Im Maltadies

Wenn ich schon mal so richtig am Meer bin (nein, ich zähle den Greifswalder Bodden halt irgendwie nicht so richtig als Meer), muss ich auch dahin, wo man das Meer in seiner schönsten Form zu sehen kriegt: mit türkisem Wasser und wenig Wellen und von der Sonne bestrahlt. Also ging es während meines Aufenthaltes auf Maltas Schwesterinsel Gozo für einen halben Tag mit der Fähre nach Comino.

Blaue Lagune auf Comino
Blaue Lagune auf Comino

Jedes Jahr kommen um die 20.000 Besucher nach Comino, die meisten von ihnen sehen nicht allzu viel von der Insel, außer die Blaue Lagune, die entsprechend überlaufen ist. Was war ich froh, dass ich nicht zur Hauptsaison da war. Und was war ich froh, dass ich mit der ersten öffentlichen Fähre rüber kam, sodass ich um kurz nach 9 morgens die traumhafte Kulisse praktisch für mich allein hatte, bevor eine Stunde später die Tagesausflügler auf ihren vorab gebuchten Party-Katamaranen einfielen und die Stille zerstörten. Dann ploppen zeitgleich auch ein Dutzend Fressbuden und Cocktail-Stände am Ufer auf, damit die Neuankömmlinge alle gleich versorgt werden können, natürlich jeder mit brüllend lauter Musik und natürlich jeder mit anderer Musik als der Nachbar. Dazu noch ein paar Boote in der Lagune mit ihrer eigenen Anlage an Bord, sodass der Geräuschpegel später ziemlich fürchterlich war. 

Poolwasser in der Blauen Lagune
Poolwasser in der Blauen Lagune

Aber morgens so alleine mit den fünf anderen von meiner Fähre war das Paradies eigentlich perfekt. Das Wasser in der blauen Lagune ist der Wahnsinn, denn der Boden ist nicht sehr tief und komplett sandig, sodass man das Gefühl hat, in einem Pool unterwegs zu sein, wenn man zur vorgelagerten Mini-Insel von Cominotto rüber schwimmt. Schnorchel und Maske haben sich nicht wirklich gelohnt, denn leben tut auf so plattem Sandboden halt nicht wirklich was. Als Fisch würde ich mich auch eher fernhalten von einem Ort, der täglich zur gleichen Zeit von Horden bade- und selfie-wütiger Touris überrannt wird.
Es gibt einen ganz wunderbaren Wanderweg entlang der Küste, den vermutlich die meisten der Tagesbesucher gar nicht sehen, der aber hervorragende Ausblicke über die blaue Lagune, die nebenan liegende Crystal Lagoon und bis zur Küste von Gozo bietet. Das war also mein Plan, einmal um Comino zu wandern. Ganz schaffte ich fes nicht, weil die querenden Wege irgendwann hübscher aussahen, und so kam ich in die charmante kleine Bucht von St Mary’s. Hier steht eine Polizeistation, wo täglich ein Polizist von Gozo hinpendelt. Was für Polizei-Business er hier haben sollte, weiß ich nicht, ich stelle mir das als sehr entspannten Job vor. Vielleicht trifft er sich jede Stunde zur Kaffeepause mit dem Pfarrer, der täglich von Gozo herpendelt. Scheint aber wohl wichtig zu sein, Polizei und Kirche auf einer Insel vertreten zu wissen, die offiziell zwei permanente Bewohner hat.

sehr idyllische Polizeistation in der St Mary's Bay
sehr idyllische Polizeistation in der St Mary's Bay

