Nach dem extrem langen und trist-trüb-grauen Winter im Norden musste ich dringend den Vitamin-D-Speicher auffüllen, schließlich ist Malta ja auch schon wieder fast ein halbes Jahr her. Also schnappte ich mir meine Studienkollegin Melanie und wir flogen nach Dubai – für sie zum ersten, für mich zum vierten Mal.
Normalerweise nutze ich meinen Urlaub ja eher ungern für Ziele, die ich schon kenne, aber Dubai musste irgendwie schon sein. Als Eventmanager hat man ein großes Interesse an Messen und dabei kommt es meist nicht mal drauf an, was ausgestellt wird. Wenn die Messe dann auch noch international ist, steigt mein Interesse daran gleich noch mehr. Dann noch eine Prise Tourismus und Reisen draufgestreut und schwupps ist es der perfekte Grund, extra für eine Messe irgendwohin zu fliegen.
Und Dubai hat es bis Ende März noch alles: es ist Expo und 191 Länder der Welt präsentieren sich auf einem gigantischen Flecken Wüste. Über vier Quadratkilometer sind bebaut worden und sogar eine neue Metro-Linie wurde errichtet. So hat sich natürlich auch der gesamte Bereich zwischen dem Stadtzentrum Dubais bis zum Expo-Gelände weiter entwickelt und wo früher nur Wüste war, entstehen jetzt riesige neue Wohngebiete und zum Beispiel auch ein gigantisches Viertel namens „Dubai Golf Estates“, wo man laut deren Website leben kann „wie in Italien“ mit Blick auf Golfplätze und Seen und Parks. Wieso man dann nicht einfach in Italien lebt wenn man in Italien leben will, weiß ich allerdings nicht.
Anscheinend ist es etwas besonderes bei der diesjährigen Expo, dass jedes Land seinen eigenen Pavillon selbst betreibt, das sagt jedenfalls der Veranstalter. Wie das früher war, weiß ich nicht, meine letzte Expo ist 20 Jahre her und da gab es spannenderes als die Hintergründe. Ich erinnere mich an das witzige Maskottchen der Expo 2000 in Hannover und an einen Pavillon (war es Schweden?), wo man mit „neuester Technologie“ in eine Kamera sprechen konnte und dann ist man ein paar Minuten später auf einem in einem Baum hängenden Ei erschienen und hat von dort gesagt „Ich bin Tanja und 9 Jahre alt“. Das war richtig faszinierend – heute wird drüber gelacht, was damals so wegweisend war. Die Expo 2020 zeigt die heute neuesten Technologien, zum Beispiel indem der Pavillon von Großbritannien auf seiner Außenfront durch künstliche Intelligenz Gedichte schreiben lässt aus Wörtern, die im Inneren des Pavillons von Gästen „gespendet“ werden.
Die Expo hat eine coole Geschichte, wenn man sich mal damit beschäftigt. Zum Beispiel wurde 1939 das erste Mal ein Live-Bericht im Fernsehen von der Expo New York gesendet. Wusstet ihr zum Beispiel, dass der erste mechanische Computer schon 1862 in London ausgestellt wurde? Oder dass Heinz-Ketchup 1876 das erste Mal auf der Expo Philadelphia vorgestellt wurde, zeitgleich mit dem weltweit ersten Telefon? Und das allererste Riesenrad der Welt war Teil der Weltausstellung 1893 in Chicago, war total beliebt, aber danach blieb der Erfolg aus, sodass sein Erfinder George Ferris drei Jahre später in Armut starb. Wenn er wüsste, wie viele Riesenräder es heute auf der Welt gibt!
Nur ein paar Jahre früher war zur Expo in Paris der Eiffelturm aufgestellt worden, der sogar nach Ende der Ausstellung wieder weg sollte, weil alle ihn so hässlich fanden.
Die Emiratis streben ja immer nach Rekorden in Dubai, deswegen musste natürlich auch bei dieser Expo etwas besonderes entstehen und so bauten sie am Haupteingang der Expo die größte freistehende Kuppel der Welt, die mit 130 Metern Durchmesser und 67 Metern Höhe schon ordentlich ist. Mehr als zweieinhalbtausend LED-Lampen beleuchten die Kuppel nachts ganz wunderbar, natürlich gibt es auch eine Lasershow und alles, wie sich das gehört für Dubai. Da vergisst man fast die 25 Kilometer Stromkabel, die verbaut wurden, um dieses Wahrzeichen der Expo 2020 in Szene zu setzen, die übrigens unter dem Thema „Nachhaltigkeit und Mobilität“ stattfindet. Aber anscheinend wurde immerhin soweit möglich wasser- und energiesparend gebaut. Und schließlich muss man ja auch mit irgendwas angeben können, wenn man schon die erste Expo der Geschichte im afrikanisch-arabischen Raum austragen darf.
