Alltag in Sharjah

Erfooolg: nach meiner dritten (oh Gott, erst die dritte??) Arabischstunde konnte ich gestern abend doch tatsächlich einwandfrei sagen "Er hat mit offenem Mund auf der Couch geschnarcht." Das kriegt Mohammad heute früh gleich mal ins Gesicht geschleudert, alle werden sich totlachen und bäm, hab ich mir erfolgreich die Liebe meiner Gastfamilie erkauft...

Al Majaz mit ohne Regen
Al Majaz mit ohne Regen

Es wird wirklich besser in den Stunden mit Mama Leena. Sie ist streng und sie lacht mich immer aus. Aber das ist schon okay, ich kenne halt komische Wörter. Gestern hat sie nach einem Wort gefragt, mit dem wir Possessivpronomen üben konnten. Ich sagte „shebsheb“ (Flipflop) und sie lachte nur und wiederholte ihre Frage. Naja…wir haben uns dann doch für die Sonne entschieden und haben durchdekliniert „meine Sonne, deine Sonne, unsere Sonne, …“     

 

hmm...vielleicht hab ich mich doch getäuscht damit, dass die Emiratis alle gut Englisch können
hmm...vielleicht hab ich mich doch getäuscht damit, dass die Emiratis alle gut Englisch können

Lesen klappt schon wieder einigermaßen, wobei einige Buchstaben einfach unmöglich sind. Die haben dreimal den gleichen Buchstaben, einmal mit Punkt oben, einmal mit Punkt unten, einmal ohne Punkt. Und das ganze dann irgendwie bei fünf verschiedenen Buchstaben. Dazu klingt vieles für das deutsche Ohr einfach gleich, weil wir keinen Unterschied hören zwischen dem H einen Zentimeter weiter vorne oder weiter hinten im Rachen. Morgens hab ich jetzt immer Halsweh, weil Mama Leena mir abends in der Stunde bei den gehechelten H-Lauten den Kehlkopf bedrückt, damit sie spürt wenn der Ton von der richtigen Stelle kommt.

Khaled Lagoon
Khaled Lagoon

 

Heute war gut, Zeina hat gelästert, dass Mama Leena ihr geflüstert hat, dass ich schnell lerne. Davon merke ich zwar selbst noch nix, aber immerhin. Es ist tierisch deprimierend, weil ich so viele Wörter gelernt hatte und die sogar nochmal wiederholt um meinen Wortschatz wiederherzustellen und jetzt ist doch die Hälfte der Wörter anders. Wenn wir am Lernen sind und ich sage zum G gee und nicht schee, dann schüttelt sie immer den Kopf und grummelt was vor sich hin, von dem ich nur „masri“ verstehe: „ägyptisch“.

wenn man schon mal Regen hat, wird auch gleich die Uferpromenade geschrubbt
wenn man schon mal Regen hat, wird auch gleich die Uferpromenade geschrubbt

Aber ich habe eine leise Ahnung, dass die Kids ihr gesagt haben, dass sie nicht so streng mit mir sein soll, denn gestern habe ich schon ganz viele „tamaam“ („perfekt“) bekommen, bevor sie mich dann verbessert wie es richtig heißt im Hocharabischen.           
Gestern hat die Frau von der Organisation angerufen und gefragt, ob alles gut sei. Ich sagte, alles super, nur halt soo viele neue Wörter auf einmal und Leena gibt mir immer die 10 Minuten, die sie zum Rauchen braucht, um die alle auswendig zu können. Dann meinte die nette Dame doch ernsthaft, ich soll nicht unbedingt auswendig lernen, sondern einfach ein bisschen zuhören und Slang mit meinen Gastgeschwistern reden. Äh…?

