Ein letzter Tag Nackenstarre

Meine sehr liebgewonnen treuen Begleiter durch nunmehr fast 4 Jahre haben so langsam den Geist aufgegeben, bzw. ihre Sohlen, sodass ich die Chance, in NYC zu sein, nutzen wollte, um sie mit schicken neuen Schuhen zu ersetzen. So ging’s am Mittwoch erstmal in die City. Shopping war angesagt!

Mit der U-Bahn ging es also erstmal wieder weiter Richtung Süden. Übrigens find ich U-Bahnen ja total spannend – anders als Züge, die eigentlich überall einfach nur Züge heißen, haben U-Bahnen überall wo man hinkommt einen anderen Namen. Wo die „Métro“ Frankreich untertunnelt und die „Tube“ einen in England von A nach B bringt, sind es „MRT“ (Mass Rapid Transit) und „MTR“ (Mass Transit Railway), die in Taiwan und Hongkong durch die Gegend zischen, während die „Metropolitana“ Italien unsicher macht. In Südamerika ist es die „Subterráneo“, in der Türkei die „Füniküler“, in Schweden die „Tunnelbana“. Faszinierend…und sooo kreativ!   
In New York ist das jedenfalls die „Subway“ und die nahmen wir auch am Mittwoch früh, um in die Stadt zu kommen.

in den Außenbezirken dominieren die gusseisernen Balkons
in den Außenbezirken dominieren die gusseisernen Balkons

Weil das Morning Star Café so voll aussah, suchten wir uns stattdessen an der Bahn was und fanden auch sogleich einen Laden mit dem Namen „Pax Café“. Das war vielleicht eine seltsame Erfahrung und viiiel zu stressig für so früh am Morgen. Man musste im Erdgeschoss an einer langen Theke bestellen, was man wollte – zur Auswahl standen diverse Müslis, Gebäckstücke und warme Frühstücksoptionen. Also bestellten wir unsere Pancakes und Kakao und irgendwie war es so laut und hektisch, dass keiner von uns wirklich was verstand. Also wusste niemand, ob wir jetzt warten oder nicht warten sollten, wann unser Frühstück fertig sein würde und überhaupt. Also ist Mama schonmal hoch, einen Platz zwischen den gähnend leeren Bänken und Tischen zu suchen, während Papa und ich dumm an der Theke rumstanden. Dann wurde ich weggescheucht, weil ich irgendwem im Weg stand. Als ich das Tablett mit den Getränken drauf schon mitnehmen wollte, hielt die nette Kassenfrau es fest und brummelte irgendwas, also bin ich eben ohne abgehauen. 20 Sekunden später brüllt es hinter mir „Miss, Miss! MISS!!“ und dann durfte ich das Tablett doch mitnehmen…sehr dubios. Obwohl ein interessantes Erlebnis, waren wir uns einig: Das Morning Star Café ist gemütlicher!

soo viele Chucks!
soo viele Chucks!

Gut gesättigt also an der Prince Street (oh yeah – keine Nummerierung!) ausgestiegen und mein geschulter Blick fand sofort das Converse Outlet. In dem großen Laden voll toller Schuhe standen vier Angestellte dumm rum, die offenbar nichts anderes zu tun hatten, als dumm rumzustehen. Einer war offenbar ein Security – wieso die dann überhaupt diese Piepsdinger an der Tür haben, geht mir nicht so in den Kopf. Der war ja wenigstens noch ganz nett (und hatte eine tolle Frisur), während die anderen irgendwie gar nix taten. Wann immer ich einen Schuh anprobieren wollte, musste ich zu dem dummrumstehenden Mädel und sie nach der Größe fragen, sodass sie in ihr Walkie-Talkie schwätzen konnte und jemand ihr den Schuh raussuchte. Komische Sache. Obwohl so selbst-designte Schuhe richtig toll gewesen wären, begnügte ich mich mit einem Paar dunkelroter Chucks mit gelben Zusatzschnürsenkeln und ich war für den Tag sehr glücklich :)