Es gibt ein ganzheitliches Konzept, was nach dem Ende der Expo mit dem Gelände passiert. Einige Pavillons werden wieder abgebaut, andere bleiben stehen und sollen zu Wohnraum für 30.000 Leute umgebaut werden und ein neues Business-Zentrum mit Büros und Firmen soll hier entstehen.
Wie sich die Länder selbst präsentieren, ist natürlich auch sehr spannend. Kleinere Staaten bekommen einen Teil von kleinen quadratischen Ausstellungshallen zwischen den Haupt-Straßen auf dem Gelände. Sie konnten vorab auswählen, in welchem der drei Bereiche sie angesiedelt sein möchten, es gibt „Nachhaltigkeit“, „Mobilität“ und „Chancen“. Während die großen Industriestaaten und andere Länder mit genug Geld also am äußeren Rand ihrer „Straße“ einen eindrucksvollen Pavillon im eigenen Design gebaut haben, präsentieren sich kleine Länder mitten drin und teilen sich ihre Halle meist mit einem anderen Land. Die kleinen Länder sehen zwar von außen nicht so fancy aus, dafür gibt es einen entscheidenden Vorteil gegenüber den großen Pavillons: keine Schlangen!
Der Deutschland-Pavillon gilt expoweit als beliebtestes Land, da egal zu welcher Zeit zwei Stunden Wartezeit sind um rein zu kommen. Anscheinend gibt es drinnen im „Campus Germany“ ein Konzept, das die Besucher wie durch eine Universitäts-Laufbahn leitet, komplett mit Abschlussfeier. Ob der Stand so toll ist oder ob sie einfach falsch mit ihrem Besucherfluss geplant haben, wissen wir nicht, denn zwei Stunden Warten war uns zu viel – vor allem bei 39 Grad, die üblicherweise herrschten.
Die Seychellen, Montenegro, Palau und andere Pazifik-Inseln waren also eine nette Abkühlung und kurzweilige Ablenkung von der Hektik in den großen Ländern. Und außenrum gibt es ja auch genug, zum Beispiel sehr kreative Sitzbänke, Brunnen, abstrakte und weniger abstrakte Kunst und Wasserstellen zum Auffüllen der Wasserflaschen.
Trotzdem waren wir auch in Singapurs vertikalem Regenwald, in Russlands riesiger Kuppel, die erklärte, dass die Welt nur mit Kommunikation und Empathie funktioniert (welch Ironie…), die USA haben uns wie erwartet gezeigt, dass sie das beste Land der Welt sind, in Großbritannien haben wir „Eichhörnchen“ und „Krümel“ für die künstliche Intelligenz gespendet, in Neuseeland an riesigen Indoor-Wasserfällen kurz verschnauft, im Irish Village einen Cider getrunken, in Italien den in Originalgröße 3D-gedruckten David von Michelangelo angeschaut, in Australien Fish’n’Chips bei Livemusik gegessen während bei der Arabischen Liga ein altes Frachtboot über die gesamte Expozeit in alter Handarbeit gebaut wird… Der Ukraine-Stand hat bestimmt auch nette Sachen ausgestellt, aber mittlerweile klebt jede freie Fläche im Innenraum voll mit bunten Klebezetteln, auf denen Besucher Friedensbotschaften hinterlassen und ein Großteil des Pavillons ist schon bunt gepflastert.
Weil wir als Touristiker uns nicht so sehr fürs Technische interessieren, fanden wir besonders die Außenseiten der Pavillons interessant, also sparten wir uns weitestgehend die Wartezeiten und schlenderten nur die großen Straßen entlang zum Gucken. Sobald die Füße protestieren, kann man sich in einen mit Druckluft betriebenen kleinen Zug setzen, der einen von A nach B bringt.
