Tupperparty mal anders

Verkaufsveranstaltungen sind mir ja weiß Gott nicht gänzlich unbekannt. Seit meinen frühen Teenagertagen war ich stets Teil der aufgeregten Menge Hausfrauen, die sich in regelmäßigen Intervallen im Wohnzimmer meines Elternhauses versammelte um sich gespannt und höchst hibbelig auf die Präsentation der neuesten Kollektion von Plastikdosen, Plastikbechern, Plastiktellern, Plastikbesteck, Plastikkannen, Plastikbackformen, Plastiktiefkühlboxen, Plastikauflaufformen und Plastiksalzstreuern zu freuen. Das lief dann meistens so oder so ähnlich:

Während die nette Verkaufsvertreterin ihre Taschen aus dem Auto holt und sortiert, wird dezent nach Salzstangen und Käsegebäck auf dem Sofatisch gegriffen, am Wein genippt und auf höchst zivilisierte Weise der neueste Klatsch der Nachbarschaft ausgetauscht. Während die nette Verkaufsvertreterin den Esszimmertisch mit einer hübsch gemusterten Tischdecke mit magentarotem Schriftzug bedeckt, lernen sich jene Anwesenden kennen, die sich noch nicht von früheren Treffen dieser Art kennen.

 

Während die nette Verkaufsvertreterin ihre Taschen aufmacht und große Kunststofftüten mit mehr Kunststoff drin rauszieht, werden die ersten Hälse gereckt und die jahrelangen treuen Kunststoffbegleiter mit kaputten Scharnieren oder angeknackten Verschlüssen aus den geräumigen Handtaschen gezogen. Während die nette Verkaufsvertreterin den betischdeckten Esszimmertisch über und über mit nützlichen Haushaltsergänzungen aus Kunststoff in den verschiedensten Farben vollstellt und eine Art Mini-Stadt aus Döschentürmen, Besteckfächern, Tellerstapeln, Silikonformbergen und Dosenpyramiden baut, gehen die ersten inneren Monologe darüber los, ob man vielleicht seine rostige von der Oma geerbte 20cm-Kuchenform gegen eine knallrote herzförmige knetbare Silikonbackform mit Anbrennschutz austauschen sollte.

 

Während die nette Verkaufsvertreterin mit ihrer Begrüßung anfängt, werden die Augen groß, die Ohren lang und die Finger, die dezent nach Salzstangen und Käsegebäck auf dem Sofatisch greifen wollten, bleiben in der Luft hängen ob der schieren Unwichtigkeit solcher Banalitäten, während es doch solch vollkommene Perfektion auf dem Esszimmertisch zu bestaunen gibt.


Während die nette Verkaufsvertreterin ihre Begrüßung mit dem Satz vollendet „Heute gibt es als Willkommensgruß den Mini-Wunderfrisch Plus in hellgrün“, spaltet sich die anwesende Menge der aufgeregten Hausfrauen in jene, die vor lauter Freude fast vom Sofa fallen, und jene, denen einfällt, dass genau dieser Mini-Wunderfrisch Plus schon in einer Ecke des Küchenschrankes steht.

 

Während die nette Verkaufsvertretin den Abend zu einem Crescendo sich überbietender Auftritte von Kunststoff-Haushaltsergänzungen macht, die eigentlich niemand braucht, aber doch jeder will, wird die Willenskraft zu widerstehen von Minute zu Minute geringer und die Angst vor einem platzenden Küchenschrank steigt. Während die nette Verkausvertreterin sich dezent in den Hintergrund schleicht, wird die Kunstoff-Stadt des Essezimmertisches von gar nicht mehr dezent grabschenden Händen der anwesenden Menge aufgeregter Hausfrauen in Sekundenschnelle zerstört, die Stimmen erheben sich, im Kopf wird gerechnet und der Preis dabei abgerundet um den Schock zu verringern.

 

Während die nette Verkaufsvertreterin sich bedankt und mit einem Lächeln auf dem Gesicht von dannen zieht, strömt eine Menge aufgeregter Hausfrauen aus der Tür meines Elternhauses und verläuft sich laut diskutierend in die Nachbarschaft, nur um den neuen Mini-Wunderfrisch Plus in hellgrün in der nächsten Saison durch einen Mini-Wunderfrisch Plus in blassviolett auszutauschen.

 

So oder so ähnlich läuft das also bei einer Tupperparty in der guten alten Heimat ab. Nun bin ich hier ja nicht in der Heimat und auch, wenn ich den Kulturschock nicht wirklich gespürt und daher schnell überwunden habe, gibt es doch die eine oder andere Situation, die ganz neu für mich ist und in meinem Leben noch keine Routine hat wie die Menge aufgeregter Hausfrauen. Tupperdosen sind hier eher Mangelware, denn die Konkurrenz aus Australien und Neuseeland ist günstiger und oftmals kratzfester, was beim Gebrauch auf hoher See und am Strand und beim Gebrauch durch Haushunde und –katzen deutlich zugutekommt.