Feuertreppen wie in Westside Story
Feuertreppen wie in Westside Story

Weil wir nicht nur Downtown Manhattan mit Broadway und so sehen und unsere fünf Tage in New York ja so richtig auskosten wollten, liefen wir los, um einige der Stadtteile zu erkunden. Zunächst ging es nach SoHo. Ich erwähnte schon, dass SoHo für „South of Houston Street“ steht, so wird das Viertel also im Norden von NoHo und im Süden von der Canal Street begrenzt. Südlich der Canal Street liegt ein Viertel namens TriBeCa – „Triangle Below Canal Street“…die spinnen doch!    
Soho ist ein ganz netter Stadtteil mit vielen alten Häusern, die teilweise sehr verstuckt und hübsch sind. Hier sieht’s wirklich aus wie bei West Side Story oder diesen Filmen, die nicht direkt zwischen den Wolkenkratzern spielen – alles voller Feuertreppen, kleiner Geschäfte, alternativer Läden, echt ganz cool. In SoHo bekamen wir auch zum ersten Mal seit Tagen nicht das Gefühl, bald einen steifen Hals zu haben: Endlich mal wieder keine Wolkenkratzer und nicht mehr 90% aller Fotos im Hochformat ;)

neue Freundschaften an der Uni
neue Freundschaften an der Uni

Irgendwo standen an der Straße so riesige LKW-Anhänger mit Türen dran rum, teilweise sahen die richtig aus wie Haus- oder Wohnungstüren. Später sahen wir sowas nochmal – offenbar wurde da grad ein Film gedreht und das waren die Unterkünfte der Schauspieler und Regisseure. Ziemlich winzig, so ein Zimmer in dem LKW, aber wenn die eh fast rund um die Uhr am Dreh sind, ist das wohl auch relativ wurscht. Nach hochkarätigen Stars sah’s jedenfalls nicht aus.      
Am Broadway (dieser meeegalangen graden Straße) entlang liefen wir wieder Richtung Norden und kamen über den Campus der NYU (New York University). An die 12 Häuserblocks oder so gehören zur Uni, ist also ein gigantisches Gelände, was eigentlich gar nicht wie eine Uni, sondern eher wie ein eigenes Stadtviertel aussieht. Die Preise der Hotdog-Häuschen und Getränkestände fielen innerhalb von drei Straßen, die wir überquerten, so radikal, dass man sich aber doch denken konnte, man sei wohl von armen Studis umgeben.

Washington Square Park
Washington Square Park

Relativ unerwartet stießen wir am Nordende vom Campus auf den Washington Square Park, eine hübsche Anlage mit Platz und Brunnen und ganz viel Grün. Besonders toll: Alle Grünflächen haben nur so gewuselt vor grauen Eichhörnchen! Die haben sogar Kräcker aus der Hand gefressen, aber offenbar finden sie auch so genug, sodass sie den Stress von einer zu nahen Menschenhand nur ungern auf sich zu nehmen scheinen. Eins hat das ganz cool gemacht – hat sich Kräcker von Mama geschnorrt, ist dann losgespurtet und hat sich kopfüber an einen Baumstamm gehängt – sah aus wie ein Flughörnchen :D

 

dass man sowas in New York findet...
dass man sowas in New York findet...

Hinterm Washington Square Park (der übrigens wirklich eckig ist – anders als der Madison Square Garden, der eine kreisrunde Mehrzweckhalle ist) ist man eigentlich schon im Greenwich Village (sprich: Grienitsch), einem Künstlerviertel, das in vielen Filmen immer nur „The Village“ heißt. Hier gibt’s superschöne Mini-Häuschen – meist nur drei oder vier Stockwerke – und viele kleine Lädchen und Cafés. Hier fanden wir auch ein sehr hübsches an der Straße mit superleckerem Homemade Iced Tea und Lemonade.
The Village ist außerdem bekannt als Heimat der Schwulen- und Lesbenszene New Yorks. Wir haben gleich die Christopher Street gefunden, den Namensgeber des Christopher Street Day, der riesigen Feste und Demonstrationen für die Rechte von Schwulen, wobei der allerdings laut Wikipedia nur in deutschsprachigen Ländern so heißt. Für alle, denen die Straßenschilder der Gay Street (die schwule Straße) nicht aussagekräftig genug sind, gibt es einen lustigen Eisladen mit einem riesigen Einhorn auf der Scheibe, das an einer regenbogenfarbigen Eistüte schleckt, auf der steht: BIG GAY ICE CREAM SHOP!

