alles im Detail gemerkt habe. Weil die erste Universität in Malta eine italienische war, sprachen die Gebildeten alle Italienisch und so hatte eben auch diese Sprache ihre Ausbreitung hier. Bis 1934 war Italienisch sogar eine der Nationalsprachen in Malta. Heute sieht man daher noch öfters in dem völligen Kauderwelsch der maltesischen Schrift eindeutig Wörter, die dem Italienischen entliehen wurden, wie allura (wie italienisch allora = „also“) oder okkażjoni (Anlass) oder patata (Kartoffel) oder tradizzjoni (Tradition) oder uffiċjali (offiziell).

Kaktusfeigen-Plantage - daraus machen sie einen ganz tollen Lilkör
Kaktusfeigen-Plantage - daraus machen sie einen ganz tollen Lilkör

Es heißt, weil Malta so mitten Mittelmeer liegt, kamen alle Seefahrer irgendwann wohl oder übel mal vorbei – und so wurde die Insel eben von allen irgendwann mal besiedelt. Man geht von einer Erstbesiedelung vor etwa 8000 Jahren aus und danach kamen alle irgendwann. Die Phönizier und Karthager wohl als erstes richtiges „Volk“ und danach die Römer, die Griechen, die Normannen, die Araber, die Aragonier, die Johanniter-Ritter, … Kein Wunder, dass Kultur und Sprache so durcheinander sind, denn natürlich brachten die alle auch ihre eigenen Religionen mit, heute ist ein Großteil aber christlich.
Die ersten Siedler waren Steinzeitler, die vermutlich von Sizilien kamen, das scheinen ähnliche archäologische Funde zu beweisen. Sie waren auch diejenigen, die Malta gleich landwirtschaftlich nutzbar gemacht haben und wunderschöne megalithische Tempel gebaut haben – aber dazu beim nächsten Mal mehr. Man kann heute nicht eindeutig nachvollziehen, wieso die ersten Siedler die Insel verließen, aber es wird um 2.500 v.Chr. gewesen sein. Auf jeden Fall hinterließen sie eine Menge spannender Dinge, die es sich noch heute zu entdecken lohnt. Dann lag Malta mehrere Jahrhunderte ohne Siedler im Mittelmeer rum, bevor die Hochkulturen von den Küsten alle kamen, um sich jahrtausendelang um die Insel zu kloppen.

Luzzu im Hafen von Marsaxkoll
Luzzu im Hafen von Marsaxkoll

Die Phönizier waren die ersten, die Malta für sich entdeckten, das war ca. 1.000 v.Chr. Heute sieht man ihre Spuren noch hauptsächlich in den Augen auf den typischen Fischerbooten namens Luzzu. Sie symbolisieren das Auge des Osiris oder des Horus und sollen die Fischer auf See beschützen. Farben und Design sind wohl auch aus der phönizischen Zeit übrig geblieben, aber die meisten Bootsnamen haben etwas mit christlichen Heiligen zu tun: im Hafen von Marsaxlokk lagen am Marktsonntag mindestens sieben namens „Santa Marija“.
Die Phönizier waren auch diejenigen, die eine erste Hauptstadt gründeten, ziemlich im Zentrum der Insel auf einem natürlichen erhöhten Plateau. Sie heißt heute Mdina und durfte auf meiner Reise-Checkliste natürlich nicht fehlen, auch hierzu etwas später mehr.

Da kommt das Baumaterial her
Da kommt das Baumaterial her

Die Araber, die so viel ihrer Sprache mitbrachten, kamen etwa 2.000 Jahre später. Weil sie von Sizilien kamen, wo sich schon das Sizilianische Arabisch etabliert hatte, wurde die Sprache mitgenommen, war also damals schon kein reines Arabisch mehr. Mein Tauchlehrer sagte, wenn man Arabisch fließend spricht, versteht man Maltesisch zu 75%. Ich spreche Arabisch zwar nicht fließend, aber die Ansage in der Dubai-Metro kenne ich und sieh hört sich verräterisch ähnlich an wie die in den Malta-Bussen, denn wo arabisch für Tür öffnen „fahtah al-baab“ ist, klingt maltesisch „iftah il-bieb“ doch sehr bekannt.
Die Aussprache mancher Silben klingt auch sehr arabisch, zum Beispiel wenn ein w (sprich uo) im Wort ist oder das Wort in „-ija“ endet. Sobald ein Q am Anfang des Wortes steht, bleibt es stumm, was ein bisschen wie der glottal stop im Arabischen klingt (hab recherchiert: auf Deutsch ist das ein stimmloser glottaler Plosiv…könnte man mal bei „Wer weiß denn sowas“ einschicken…). Da frage ich mich aber doch, wie zur Hölle man die Bushaltestelle Qroqq ausspricht?

Aussicht von der Cittadella in Victoria (Gozo)
Aussicht von der Cittadella in Victoria (Gozo)

Dann gibt es aber wiederum auch ganz seltsame Buchstaben, die ich noch nie gesehen habe. Zum Beispiel im Tempel Ħaġar Qim, was klingt wie Hadschar ‘Ihm, mit einem ganz weichen dsch wie in Dschungel – sieht man auch im Namen Ġorġ (gesprochen wie der englische George). Das H mit Strich durch ist laut Wikipedia ein „pharyngaler Frikativ“…Sachen gibt’s. Und wo wir schonmal dabei sind und ihr ja auch was lernen sollt: in der Physik ist der gleiche Buchstabe das reduzierte plancksche Wirkungsquantum. Wisst ihr Bescheid.
Ein doppeltes C im Maltesischen scheint ein hartes Tsch wie im Italienischen zu sein, ein Ċ ist aber auch wie ein Tsch. Das J ist wie unser deutsches, das X aber eher wie im Mexikanischen ein Sch, zum Beispiel im Hafenort Marsaxlokk (sprich Marßaschlock). Alles sehr verwirrend.
Da freut man sich jedes Mal, wenn jemand einen mit „Bondscho“ begrüßt oder sich mit „Grazi“ bedankt – klingt dann gleich irgendwie bekannter.

 

Die Malteser lieben ihre Nation auch aufgrund dieser „bunten“ Geschichte und Sprache und Kultur. Irgendwo habe ich gelesen, dass Malta ja im Zentrum des Mittelmeeres ist, das Mittelmeer ist im Zentrum der Welt, die Welt ist der wichtigste Planet unseres Universums – ergo: Malta ist das Zentrum des Universums. Klingt logisch.

 

 

 


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