Empfangskommittee an der Al Qasba Promenade mit Blick zur Khaled Lagoon
Empfangskommittee an der Al Qasba Promenade mit Blick zur Khaled Lagoon

Mit dem späten Unterricht komme ich nicht so klar, aber das wird schon noch. Morgens ist sowieso anscheinend nirgends irgendwas los, also kann man ein bisschen länger schlafen. Nur ein bisschen doof ist das schon, wenn abends immer alles anzugucken ist, aber ich nur am Wochenende die Chance kriege, weil wir ja sonst um die Zeit Arabisch machen müssen.     

 

na wenn das nicht typisch Emirati aussieht...
na wenn das nicht typisch Emirati aussieht...

Dafür versteh ich mich mit Zeina richtig gut und mit Mohammad (genannt Hammoudi) auch, aber der arbeitet lang und ist kaum da. Beide sprechen super Englisch (allerdings ist das nichts besonderes in den Emiraten) und haben viel zu erzählen. Die Familie ist muslimisch, aber nicht sehr religiös. Niemand verhüllt sich, niemand springt um halb 5 morgens auf zum Beten und sie sind sehr offen gegenüber Ausländern. Wobei Mama Leena mich immer auslacht, z.B. weil ich meine Flasche Wasser lieber im Zimmer lasse und nicht in den Kühlschrank stelle („don’t be crazy, water needs to be cold“) oder weil ich noch nie mit Jogurt gekocht habe oder weil ich anfange zu weinen, wenn ich gezwungen werde, was scharfes zu essen (weil sonst müsste das ja der arme Hammoudi trotz seiner Diät aufessen). Aber das wird schon alles noch, wo ich doch soo ein schneller Lerner bin.

 

In Dubai war ich seit meiner Abfahrt von Farouk nur einmal gestern abend, da haben mich Hammoudi, Zeina und Freundin Ayah mit nach Downtown Dubai genommen. Auf dem Weg standen wir irgendwann hinter einem riesigen Mercedes mit Nummernschild „X 8“ und Hammoudi meinte, das ist auf jeden Fall ein Scheich gewesen, denn je kürzer dein Nummernschild, desto mehr Geld hast du dafür bezahlt.

Khaled Lagoon
Khaled Lagoon

Tolle Nummernschilder gibt es u.a. bei Auktionen zu ersteigern, die ab und an mal stattfinden. Da kostet allein die Teilnahme 25.000 Dirhams (ca. 5.000€) und so ein Nummernschild kann dann mal für 2 Millionen Dirhams (ca. 700.000€) ersteigert werden. Das bisher teuerste Nummernschild auf einer Auktion hatte die Nummer 5 und dafür hat der jetzige Besitzer stolze 25 Millionen Dirhams (ca. 6 Millionen€) hingeblättert! Das Auto gewinnt also an Wert und man kann so ein Nummernschild als sichere Geldanlage für die Zukunft betrachten.

mit Hammoudi, Zeina und Ayah in Downtown Dubai
mit Hammoudi, Zeina und Ayah in Downtown Dubai

Meine Gastgeschwister nahmen mich mit in eine syrische Shischa-Bar. Shisha-Rauchen wie auch Alkoholkonsum jeglicher Art ist in Sharjah komplett verboten. In Dubai wird allerdings Alkohol in Bars und einigen Restaurants ausgeschenkt und es darf Shisha geraucht werden. Ich bin ja kein Fan davon, aber mich störts nicht wenn andere was rauchen und es war echt nett, weil man mit Hammoudi richtig schön plaudern kann über Religion und Geschichte und was die Medien aus dem Islam machen, dass alle Europäer denken, alles islamische wäre schlecht.