 

75 1/2
75 1/2

Im Village und in ganz Lower Manhattan scheint alles irgendwie gemütlicher zu sein als in Downtown NYC. Man findet so spaßige kleine Sachen wie zwei Häuser, die nur ein paar Meter auseinander stehen und wo in die Spalte noch ein winziges Häuschen gequetscht wurde. Damit man nicht die ganze Hausnummerierung anpassen musste, hat das Haus jetzt die Hausnummer 75½. Sachen gibt’s…die weiß man auch nur, wenn man einen guten Insider-New York-Reiseführer hat.     
Der Reiseführer schickte uns auch in den sogenannten Meatpacking District, wo zu Beginn des 20. Jahrhunderts über 200 verschiedene Fleischereibetriebe waren. Zentrum der Prostitution ist es jetzt nicht mehr und mausert sich so langsam zu einem echt coolen Viertel. Schicke Restaurants zu beiden Seiten und sogar ein Fotoshooting mit Models haben wir gesehen, mitten auf dem Gehweg! Die alten Schlachterhallen stehen teilweise noch und sind jetzt ausgebaut zu Nachtclubs oder coolen Einkaufspassagen.

 

High Line Park
High Line Park

Noch im 19. Jahrhundert wurde eine Bahntrasse gebaut, um den Handel der Fleischbetriebe zu erleichtern. Weil es zu so vielen Unfällen in den Straßen kam, wurden die Gleise als Folge nach oben verlegt und Gleisanschlüsse direkt aus dem Obergeschoss der Fleischergebäude gelegt. Irgendwann waren die Straßen jedoch so gut ausgebaut, dass die Betriebe auf ihren Güterverkehr verzichteten und die „High Line“ wurde allmählich stillgelegt. Ab den 90ern wurde auf den alten Gleisen nach und nach ein mittlerweile über zwei Kilometer langer Park angelegt. Man kann also zwischen den Gleisen langspazieren, es gibt Bänke und Aussichtsplattformen und sogar eine kleine glasverkleidete Tribüne, von der aus man dem Verkehr auf der 10th Avenue zuschauen kann. An dieser Stelle nochmal danke an Andi, der diesen Ausflug vorgeschlagen hatte – es hat sich echt gelohnt!

 

Street Art am High Line Park
Street Art am High Line Park

Zurück in der City nur noch ein schneller Abstecher zum New York City Post Office, einem extrem imposanten Gebäude, in dem praktisch gar nix los ist, und ein kurzer Aufenthalt beim Zuschauen von einem Straßenkünstler, der total geile Bilder mit Spraydosen fabriziert (wer ihn sehen will, schaue hier: http://youtu.be/CAXx3TdfPm0). Und weil wir ja nunmal in New York waren, ging es zurück zum Times Square, wo man sich an einer langen Schlange anstellen und zum reduzierten Preis Musicaltickets für den selben Tag erstehen kann. Wir alle drei sind ABBA-Fans und weil Mamma Mia! auf Deutsch ja nur mit deutschen Liedtexten gespielt wird, gingen wir ganz spontan abends im Winter Garden Theatre nochmal ins Musical, und das auch noch mit 40% günstigeren Tickets und grandiosen Plätzen hinten in der Mitte – und diesmal sogar in weniger schicken, aber bequemeren Klamotten ;)

soo viele Autos in soo einer engen Stadt...
soo viele Autos in soo einer engen Stadt...

Am nächsten Morgen gab es ein letztes Mal Frühstück im Morning Star Café, wo ich festgestellt habe, dass ich ein Pancake- und Egg’n’Bacon-Fan, aber dafür kein Liebhaber von French Toast bin. Dann wurden wir vor dem Hotel von einem netten gesprächigen Fahrer abgeholt, der uns durch den Wahnsinn, den Manhattan Alltag nennt, durch Queens zum La Guardia-Flughafen gefahren und dort abgesetzt hat. Die Sicherheitsvorkehrungen stehen bei den Amis schon sehr im Vordergrund. Aber manchmal kann man nur den Kopf schütteln. Ein paar Kilo zu viel und man wird zur Sau gemacht, aber wenn man sein Gepäck einchecken will, wird’s gewogen, bekommt den Bäpper drauf und dann darf mal selbst es durchs halbe Terminal zum wirklichen Eincheck-Schalter bringen – wer da was und wie viel davon noch nachträglich in den Koffer packt, ist also relativ egal. Aber gut zu wissen für’s nächste Mal, wenn man wieder zu viel Gewicht für zu wenig Erlaubnis da ist.