Irgendwann war Comino wohl auch schon mal in Privatbesitz, meistens aber einfach unbewohnt oder nur von ein paar Bauern bewirtschaftet. Die Höhlen an den Klippen wurden lange Jahre von Piraten oder Schmugglern als Versteck genutzt, weil sie schlecht von Maltas und Gozos Küsten aus einsehbar waren. Später kamen dann die allgegenwärtigen Malteser Ritter nach Comino, vor allem als Freizeit-Insel zum Jagen und Entspannen. Ich muss ein bisschen lachen, wenn ich mir vorstelle, wie so ein kräftiger Mann in schwerer Metalluniform hier mit seinem Pferd in der Sonne liegt und chillt. Aber so war es vermutlich eher nicht…
Die Franzosen interpretierten die Abgelegenheit ganz anders und machten während ihrer Zeit auf Malta Comino zum Quarantäne-Krankenhaus und später zum Gefängnis. Heute sieht man aber nicht mehr viel davon in Cominos Inland, außer ein paar einsamen Bauern-Hütten, einem kompletten und ein paar zerfallenen Ausguck-Türmen von damals. Und natürlich eine Kapelle und die nette Polizeistation. Neu bebaut wurde neben einem großen unschönen Hotel (ganz weit weg von der Blauen Lagune) soweit ich sehen konnte nichts.

mit ganz viel Fantasie: Australien verkehrtrum
mit ganz viel Fantasie: Australien verkehrtrum

Zurück an der Blauen Lagune war ich dann erstmal total überfordert nach der schönen Stille vorher. Plötzlich hatte sich die traumhafte Bucht in ein absolutes Gewusel verwandelt. Für fünf Euro kann man sich einen Liegestuhl mieten, der wird einem dann mehr oder weniger wackelig irgendwo an die Klippen gestellt, denn der Strand ist (wenn überhaupt) nur um die zehn Meter lang und zwei Meter breit, sodass hier natürlich die ersten Stühle besetzt werden. Dann sitzt man wie in der Sardinenbüchse mit hundert anderen gestapelt am Wasser, kann kaum auftreten weil der Stein so scharfkantig ist…naja, vorbei war’s mit Paradies, also habe ich mir das nächste Höhlen-Tour-Bötchen geschnappt um dem Gewusel zu entkommen. Weil Comino von der Wasserseite auch so viel zu bieten hat wie von Land aus, hat sich das richtig gelohnt, denn man fährt entlang und durch einige der schönsten Höhlen, die hier den Kalkstein durchlöchern. Der Fels hat die faszinierendsten Formen und Löcher. An einer Ecke sieht es aus wie ein umgedrehtes Australien, an einer anderen wie Südamerika, irgendwo starrt ein alter Mann mit Bart aus dem Fels, wenn man ein bisschen kreativ denken kann.

Eine Passionsblume!!
Eine Passionsblume!!

Weil es mir dann doch zu voll und laut und wuselig wurde, um ein perfekter Strandtag (ohne Strand) zu sein, machte ich mich kurz nach Mittag auf den Weg zurück mit der Fähre nach Mġarr auf Gozo. Beim Warten auf die völlig überfüllten Fährboote freundete ich mich spontan mit einer netten Australierin an – und so kam es zu unserem netten Abend beim SUPen vom letzten Mal. Da Alex auch noch ein paar Tage in Malta hatte und ich zwei Tage später auch wieder zurück auf die Hauptinsel umsiedelte, verabredeten wir uns zum gemeinsamen Wandern an der Nordwestküste Maltas in der Nähe von Mellieħa. Sollte das Wandern doof sein, wollten wir dorthin zurück und ein bisschen Sonne tanken am Strand, der da sehr schön sein soll. 

Popeye Village
Popeye Village

Wir fanden aber von der Bushaltestelle ganz schnell nach „Sweethaven“ oder offiziell zum Popeye Village, was in der Anchor Bay liegt und wo ich ein paar Tage zuvor zum Tauchen gewesen war. Popeye sollte euch allen ein Begriff sein und der Musical-Film über den schwer muskelbepackten Matrosen wurde 1980 hier gedreht. Die Location war sehr passend und da man außenrum keine typisch maltesische Architektur sehen kann, fiel im Film auch nicht auf, dass auf Malta gedreht wurde statt tatsächlich in Sweethaven.
Es hat über ein halbes Jahr gedauert, das Filmset zu bauen, es ist wirklich wie ein komplettes Dorf mit windschiefen Häusern, die so überhaupt nichts mit den typischen Häusern hier zu tun haben. Aber nett aussehen tut es, wie die Hütten sich so in der Bucht stapeln – gebaut aus holländischem und kanadischem Holz, da Malta ja so gut wie kein eigenes Holz hat. Es heißt außerdem, dass 8 Tonnen Nägel verbaut wurden. 