Mir ist das ja extrem aufgefallen. Als ich nach Australien bin, haben alle gesagt „viel Spaß!“. Als ich auf die Cookinseln bin, von denen niemand irgendwas wusste, hieß es „woaaah geil!“. Als ich jetzt entschieden habe, nach Dubai zu gehen, habe ich vor allem „bist du sicher?“, „da ist doch überall Krieg“ und „lass dich bloß nicht erstechen“ gehört. Schade eigentlich, denn ich hab mich selten so sicher irgendwo gefühlt. Man kann ohne weiteres alleine als weiße Frau draußen unterwegs sein. Niemand schaut komisch, man sieht sogar auch ein paar der gläubigen Muslime Shorts oder knappe Kleider tragen, und es scheint wirklich eins der sichersten Reiseziele der Welt zu sein zur Zeit.     
Und obwohl man in Sharjah mehr Araber sieht als in Dubai und daher auch mehr traditionell gekleidete Araber, fühlt es sich doch alles irgendwie europäisch an. Ich könnte hier auch in Italien sein.

Sharjah Central Souq
Sharjah Central Souq

Ich bin fleißig an meiner Liste, was noch alles anzuschauen ist, und erstmal ist Sharjah dran. Mir bleiben immerhin noch ein paar Wochen und wenn ich mich erstmal ein bisschen auskenne, kann ich ja auch mal ohne Zeina hinfahren. Vorgestern war sie mit mir in Sharjah unterwegs und hat mir ihren Stadtteil Al Majaz gezeigt, der liegt an der Khaled Lagoon, einer Art See, der vom Meer abzweigt und da haben sie eine tolle moderne Uferpromenade gebaut. Im strömenden Regen war die allerdings nicht ganz so toll. Ja, es hat geregnet wir blöd gestern und weil das Abwassersystem unter den Straßen nicht so super ist, fällt bei Regen immer die Schule und die Arbeit aus, weil Leute nur mit Mülltüten bis zur Hüfte über die Straße waten können.

Seit Anfang des Winters hat es nicht geregnet in den Emiraten und Regen ist sehr wichtig für die Muslime. Zeina hat erzählt, dass es so trocken war, dass viele Moslems angefangen haben, gemeinsam für Regen zu beten und gestern hat es dann endlich geklappt. Jetzt ist es aber wieder trocken, also war es nur ein kleiner Schauertag und damit kann ich leben. Es wurde aber auch recht frisch und weil ich gar nicht für sowas ausgestattet bin, will ich lieber, dass es warm ist. Wobei ich ja eh bald nochmal nach Dubai muss zum Shopping ;)

Sharjah Central Souq
Sharjah Central Souq

Shoppen kann man auch in Sharjah; heute war Zeina mit mir beim Central Souq (Markt oder Basar), wobei der Name eher was open-air mit Stoffplanen als Dächern und drunter kleine Stände vermuten ließ, aber der Souq hier ist in zwei Markthallen mit vielen vielen kleinen Lädchen zu beiden Seiten. Eine ist komplett voll mit Läden, die Goldschmuck verkaufen. Die größte Kundschaft sind Männer, die heiraten wollen, denn als Brautgeld zahlt man entweder in Dirhams oder eben in tonnenweise Goldschmuck. In der zweiten Halle gibt es alles, vor allem auch viel Gefälschtes, laut Zeina aber Originale und Fälschungen im gleichen Laden, sodass man nie weiß was man bekommt und es soll wohl passieren, dass du dir was anschaust und dann der indische Verkäufer sagt „Ich habe das auch noch als Original“, dann nimmst du das Original für einen höheren Preis und im Endeffekt ist es doch die gleiche Fälschung…

Sharjah Central Souq
Sharjah Central Souq

So, jetzt muss ich mich an die Wiederholung meiner Verben setzen und die Tiernamen lernen. Und langsam wird es auch Zeit, dass ich endlich alle Buchstaben gescheit aussprechen kann. Wer mitmachen will, schaue sich bitte dieses nette Video zur Aussprache des Alphabets an http://youtu.be/TnlARJ0DvmI, mit dem ich den Großteil meiner Abende verbringe und was das erste ist, was mir morgens durch den Kopf geht… (und bedenkt, dass das nur die Grundform der Buchstaben ist – je nach Stellung im Wort werden sie anders geschrieben, also gibt es etwa doppelt so viele zu lernen).

 


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