Und auch sonst passiert ja allerhand außerhalb der Pavillons. Die Thailänder sind mit riesigen Trommeln und bunten Tänzerinnen durch die Gegend geschlappt, irgendwer hat drei Damen in meterhohen Röcken Oper-schmetternd übers Gelände geschickt, eine Pianistin spielte auf einem schwebenden Flügel, ein riesiges Marionetten-Pferd trabte über die Hauptstraße und ein beleuchteter Riesenfalke wedelte mit den Flügeln. Helfer und Volunteers gab es natürlich unglaublich viele, die diese Expo am Laufen halten. Aber mich würde ja interessieren, wie viele von denen eigentlich nur rumstehen oder so künstlerische Sachen machen. Zum Beispiel die drei Damen, die abends mit riesigen leuchtenden Schmetterlingsflügeln am Ausgang standen und die Besucher verabschiedet haben. Wie man das wohl in seinen Lebenslauf schreibt?
Eins der Highlights waren aber definitiv die Roboter, denen man ab und zu über den Weg lief. Einer rollte rum und erinnerte die Besucher daran, Abstand zu halten und Maske zu tragen. Ein anderer
verteilte Geländepläne und wenn man ihm im Weg stand sagte er ganz freundlich „Excuse me, passing through!“ Und Opti gab es natürlich auch, er ist das offizielle Expo-Maskottchen, knubbelig und
orange und eigentlich soll er lächeln sobald man ein Selfie mit ihm macht. Bei mir hat das nicht so funktioniert, also gibt es nur ein Foto mit neutralem Gesicht mit ihm. Aber später haben wir
ihn nochmal lächelnd durch die Gegend rollen sehen, natürlich wie sich das für einen Fast-Menschen gehört mit bei jedem Schritt schwingenden Armen (obwohl er keine Beine hat).
Wenn man nicht auf sein Essen warten wollte, konnte man einen der Kioske benutzen, dort seine Bestellung bei einem Fast-Food-Anbieter der Expo aufgeben und bekam dann einen GPS-Sender mit. Dann
konnte man ganz normal weiter die Expo erkunden und ein Liefer-Roboter hat das Essen direkt zu dir geliefert sobald es fertig war, egal wo du dich gerade aufhielst.
Dann musste natürlich auch der Stand von „The Länd“ sein, denn als gebürtiger (bzw. in Melanies Fall Wahl-) Baden-Württemberger mussten wir die Heimat erkunden. Neben den 191 Länder-Pavillons stellen auf der Expo auch andere Leute aus, die unter „Organisationen“ gelistet sind. Hierzu gehört die Kooperation der Golfstaaten, die Afrikanische Union, die Arabische Liga, die UNO, … und Baden-Württemberg! Offenbar zu eingebildet um Teil des Deutschland-Campus zu sein, hat sich das Ländle zu einem eigenen Pavillon entschieden. Nirgends stand, dass BaWü ein Teil von Deutschland ist – ich glaube, als Ausländer wäre ich sehr verwirrt gewesen, was ich da eigentlich grade anschaue. Verteidigt wird das natürlich als „einzige Region, die jemals abseits ihrer Nation auf einer Expo ausgestellt hat“ und sowas. Naja…wer 15 Millionen Euro übrig hat… Den Kronprinz Scheich Hamdan von Dubai haben wir knapp verpasst – er kam ein paar Tage nach unserem Besuch in The Länd vorbei.
In Dubai kann es eben einfach keiner lassen mit dem „größer, höher, toller“ und so wird dauernd weiter gebaut und auch beim vierten Besuch gab es für mich noch neues zu entdecken, sodass sich der
Urlaub auch neben der Expo gelohnt hat. Weil ihr aber hier langsam mal genug über Dubai gelesen haben müsstet, gibt es nur einen Schnelldurchlauf zur Erklärung der Fotos:
Natürlich musste eine Wüstentour sein und bei unserem Fahrer haben wir uns auf den Dünen wie beim Fotoshooting gefühlt – ich bin in der Tat nicht 2 Meter hoch gesprungen, auch wenn es so aussehen
mag. Es stellte sich raus, dass die Dubaier Wüste gar nicht so geeignet ist zum Durchrasen mit Allradtrucks, also mussten wir bis ins Nachbaremirat Sharjah fahren, wo die Dünen höher sind, aber
trotzdem noch weniger hoch und weniger rot als in Abu Dhabi.