Popeye Cliffs
Popeye Cliffs

Die Dreharbeiten dauerten weniger lang als der Bau des Filmsets, und als sie beendet waren, sollte das Dorf eigentlich wieder abgetragen werden. Aber irgendwelche wichtigen Malteser entschieden sich dazu, das Dorf stehen zu lassen als Touristenattraktion. Heute gibt es einen kleinen Strand, Musik, ein paar Fahrgeschäfte und ein paar Mal am Tag kommen Popeye und Olive Oyl persönlich auf den Dorfplatz und tanzen mit Kindern den Popeye-Tanz. Alex und ich fühlten uns etwas zu alt dafür, und so schauten wir uns das Dorf nur von der Klippe gegenüber an, was inzwischen fast ein ebenso berühmter Ort ist wie das Dorf selbst. Genauso schnell, wie das Dorf plötzlich auftaucht, verschwindet es auch wieder, wenn man ein paar Meter die Klippen weiter geht. Und was für Klippen! Wir fanden einen ganz verwunschenen Ort namens Ras il-Waħx, was sich anscheinend übersetzen lässt mit „Cape Horror“, dazu habe ich aber keine wirklich verlässlichen Quellen gefunden. 

Ras il-Waħx
Ras il-Waħx

Was Ras il-Waħx ist oder wozu es genutzt wurde oder wie es entstanden ist, weiß ich entsprechend nicht. Aber wenn man an der Steilküste entlang wandert, kommt irgendwann unter einem dieses Gelände in Sicht, ziemlich rau und wild und wie eine Stufe zwischen Meer und den Klippen. Es ist grün und felsig, aber mit anderem Gestein als dem üblichen Kalkstein, zwischendurch sieht man Reste von einst vielleicht geraden Feld-Begrenzungs-Mauern. Wir fanden eine kleine Hütte, die in die Klippe gehauen war – ohne den beißenden Klo-Geruch könnte man hier perfekt eine Nacht campen – und was bestimmt an der einen oder anderen Stelle der Geschichte und in dem einen oder anderen Krieg als Ausgucksposten genutzt wurde. Wenn man runter in dieses – ist es ein Tal? – schaut, sieht es irgendwie durcheinander aus und eigentlich wären Alex und ich auch gerne durchgewandert, denn es gibt eine supersteile Straße, die hinunter führt und das Schild was dran hängt, könnte mal „Privatgelände“ geheißen haben, ist aber so verwittert, dass man es auch als „Komm rein, we are open“ lesen könnte. Weil das Wetter aber ganz seltsam war mit gelblichem Himmel und unglaublich drückender Luft (vielleicht ein Sahara-Sandsturm im Anmarsch?) und der nahenden Dämmerung, entschieden wir uns lieber dagegen. Man muss sich ja wie immer auch einen Grund übrig lassen, nochmal wieder zu kommen.

sooo blau!!
sooo blau!!

 

