Das große Fressen

Dubai wirkt unglaublich sauber, von den Böden könnte man überall essen, so blitzen und blinken die. Das ist alles nicht nur den hohen Strafen für Verschmutzung jeglicher Art zu verdanken, sondern vor allem den vielen Expats, die in so hohen Zahlen hier rumschwirren und vor allem auf den Baustellen und bei der Straßenreinigung arbeiten. Die meisten von den männlichen sind Inder und Pakistanis, die für ein paar Jahre kommen, weil sie hier viel mehr verdienen können als zu Hause. Von dem Geld unterstützen sie ihre Familien zu Hause und die meisten leben hier von weniger als 300€ im Monat.

Mittagspause bei den Baustellen-Expats
Mittagspause bei den Baustellen-Expats

Als Expat gilt allerdings jeder, der zum Arbeiten nach Dubai kommt. Farouk beispielsweise ist auch einer. Aber er ist studierter Informatiker und hat einen guten Job bei Microsoft, also verdient er gut und hat gewisse Freiheiten. Würde ich hier arbeiten, würde ich zu den sogenannten „First-Class-Expats“ zählen, das sind diejenigen, die was gutes gelernt haben und die richtigen Stempel im Pass haben. Denn woher man kommt, zählt. Und Europäer werden gern gesehen, um die Wirtschaft voran zu bringen. Würde jemand hier arbeiten, der das gleiche studiert, die gleichen Kenntnisse und die gleiche Erfahrung hat wie ich, der aber aus Ägypten kommt, würde ich vielleicht sogar doppelt so viel wie er verdienen.

Weibliche Expats gibt es natürlich auch, die arbeiten meist als Hausmädchen und kümmern sich um die Kinder, die Haustiere und den Haushalt. Eine „Maid“ zu haben, ist in Dubai normal. Viele kommen aus Äthiopien, wo sie in ärmsten Verhältnissen gelebt haben und herkommen um den Kindern zu Hause Geld schicken zu können. Die Familie nach Dubai zu holen geht erst wenn sie ein bestimmtes Monatsgehalt verdienen, was sie eigentlich mit ihrem Job nie erreichen. Es gibt spezielle Agenturen, die diese jungen Frauen in Dubai „verkaufen“, also einer Familie als Maid zur Verfügung stellen. Meist wohnen die bei der Familie und es gibt gewisse Regeln. Aber ob man sich dran hält oder nicht, kann keiner wirklich nachprüfen. So passiert es, dass Hausmädchen trotz der „Wochenende-frei“-Regel sechs oder sieben Tage die Woche arbeiten, kaum Freizeit haben um kaum etwas verdienen. Die Familie des Hausherrn bekommt den Pass der Maid, welchen sie erst zurückbekommt wenn die Vertragslaufzeit rum ist. Für die Maids gibt es teilweise also bei schlechter Behandlung gar keine Möglichkeit, wegzugehen, weil sie nicht ausreisen dürfen ohne Pass, und sie landen als Prostituierte in den Straßen.

Al Majaz Waterfront
Al Majaz Waterfront

Aber nicht allen Maids geht es grundsätzlich schlecht (auch wenn man natürlich immer nur die schlechten Geschichten drüber hört). Auch Leenas Familie hat eine Maid. Sie ist Äthiopierin und heißt Sara. Sie hat acht Jahre lang bei der Familie gewohnt, weil Leena immer gearbeitet hat. Am Wochenende wird sie in die Kirche gefahren, damit sie einmal die Woche zum christlichen Gottesdienst kann. Sie arbeitet sechs Tage die Woche und hat immerhin so viel verdient, dass sie sich jetzt zusammen mit ihrem Mann eine Wohnung leisten konnte. Sie ist jetzt schwanger und arbeitet ihr Nichte Sofi ein, damit die ihren Job übernehmen kann.