Ein neues Gebäude wollte ich gerne sehen, das beim letzten Aufenthalt noch halb im Bau war: der Dubai Frame. 2018 eröffnet ist er eines der neuen Wahrzeichen der Stadt und ist genau das, was man sich darunter vorstellt: ein Bilderrahmen. Aber weil wir in Dubai sind natürlich riesig groß und gold und glänzend und nachts bunt beleuchtet. Von 250 Metern Höhe auf der Aussichtsplattform gibt es auch einen ganz schönen Blick Richtung Downtown mit Burj Khalifa, aber leider war sehr viel Wüstensand in der Luft während unseres Urlaubs, sodass sich die Aussichten leider in Grenzen hielten und nicht mal ein richtiger Sonnenuntergang war drin – stattdessen nur mehrfach ein Sonne-im-Dunst-Verschwinden…dafür aber immer schön orange und mit der Sonne als klar definierter leuchtender Ball. Als Gebäude ist The Frame echt interessant, auch wenn es irgendwie ein bisschen seltsam ist, ein Gebäude zu bauen, nur um die Aussichtsplattform zu haben. Die äußeren Seiten des Rahmens dienen also wirklich nur als Gehäuse für die Aufzüge und Treppen, es gibt keine Büros oder Apartments, sondern wirklich nur die Plattform oben.
Im Dubai Marina haben sie in den letzten Jahren eine ganz tolle breite Fußgänger-Promenade mit Restaurants und Ausflugsbooten gebaut, und in Bur Dubai gibt es jetzt endlich das fertiggestellte Heritage Village mit Restaurants, Märkten und Museen und alles im alten arabischen Stil gebaut, und man sieht tatsächlich vermehrt ausgeschilderte Fahrrad-/Rollerwege. Damit die Radler nicht aus der Übung kommen, wurde zuletzt entlang des Highways durch die Wüste ein super schicker Radweg gezogen, über 80 Kilometer lang, schnurgerade, ohne Schatten, nachts unbeleuchtet. Und ich könnte mir ja fast vorstellen, dass da alle paar Tage einer vorbeigeschickt wird, der den Weg vom Sand befreit. Das war definitiv mal wieder etwas, was mich wirklich überrascht hat, mitten in der Wüste einen Rennradfahrer zu sehen – und überrascht wird man in Dubai inzwischen wirklich nicht mehr oft.
Ganz zufällig war während unseres Urlaubs auch noch die Dubai Boat Show in vollem Gange, das hieß natürlich gleich die volle Dröhnung Messe für mich. Wenn man schon man die Möglichkeit hat, nach über zwei Jahren als Messemanager endlich die zweite Bootsmesse anzuschauen… An Bord durfte ich wie erwartet nirgends gehen – aber ich habe es schwer vor, auf der Messe in Cannes im September endlich unseren türkischen Händler abends so abzufüllen, dass er mir verspricht, mich endlich an Bord einer seiner Superyachten zu lassen. Unsere schicken großen Katamarane kosten mit guter Ausstattung mal zwei Millionen oder so, aber für diese Monster-Teile, die da in Dubai rumstehen, muss man mal eben das fünf- bis zehnfache zahlen, wenn das denn mal reicht. Der Dubaier Yachthafen ist natürlich einer der weltweit wenigen, die Yachten bis 120 Meter Länge beherbergen können. 120 Meter! Das sind 400 Fuß und damit sechs mal so lang wie unsere längste Segelyacht. Segel sieht man in Dubai allerdings nicht, auf der Messe war tatsächlich kein einziges Segelboot ausgestellt. Dafür aber Außenbordmotoren so weit das Auge reicht – die Araber stehen auf ordentlich Peng hinter ihren Bötchen, wenn es schon nicht für eine Superyacht reicht. Das war schon ein kleines Spektakel, dort im Dunkeln kleine Gruppen von Emirati-Männern in traditionell weißer Tracht und Ghutra-Turban Yachtshopping zu betreiben.
Langweilig wird es also wirklich nicht in Dubai. Aber jetzt reicht es dann auch wieder für die nächsten paar Jahre und neue Ziele sind ja schließlich auch noch in der Pipeline.
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Melanie (Montag, 21 März 2022 22:31)
Whoop whoop!
War ein richtig cooler Urlaub, und jetzt bin ich sogar endlich in deinem Blog verewigt :-D