Klippen können sie wirklich gut in Malta. Gegenüber von Maltas Nordküste liegt Gozos Südküste und auch dort kann man ganz hervorragend wandern, nämlich entlang der Ta' Ċenċ Cliffs, die bis zu 120 Meter über dem Mittelmeer thronen. Anscheinend soll es viele Vögel hier geben, aber die schienen alle ausgeflogen zu sein und ich hörte und sah nichts von ihnen – oder vielleicht hatten sie auch einfach keine Lust von den Jägern erschossen zu werden, die wirklich überall durch die Gegend ballern, nur nie so regelmäßig, dass man sich dran gewöhnt, sondern immer noch jedes Mal zusammenzuckt. Den einzigen maltesischen Schmetterling sah ich aber hier und ganz viele Echsen und an denen erfreue ich mich ja sowieso mehr als an Vögeln.
Am westlichen Ende von Ta' Ċenċ liegt Xlendi in der Xlendi Bay. Der Ort liegt in einer ganz engen Bucht, aber der Weg bis zum Zentrum ist irgendwie spektakulärer als der Ort selbst. Als war wie so oft der Weg das Ziel – und Ziele mit Busanbindung fand ich auf Malta und Gozo immer sehr hilfreich.

 

Marsalforn Salt Pans
Marsalforn Salt Pans

 

Die witzigen Namen ziehen sich durch diverse Buchten. So gibt es im Norden von Gozo auch die Xwejni Bay, die sich genauso ausspricht wie der Fußballer Schweini. Hier war ich zum Tauchen (was aber nicht so beeindruckend war wie das Tauchen auf Malta). Der nächste Ort ist Marsalforn, der außer einer schönen Promenade am Wasser entlang nicht wirklich was zu bieten hat. Aber von der Xwejni Bay aus kann man schön die Küste entlang spazieren. Einige liefen unten am Wasser, aber eigentlich ist das verboten, also hielt ich mich an die Regeln und lief oben entlang der sehr wenig befahrenen Straße. Verboten ist der Zugang unten wegen der alten Salzpfannen. Die gibt es hier seit der Römerzeit und sie zogen sich ursprünglich die gesamte Küste entlang. Heute werden nur noch ein paar hundert zur Salzgewinnung genutzt. Es sind Familienbetriebe und zwischen Mai und September sieht man hier wohl wirklich noch Leute, die Salz „ernten“. Das habe ich leider knapp verpasst, aber das frische Salz kann man auch nach der Saison noch kaufen.

 

 

Spannende Dinge gibt es also zuhauf zu sehen auf Malta und Gozo – und so war ich doch ganz froh, meine 11 Tage hier gehabt zu haben, obwohl mir vorher von einigen gesagt wurde, eine Woche würde locker reichen. Wie so oft glaube ich, dass ich auch drei volle Wochen hier gut hätte füllen können.

 

 

 


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Kommentare: 2
  • #1

    Sonja (Freitag, 26 November 2021 07:43)

    Herrrliche Bilder - genau die richtigen für die kommenden, trüben Tage in Deutschland - Bericht lese ich später. Danke dir.

  • #2

    Michael aus Fulda (Samstag, 27 November 2021 18:17)

    Mit diesem Beitrag führst Du mich aus der trüben Novemberstimmung und dem Schrecken der Corona-Pandemie in eine unbeschwerte Urlaubsregion, an der Du mich durch Text und Fotos teilhaben lässt. Nur wenige schaffen es, so viel Initiative aufzubringen, um diese Inseln, von denen ein Unwissender glaubt, sie würden ihm nicht viel bieten können, mit allen ihren Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten zu erkunden. Es ist wohl von Vorteil, außerhalb der Hochsaison Urlaub zu machen. Mein Eindruck ist, dass Du wunderschöne Tage mit vielen Aussichten, Besichtigungen und Erlebnissen verbracht hast.
    Angesichts der felsigen Landschaft mit spärlicher Vegetation habe ich mich gefragt, ob das schon immer so war. Bei Wikipedia habe ich folgende Antwort gefunden. „Bereits zu neolithischer Zeit begannen die Menschen den Wald der Inseln zum Bootsbau und zu anderen Zwecken abzuholzen, so dass die Inseln inzwischen waldlos sind.“ Offensichtlich hat es in der Frühzeit den Aufstieg einer Kultur gegeben, die sogar Bauten aus Stein errichten konnte. Vielleicht gab es bei deren Niedergang kein Holz mehr zum Verfeuern und zum Bootsbau oder das Klima ist trockener geworden und es herrschte Wassermangel.