 

Schlecht behandelt werden die Mädels hier nicht. Aber richtig gut auch nicht. Respektvoll geht man hier nicht mit den „niederen“ Arbeitern um. Als ich ankam, wurde mir Sofi nicht vorgestellt und sie schaut sofort weg wenn ich sie lächeln sehe weil ich was Arabisches lustig ausgesprochen habe. Ich habe sie am ersten Morgen nach ihrem Namen gefragt, da hat sie ganz groß geschaut…

Sara kommt mit Sofi so wie es ihr grade passt. Irgendwann im Laufe des Tages ist sie zweimal für zwei, drei Stündchen da, macht den Abwasch, die Wäsche, die Böden, die Betten, das Bad, … Sie hat in ihren acht Jahren hier nie einen Schlüssel bekommen, aber das macht nichts, denn Türen werden nie abgeschlossen. Als Farouk mich mitnahm in die Dubai Mall, wussten wir dass wir stundenlang nicht zurückkommen würden. Er hat einen Schlüssel eingesteckt – wieso weiß ich allerdings nicht. Die Tür blieb unverschlossen. Und als wir in der Mall saßen, hat ein Techniker angerufen, dass er kommen will den Fernseher reparieren. Dann hat Farouk ihm die Adresse und Apartmentnummer gegeben und gesagt „Kein Problem. Der Fernseher ist hinten an der Wand, der Receiver gleich dabei. Mach einfach.“ Seine Erklärung: im Hausflur sei ja alles videoüberwacht und die zwei Männer an der Rezeption schauen da drauf. Hmm. Als ich ankam haben sie nicht mal aufgeschaut, als ich mit meinem Koffer angerumpelt kam…

Aber zurück zu den Expats. An meinem ersten Tag hat Mama Leena die beiden Mädels in mein Zimmer zum Putzen geschickt (soo ein Dreckfink bin ich jetzt auch nicht, dass nach einem Tag Tanja-Bewohnung hier Großputz sein muss, aber gut). Dann sag ich noch, sie bräuchten nicht mein Bett machen. Haben sie natürlich doch und mein ganzer Bett-Krams (Laptop, Ladegeräte, Schlafanzug, Halsbonbons, Tempos, …) ist jetzt irgendwo anders im Zimmer verteilt. Meine Schuhe, die ich grade alle aus meinem Koffer geholt hatte waren auch verschollen, aber habe sie dann doch wieder gefunden. Das ist ja fürchterlich, wenn alle Sachen jeden Tag woanders sind. Jetzt muss ich morgens alles immer irgendwo verstecken, dass ich am Abend auch weiß, wo alles ist. Dabei hatte ich mich grade eingerichtet.

Popo-Dusche
Popo-Dusche

So ist es halt einfach hier. Es gibt keine Klobürsten – dafür sind ja die Hausmädchen da. Es gibt stattdessen eine Art Duschkopf, den man von der Wand nehmen kann und sich den Allerwertesten damit abspülen kann. Weil der Hintern aber normalerweise rund ist und das Wasser nicht einfach aufsaugt, spritzt das frische Popo-Wasser dann durchs ganze Bad – aber macht ja nix, die Hausmädchen machen ja wieder sauber. Finde das allerdings nicht ganz so prickelnd…es soll ja vorkommen, dass mal ein anderer auf Klo muss, bevor die Mädels saubermachen können…

Sofi schläft auch bei uns in der Wohnung, geht aber erst sehr spät schlafen. Normalerweise gehört es sich für die Hausmädchen, erst ins Bett zu gehen, wenn die Arbeitgeber schon schlafen. Gestern kamen wir ja erst um halb 2 aus Dubai von der Shisha-Bar zurück, da hat sie dann wenigstens schon geschlafen.

Leena kommandiert die Mädels zwar rum, aber ich glaube nicht, dass die hier auch Schläge oder schlimmeres abkriegen. Aber schon ein sehr einsames Leben, stelle ich mir vor. Das einzige, was Leena mit denen redet ist „Hol mir mal…“ und „Bist du schon mit Putzen fertig?“ und „Räum doch mal hier auf“. Heute ist Leena ein bisschen ausgerastet, wobei ich auch ein bisschen Schuld war. Vorgestern gab es zum Essen was traditionell syrisches, bestehend aus Reis und einer Art dickflüssiger Suppe mit Gemüse, sehr lecker, und gestern dann Nudelauflauf (weil Zeina ihr verraten hat, dass ich zu Hause gerne italienisch esse). Dann habe ich gestern schon gesagt, dass ja noch so viel übrig ist, dass sie doch heute nicht kochen müsse, weil wir auch Reste essen können. Zumal ich eh die einzige bin, die wirklich was isst, weil die anderen hier ja alle auf Diät sind (gleichzeitig aber nie zu Fuß gehen und immer den Aufzug runter nehmen).

