Die Heimat ruft

Ich zähle weiter fleißig die Tage bis zur lang ersehnten Heimreise – im Moment hängen am Abreißkalender noch 23 Schokobons und am Abstreichkalender sind noch 23 Tage frei, also ist ein Ende in Sicht. Ich war nie ein allzu großer Heimwehler, aber auf dieser Route ziehen sich die Tage und Wochen irgendwie ewig hin. Jeden Freitag ist Abteilungsmeeting und irgendjemand sagt jedes Mal „Oh Mann, schon wieder eine Woche rum!“ und jedes Mal denke ich mir „Oh Gott, erst eine Woche rum!“

Florenz
Florenz

Die Wochen ändern sich nicht und nach dem ersten stressigen Anlauf in Marseille hat sich auch das gelegt und wir haben Mittwochs gefühlt gar nichts mehr zu tun. Auf dem Dienstplan stehen dann pro Scout um die fünf Stunden Dienst und wir müssen gucken, wie wir wenigstens auf unsere sieben Stunden kommen, damit niemand misstrauisch wird und einen Scout abzieht. Wobei ich ja sehr gerne zwischendurch mal das Schiff gewechselt hätte…
Pünktlich zur Lieferung meiner dicken Winterjacke von daheim wurde das Wetter wieder schöner und in Marseille standen wir morgens im strahlenden Sonnenschein auf der Pier und haben unter unseren drei bis vier Lagen geschwitzt. Aber in Livorno konnte ich die Kollegen neidisch machen in meiner dicken Jacke mit Kapuze und flauschigem Innenleben. Sogar unsere Chefin steht jetzt in privater Fleecejacke ohne Namensschild auf der Pier – kann sie ja schließlich auch nix dafür, dass unsere dicken Uniformjacken erst auf Januar bestellt worden sind.

schaut euch diese Eisberge an!
schaut euch diese Eisberge an!

Letzte Woche war wenigstens ein bisschen was neues los im Team: irgendjemandem ist aufgefallen, dass immer noch die Scout-TV-Folge über Civitavecchia lief, in der drei Scouts, die seit fünf Wochen nicht mehr an Bord sind, die Ausflüge vorstellen, die seit zwei Wochen nicht mehr im Programm stehen. Also musste die Folge neu gedreht werden und weil über Marseille noch gar nichts gedreht wurde, machten wir das gleich mit. Ich als „Alter Hase“ im Team hatte die Hafenvorbereitung für Marseille gemacht und werde daher als Spezialist für Frankreich angesehen (es hilft, dass ich eine der wenigen im Team bin, die französische Wörter und Namen einigermaßen korrekt aussprechen kann), also durfte ich natürlich auch ins Fernsehen. Scout-TV hat sich sehr verändert in dem dreiviertel Jahr, in dem ich nicht mehr auf der Prima war: wo wir mit zwei Scouts am Tisch standen und uns gegenseitig mit Wissen über unsere Zielhäfen zu übertrumpfen versuchten, sind wir jetzt zu dritt im Studio. Ganz entspannt sitzt Micha auf dem Sofa und moderiert und stellt mir, dem Experten, Fragen über unsere Häfen. Ich erzähle das wichtigste, dann geben wir weiter an den Tisch, wo Jana steht und im Detail auf unsere Ausflüge eingeht. Wirkt natürlich immer noch ein bisschen wie Frühstücks- und Verkaufsfernsehen in einem, aber allemal besser als dieses öde Hin und Her zwischen zwei Leuten, wo keiner weiß, wo genau er hinschauen soll, weil es immer blöd aussieht.

an jeder Ecke eine Kirche in dreifarbigem Marmor
an jeder Ecke eine Kirche in dreifarbigem Marmor

Die Perla hat ein tolles TV-Team und die Jungs machten es uns sehr einfach beim Dreh. Nach einer Probe-Runde Marseille hatten wir dann in jeweils einer Dreiviertelstunde die Marseille- und die Civi-Folge im Kasten und waren alle mächtig stolz auf unser Ergebnis. Das hat mir tatsächlich ein bisschen gefehlt. Wenn auf der Luna nichts zu tun war, konnte man sich immer an seine Präsi setzen und rumbasteln, Bilder austauschen und Texte aktualisieren. Ohne die Hafen-Präsentation im Theatrium fehlt einem da schonmal ein großer Teil der im-Office-rumlunger-Zeit. Auf der neuen Schiffsklasse sind die Präsentationen nicht vorgesehen und es gibt nur eine Highlight-Präsi am Seetag. Weil Chef Kevin so ein großer Micha-Fan ist, darf sie jede Woche die Präsi mit ihm machen und wir andern stellen uns dem Gäste-Andrang an den Schaltern. Auf der Prima hatten wir Scout-TV wenigstens noch live, da war immer was zu tun. Aber hier: einmal abgedreht und gut. Schade eigentlich, das mochte ich immer echt gern. Aber wenigstens komm ich jetzt auch im Fernsehen und ab und an kommt mal ein Gast vorbei und sagt „Hey, Sie kenn ich doch aus dem Fernsehen!“ und das ist immer spaßig.

Arno-Ufer in Florenz
Arno-Ufer in Florenz

Weil sonst tatsächlich nicht viel passiert hier an Bord, gibt es heute einfach mal ein paar Fotos, die sich so angesammelt haben. Wobei meine Fotoablage erschreckend leer ist – tatsächlich so leer wie noch nie nach mehreren Monaten im Ausland! Aber wenn man halt jede Woche das gleich sieht… und soo viele Ausflüge sind es tatsächlich auch nicht. Im gesamten Monat Oktober war ich nur sechs Mal auf Ausflug und jetzt auch schon wieder anderthalb Wochen lang nicht. Mich stört das nicht so, denn die Langeweile geht auf den immer gleichen Ausflügen auch nicht weg: der Schiefe Turm ist immer noch schief, der David ist immer noch nackt und die Schlange am Petersdom ist immer noch anderthalb Kilometer lang jedes Mal wenn man vorbeikommt…

 

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0