Verkehrschaos auf Griechisch

Mein Verlangen nach frischer Seeluft und 3 Monate Stress in der Firma haben mich mal wieder aus der Heimat vertrieben. Nachdem ich im Mai von Camilla, einer halb-polnischen Schwedin, die Australisch redet und auf Kreta lebt, eingeladen wurde, war also klar: das nächste Land zum Abhaken auf meiner been-there-done-that-Liste heißt Griechenland.

Landebahn direkt am Meer
Landebahn direkt am Meer

Vom Flughafen Stuttgart ging es im knallgelben TUI-Flieger los über einen wolkenlosen Himmel und grandiose Blicke auf Hügel und Schluchten, ausgetrocknete Flüsse, Wälder und sogar einen leuchtend-pinken Salzsee irgendwo in Osteuropa, bis ich pünktlich zum Sonnenuntergang in der Hauptstadt Kretas, Heraklion, ankam.

 

 

Die Olivenhaine sind schon zu erahnen
Die Olivenhaine sind schon zu erahnen

Ich wurde vorher gewarnt, dass die Griechen momentan schlecht auf Deutsche zu sprechen seien, doch war das eigentliche Problem eher, dass ich kein Package-Reisender war. Man kommt also aus dem Flughafengebäude und fragt nach dem zentralen Busbahnhof, wo Camilla mich treffen wollte. Antwort: „Gehen Sie zum TUI-Schalter.“ Dort fragte man, zu welchem Hotel ich wolle und auf meine Aussage „Ich will nur zum Busbahnhof“ wurde ich fassungslos angestarrt und entsetzt gefragt „Sie haben keinen Transfer gebucht?!“ Also zum Kollegen für Non-Package-Touris und selbes Spiel von vorn und „Waaas? Kein Transfer?!“

 

Schließlich wurde ich vom vierten nicht sehr hilfsbereiten Info-Menschen zur Bushaltestelle für Uncoole geschickt, wo ich einen Fahrschein erstand und dann sogar auf Anhieb zum richtigen Bus gelotst wurde. Ich bat den Fahrer, mir an meiner Station Bescheid zu sagen und eine halbe Stunde später halten wir an einer Haltestelle, der Fahrer lehnt sich zurück und brüllt „der Halt vor diesem wäre deiner gewesen!“ Oh Mann…

mit Fußgängerwegen haben die Straßendesigner es hier nicht so
mit Fußgängerwegen haben die Straßendesigner es hier nicht so

Wenigstens sind die Kretaner ein sehr freundliches Volk (dem ich natürlich trotzdem nicht unter die Nase gerieben habe, dass ich deutsch bin) und jeder, dem ich über den Weg lief, erkannte mich sofort als Tourist und gab mir die Richtung vor. Camilla hat noch eine Stunde auf sich warten lassen (sie lebt halt den Aussie-Lifestyle) und ich hatte somit Zeit, dem Verkehr zuzuschauen. Das sind die ersten Erkenntnisse:

 

Motorroller dürfen alles! Sogar so tun als wären sie farbenblind und rote Ampeln überfahren, egal wie lange die schon rot sind. Als Autofahrer muss man offenbar extrem aufpassen, weil zu jedem möglichen und unmöglichen Moment ein oder mehr Roller dich von links, rechts, seitlich, vorne oder in zwei Reihen überholen könnten. Alle Autos, die sich nicht Taxis nennen, sind winzig und kompakt, sodass sie auch um die engsten Ecken der Altstadtgässchen passen. Wenn es doch mal knallt – keine Sorge, alles wird gut.

Heraklion
Heraklion

Wirklich so passiert: Ein junges Pärchen auf einem Roller, hintendran kommt ein Autochen angedüst, rammt den Roller, der kippt um, der Mann fällt nach rechts, die Frau nach links und der Roller auf sie drauf. Das Autochen hält an, schaut kurz in die Seitenstraße, wo ein Polizeiwagen parkt, schaut sich den Schaden am Auto an, zuckt die Schultern, gibt den Polizisten ein Daumen-Hoch und macht sich vom Acker. Der Mann steht auf, hebt den Roller auf, inspiziert den Schaden, zuckt die Schultern, gibt den Polizisten ein Daumen-Hoch, sitzt auf und braust davon. Die Frau steht auf, klopft sich den Staub vom Rock, schaut sich nach ihrem Kerl um, zuckt die Schultern und lässt sich von den Polizisten heimfahren.

Lion's Fountain, Heraklion
Lion's Fountain, Heraklion

Bis Camilla es endlich zu mir schaffte, war ich soweit drauf eingestellt, dass wir ohne größeren Unfall zum Hostel fanden – übrigens das erste in meinem Leben, das statt einer Küche einen einzelnen Kühlschrank hat. Einen Kühlschrank! Keinen Herd, keine Mikro, keine Spüle, nicht mal Geschirr oder Tische oder einen Löffel. Das 8-Bett-Zimmer hatte keine abschließbare Tür und das Haus selbst auch nicht. Die Griechen sind also sehr vertrauensvolle Leute – hoffe ich jedenfalls…

Glücklicherweise mussten wir es da aber nur eine Nacht aushalten, denn gleich am Morgen ging es zur Fähre und das Insel-Hüpfen konnte beginnen. Erster Stop: Santorini!

 

 

Santorini von weitem
Santorini von weitem

Vom Luxus der Business-Class konnten wir auf der Fähre nichts spüren – es war so voll und stickig und drängelig, dass wir die zweistündige Fahrt nicht wirklich genießen konnten. Aber dafür, dass Business nur 2 Euro teurer war als Economy und wir immerhin 4cm mehr Beinfreiheit hatten, wer will sich da beschweren?

Bei der Ankunft auf Santorini wurde das Chaos noch schlimmer, unseren Business-Status konnten wir vergessen und wurden genau wie die anderen im Schiffsbauch versammelt, wo wir alle gespannt mitverfolgten, wie sich die große Klappe zentimeterweise herabsenkt und gaaaanz allmählich den Blick freigibt auf die Horden plakatschwenkender Hotel-Vertreter, die auf ihre Gäste warten. Kurz kamen wir uns vor wie die Auswanderer, die damals in engsten Verhältnissen ausharren mussten, bis sie endlich das Land ihrer Träume sehen durften. Endlich draußen begleiteten unsere Riesentruppe Touristen vier Polizisten mit Trillerpfeifen, die uns voranmarschierten und Druck machten, dass wir nicht zu nah an die Hafenkante traten oder rannten oder zu langsam waren oder unsere Hüte in die Luft warfen und „Heureka!“ brüllten.

 

In einem unglaublich zuckeligen alten Kleinbus wurschtelten wir uns hinter den hunderten anderer Autos ein und schlichen in einem gigantischen Korso die Serpentinen-Straße den Berg hoch zur Hauptstadt Fira, auch geschrieben Thira und nicht zu verwechseln mit dem Ort Thera. Sowas gibt es relativ oft, weil die griechische Schrift nicht eins zu eins ins Latein übertragen wird und jeder alles ein bisschen anders schreibt und spricht. So ist Kretas Hauptstadt Heraklion auch bekannt als Heraklio, Iraklio, Iraklion oder Irakleo. Und dann hört sich sowieso alles immer so gleich an. Ein bisschen kompliziert ist das schon.

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