Madison Square Garden - weder square, noch garden...fair enough
Madison Square Garden - weder square, noch garden...fair enough

Wenn alles Gepäck verstaut ist, geht es in die lange Schlange Richtung Terminal (das man im Normalfall dann etwa zwei Stunden später wirklich erreicht). Zuerst darf man einzeln zu einem kleinen Schalter, der aussieht wie ein Rednerpult, wo ein Officer dich nach deinem Namen fragt und deinen Pass begutachtet. Als würde ich mir mit einem geklauten/gefälschten/… Pass nicht wenigstens den Namen merken, der da draufsteht… Blöd, wenn man dann einen komischen Namen hat. Mich fragte er „Tändschar?“ und ich meinte „Nope – it’s Tanja“. Dann kräuselte er die Stirn, schaute nochmal hin, nickte und sagte widerwillig „fair enough“. Was macht der denn mit so Namen, denen man wirklich ihre Aussprache nicht ansieht?

wahnsinnige Spraydosen-Streetart
wahnsinnige Spraydosen-Streetart

Dann darf man weiter (außer man kennt den Namen auf seinem Pass nicht) und muss dann Gürtel, Schuhe und alles ausziehen. Allerdings nur wenn man nicht unter 12 oder über 76 Jahre alt ist. Wenn man’s weiß, kann man sich schon genau überlegen, wie man am besten irgendwas ins Land schmuggelt, was eigentlich nicht reindarf. In den Ganzkörperscanner müssen sowieso alle – eigentlich ist’s dann auch wurscht, ob man Schuhe anhat oder nicht. Auf dem späteren Flug von Chicago hatte ich eine Hose an mit Stickereien auf den Po-Taschen, da hatte ich dann auf dem Scanner-Bild gelbe Punkte auf dem Hintern. Dann musste ich abgetastet werden, aber die nette Security-Frau hat mit den Rückseiten ihrer Hände in meine Taschen gefasst – als hätte die da irgendwas in den unteren Falten ertasten können. Dann musste ich warten, ein paar Meter weiter zu einer Kollegin (das ganze hat so lang gedauert, dass ich in der Zeit locker zu meinen fertig gescannten Eltern hätte laufen können und ihnen was auch immer illegales hätte zustecken können. Die nette Kollegin hat mir dann mit einem kleinen Schwämmchen die Handflächen abgestrichen, das Teil unter eine Lampe gehalten, dann hat der Computer ihr gesagt, dass keine Rückstände von Ecstasy oder ähnlichem auffindbar seien und dann durfte auch ich gehen. In der Zwischenzeit lag natürlich mein ganzes Zeug, was ich vorher ablegen musste, in einer der Scannerboxen ganz einsam am Ende. Hätte Mama sich ihnen nicht angenommen, hätte jeder da was rausnehmen oder reintun können.

na, das muss ja aber auch nicht unbedingt sein...
na, das muss ja aber auch nicht unbedingt sein...

Manchmal denkt man sich also schon, was das ganze Geraffel mit der übertrieben Sicherheit eigentlich soll. Das selbe habe ich mir auch gedacht beim Thema Hygiene. Auf öffentlichen Toiletten geht kaum einer raus ohne sich die Hände zu desinfizieren, an jedem zweiten Geldbeutel oder Rucksack, den man sieht, hängen kleine Döschen mit Desinfektionszeug, in Restaurants muss an den Waschbecken ein Hinweis stehen, dass „employees must wash hands before returning to work“. Gleichzeitig sieht man auf dem 8th Street Market Smoothiestände, die ihr Obst, und Gyrosbuden, die ihre Brötchen auf dem Boden hinter ihnen lagern, während die kleinen Hündchen der New Yorker dran entlang wedeln und schnuppern (und hoffentlich nicht mehr tun). Ich bin mir sicher, dass es in Manhattan nur deswegen keine Ampelknöpfe gibt, weil sie sowieso niemand mit bloßen Händen drücken würde. In einem Diner, wo wir zu Mittag waren, musste man als Gast durch eine Art zweite Küche, um zu den Klos zu kommen – man lief also an einer Kühlbox vorbei, an einem Herd, auf dem eine Flamme brannte, an Burger-Patties, die grade auftauten und an einem halben Truthahn, der da eben so vor sich hin vegetierte. Schon irgendwie sehr seltsam alles…

 

Aber genug der schlechten Worte, denn wir wurden auf unserem Flug von La Guardia nach Milwaukee mit strahlendem Sonnenschein und so gut wie keinen Wolken belohnt, sodass wir einen tollen Blick auf New York und später auf Wisconsin hatten. Wir hatten sogar eine halbe Stunde Verfrühung (gibt’s das Wort überhaupt?) und unser Gepäck war vor uns in der Ankunftshalle. In Milwaukee konnten wir erstmal alles von uns werfen, weil es so warm und schwül war und dann kam auch schon Mamas Freundin Gail uns abholen…

Kommentar schreiben

Kommentare: 0