Das Staatsoberhaupt muss in jeder Wohnung hängen (warum er unbedingt mit Blick ins Gästeklo-Schlüsselloch stehen muss, ist mir allerdings ein Rätsel)
Das Staatsoberhaupt muss in jeder Wohnung hängen (warum er unbedingt mit Blick ins Gästeklo-Schlüsselloch stehen muss, ist mir allerdings ein Rätsel)

Heute kam Leena dann mit einer Tüte von Pizzahut heim: eine Panpizza dick belegt und mit Käse im Rand, dazu ein Knoblauchbrot, dann noch Salat. Dann packt sie mir gleich mal drei Stücke Pizza auf den Teller und Salat und alles. Als sie aus dem Zimmer ist, hab ich erstmal ein bisschen vom Salat wieder zurück getan, weil ich schon dachte, dass das zu viel wird. Drei Minuten später kommt Sofi und stellt mir einen Teller aufgewärmtes Reis-Suppen-Zeug hin. Dann kommt Zeina und stellt auch noch ihren frischen Salat dazu. Dann hatte ich vier Stück Pizza schon intus und ein paar Löffel Suppe, dann meint Leena „Mach! Ich warte“ – worauf genau weiß ich nicht. Wir haben ja immer noch eine Stunde Zeit zwischen Essen und Unterricht.

 

Dann hat sie doch auch noch was gegessen und mir nochmal ein Stück Pizza hingelegt, da hab ich gesagt „Ich kann jetzt wirklich nicht mehr“. Dann hab ich nochmal gesagt, dass wir doch gerne auch die Reste morgen essen können und dann ging plötzlich die Post ab, weil Sofi und Sara anscheinend die Reste des Nudelauflaufs gegessen hatten. Ende vom Lied war, dass Leena stinkig auf Sofi war, Sofi mit hängendem Kopf nach draußen schlurfte und ich mich mit zwei Stück Pizza und Knoblauchbrot im aufgedrängten Fresspaket auf mein Zimmer verzog, aber nicht nachdem Leena mir auch noch ein Stück syrisches Nugatzeug in den Mund gestopft hatte. Uff, die mästen mich hier.

Kaffeezeit-Fresspaket
Kaffeezeit-Fresspaket

Heute kam die Frau von der Organisation vorbei und als sie gefragt hat ob alles gut ist, hab ich gesagt das größte Problem ist das zu viele Essen. Ich hoffe, das wird jetzt besser und sie nötigen mich nicht immer zum Essen. Denn es steht ja auch aus unerfindlichen Gründen immer wenn ich aus dem Bad komme, ein frisch aufgefüllter Teller mit Keksen, Jogurt, Pudding und Schoko-Bons auf meiner Kommode…
Wie ich elegant die restliche Pizza und das Knobibrot entsorgen kann, muss ich mir noch überlegen, aber Leena geht ja immer früh arbeiten, also kann ich es vielleicht nach dem Aufstehen Sofi zum Entsorgen unterjubeln.  

Gestern hat Zeina übrigens auch Stress gekriegt, als sie Leena gebeichtet hat, dass sie mir am frühen Nachmittag nichts zu Essen gemacht hat, nachdem wir grade erst gefrühstückt hatten und es zwei Stunden vor dem superspäten Mittagessen um 16 Uhr war. Die spinnen schon ein bisschen, die Araber. Leena meinte, nächstes Mal soll ich zum Ramadan herkommen, weil da schlafen alle und essen nix und wenn es dann doch was zu essen gibt, sind alle so schnell voll, dass das meine beste Ausrede wäre, nichts mehr essen zu wollen.

Khaled Lagoon
Khaled Lagoon

Nachdem heute die Pizza grade verdaut und unsere Arabisch-Stunde rum war, kam Zeina aus der Stadt wieder und sagte „Hier, ich hab was zu essen für dich – du hattest ja noch nix zum Abendessen“ (weil die 5-Uhr-Mahlzeit ja üblicherweise das Mittagessen ist), aber diesmal bin ich mit 2 Falafel-Häppchen mit Hummus davongekommen und durfte dann aufgeben.

 

Übrigens habe ich es Mama Leena grade so richtig gezeigt! Die Nachbarin kam zu Besuch und Leena wollte angeben und hat mich die Tiere und Farben abgefragt (was natürlich einwandfrei geklappt hat) und dann hab ich zu Zeina in perfektem Arabisch gesagt „Ich möchte heute abend um halb 11 mit dir und Hammoudi zu den Wasserspielen in Sharjah gehen. Kommst du mit?“ Bäm! Und ich hab sogar Applaus gekriegt!


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