 

Hinzu kommt, dass ein Tuppervertreter aus Neuseeland eine ziemlich lange und anstrengende Anfahrt auf sich nehmen müsste, bis er mal hier wäre und ich bezweifele, dass Air New Zealand sonderlich begeistert wäre von einem A380, dessen Gepäckraum zur Hälfte von Plastikdosen belegt wird. Das passt also vorn und hinten nicht und ich will ja auch gar nicht auf die Cook’schen Tupperparties raus, sondern auf was viel lustigeres, was sich vor einigen Tagen im Büro ereignet hat:

 

Als Mumma Mousie in die Runde rief „Ich habe gehört, Victoria’s Secret kommt heute vorbei!“ wurden alle ganz aufgeregt und jedes Telefon, das klingelte, hatte eine komplette Stille im Büro zur Folge, während derer alle nicht-Telefonierenden versuchten, zu lauschen.


Als Jeri ihren Hörer auflegte und brüllte „Victoria’s Secret kommt wirklich!“ rannten alle los zu ihrem Auto, um auch noch das letzte verfügbare Kleingeld zusammenzusammeln, denn Victoria’s Secret ist ja bekanntlich teuer. Seltsam, dachte ich, da kommt jetzt einer und vertickt hochwertige Unterwäsche bei uns im Büro? Das konnte ich mir ja nun beim besten Willen nicht vorstellen. Und wie die hochschwangere Mos bei der Anprobe in eins dieser winzigen Höschen reinpassen sollte, war mir auch schleierhaft.

 

Als „Victoria’s Secret“ (aka Firmenfreundin Maria) dann endlich zur Tür reinkam, sprangen alle meiner Kolleginnen auf, außer Mii, die nur müde den Kopf schüttelte. Es stellte sich heraus, dass Maria keine Dessous, sondern Körperpflegeprodukte mitgebracht hatte. Weil es die nur in Neuseeland gibt, bringt sie jedes Mal wenn sie rüber fliegt (also in unregelmäßigen Abständen mit Monaten dazwischen) eine Kiste mit Parfüm, Körperlotion und so weiter mit, um das sich dann alle kloppen. Es war wirklich ein höchst faszinierendes Spektakel und fast habe ich mich geärgert, dass ich keine anthropologische Beobachtung mehr für die Uni zu dokumentieren hatte.

 

Als die Damen aus den anderen Abteilungen auch Bescheid wussten, zwängten sich siebzehn Verehrerinnen des guten Duftes um die arme Maria, probierten diesen Duft und jene Creme, sprühten hier und schmierten dort, rochen am Arm der Nachbarin und brüllten durch die Gegend, jede darauf bedacht, ja nichts aus der Hand zu legen, was in die nähere Auswahl kam. So hatte Shannon irgendwann so viele Fläschchen, Flakons, Tuben und Döschen in den Armen, dass sie keine Hand mehr zum Sprühen und Schmieren übrig hatte und dann doch wieder alles ablegen musste und sich zum Schluss mit dem am wenigsten verführerischen Duft, der übrig blieb, zufrieden geben musste.

 

Nach zwölf Minuten des Drängels, Schreiens, Hauens und Kratzens war das Spektakel wieder vorbei und Jeri sah mich entsetzt an und schrie „Oh nein Taaans – jetzt hast du‘s verpasst!“ Ich hätte also tot umfallen können und keine Sau hätte es überhaupt mitbekommen!


Wenigstens weiß ich jetzt, dass ich auf jeden Fall wieder in dieser Abteilung arbeiten dürfte, wenn ich nur in Aussicht stelle, ganz viel Gedöns mitzubringen, das niemand braucht, aber jeder will, und das es nur in größeren Zivilisationen gibt, als in dieser hier. Wir sind hier halt doch weit ab von allem, wer kann es ihnen also verübeln.

 

Ich bin ganz verblüfft, dass ich so viel aus meinen Erinnerungen an Tupperparties herausholen konnte …vielleicht sollte ich anfangen, meine Memoiren zu schreiben…
Seid ihr jedenfalls mal froh, dass ihr einfach mal eben in die Stadt geht oder fahrt und alles bekommt, was ihr braucht – hier muss man warten, bis irgendein aufopfernder Mensch tonnenweise Parfüm kauft, in der Hoffnung, es an die Einheimischen verhökern zu können.

 

Das selbe Spiel gibt es übrigens mit Klamotten. Flohmarkt macht man hier nicht draußen auf dem Markt oder im Garten – nein, man bringt seinen alten Kram mit ins Büro und legt ihn in der Küche aus, schreibt eine Mail an alle Kollegen und geht mit viel viel Geld nach Hause. Doof, dass ich meine Klamotten noch mag. Aber in meine Hosen würden die Polynesian Mummas vermutlich eh nicht reinpassen ;)

 

Sodele, mein Geschreibsel geht heute hinaus in die weite Welt mit einem Gruß an alle aufgeregten Hausfrauen, die auch so verrückt nach kleinen bunten Plastikdöschen sind, und all jene, die es mal werden wollen. Außerdem sende ich einen besonders herzlichen Gruß an Kerstin und ihre Jungs für jahrelange Unterstützung bei besagten Events in meinem Elternhaus.


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