A Night on the Town

So langsam gewöhne ich mich doch hier ein. Die Arbeit läuft mittlerweile fast wie von selbst und ich bringe es so gut wie jeden Tag fertig, meine letzte Buchung um Punkt 16 Uhr durchzuhaben. Eine gewisse Routine stellt sich also langsam ein und ich finde mich auch mit dem Rad ganz gut zurecht.

Daheim in meinem Bunker fühle ich mich wohl, auch wenn mir der Gasherd immer noch leicht suspekt ist. Ich koche also meist mit der Mikrowelle oder esse nur Obst. Das gibt’s immer samstags vom Markt. Und ein bisschen freue ich mich doch, dass ich es noch nicht geschafft habe, meinen Scooter-Führerschein zu machen. So komme ich wenigstens ab und zu mal zu ein bisschen Bewegung, was auch dringend nötig ist nach 7 Stunden im Büro sitzen, auf einem Stuhl, der zwar bequem ist, aber sich nicht aufrecht stellen lässt, also liege ich immer halb am Schreibtisch und irgendwie ist das nix.

Blick vom Berg
Blick vom Berg

Da hilft es, dass ich ab und an noch vor Ärger aufspringen und meinen Computer anschreien kann, manche Kunden sind einfach echt bescheuert. Die Tage kam eine Mail von Amber mit der Bitte zu übersetzen. Hat Dertour (einer unserer großen Kunden in Deutschland) doch tatsächlich ein Beschwerdefax geschickt. Erstens über eine Reise, die schon ein Viertel Jahr zurückliegt. Zweitens auf Deutsch. Wer kommt denn auf so nen Mist?!

 

Übrigens hat sich herausgestellt, dass man seine Abkürzungskunst ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter ausbauen kann. In unserer Abteilung brauchen wir immer dieselben Wörter in Buchungsbestätigungen und –anfragen und die kleine Kostprobe von letztens hat so gut wie alle drin. Hier übrigens die Auflösung, die ist bei dem Chaos vom letzten Blog aus meinem Kopf gefallen.
(KIA ORANA RES, BKG KKD AS RQSTD 4 1x2BRM BFR BGL & 1x SPR LGV GRD RM INCL TPL BFST. CRTLY WTG 4 HTL CFN. PLS ADVS DTLS 4 INTL FLT 2 RAR 4 RTN TRF BKG & AIT ACC DTLS. PLS INF IF CLTS RQR A/C IN BRMS & IF ECI OR LCO IS RQRD. TKS, TAN.) Im Fließtext heißt das so viel wie:

Punanganui Market am Samstag
Punanganui Market am Samstag

Kia Orana [Maori-Gruß] dear people of the Reservations department, your booking is confirmed as requested for one 2-bedroom beachfront bungalow and one superior lagoonview garden room including tropical breakfast. We are currently waiting for all hotel confirmations. Please advise details for international flight to Rarotonga for return transfer bookings and Aitutaki accommodation details. Please inform us if clients require airconditioning in the bedrooms and if an early check-in or late check-out is required. Thanks, Tanja.

 

Mit einigen unserer Kunden unterhalte ich schon eine sehr nette e-Mail-Beziehung. Zum Beispiel mit Sarah aus Melbourne, die einige Probleme mit einem Kunden hatte, und der ich als tolle Angestellte natürlich alles Wichtige abgenommen habe und nach ganzen zweieinhalb Wochen heute endlich ihre Buchung fertig machen konnte. Dann gibt es noch Anja aus Münster, die sich sicherlich schon fragt, wieso ich eigentlich nicht auf Deutsch mit ihr schreibe, aber das darf ich nicht, denn alle Korrespondenz muss für zukünftige Rückfragen verfügbar sein und wenn ich dann nicht mehr da bin, versteht’s ja kein Schwein ;)

Spül-Kumpel
Spül-Kumpel

Meine Geckos fühlen sich noch wohl bei mir. Langsam entwickele ich den Blick dafür, wo einer sitzen könnte und mache jetzt immer alle Schränke, Fenster und Türen ganz vorsichtig auf, nachdem mir schon dreimal einer entgegengefallen ist und wir uns beide halb zu Tode erschrocken haben. Ich blieb wenigstens auf den Füßen, der arme Kerl, der da immer von der Scheibe fällt, wenn ich plötzlich auftauche…
Seit Garry habe ich nicht nur meinen Echsenkindergarten, sondern auch mindestens drei ausgewachsene mächtig fette Geckos, die immer auf meiner Klimaanlage chillen und tierisch abgehen, wenn sie mich sehen. Die Kleinen sind da irgendwie gemütlicher. Außerdem verkehren ein-zwei hübsch bunt-gestreifte schmale Echsen (ohne Saugnapffüße) auf meinem Küchenboden. Aber solange sie am Boden bleiben und nebenbei auch noch die von mir totgesprühten Moskitos und Fliegen aufräumen, ist mir das ganz recht.
Nur gegen die großen fies aussehenden Fliegviecher wissen die mir auch nicht wirklich zu helfen. Keine Ahnung, was das für Dinger sind – ein ziemlich schlechtes Bild habe ich angefügt, da sieht man den Hintern, der an einer dünnen Verbindung hinterm Körper herwedelt. Immer wenn ich die sehe, denke ich „Stock im Hintern?“

kreativ angepasstes Kinoticket
kreativ angepasstes Kinoticket

Am Wochenende war ich zum ersten Mal hier „out on the town“. Eine Kollegin hatte per Mail eingeladen zum Kinofilm „Life of Pi“ (übrigens höchst empfehlenswert in meinen Augen). Hier läuft das folgendermaßen. Eine Gruppe oder ein Verein braucht Geld, dann wird das Kino und ein Film gemietet und der Erlös der Tickets geht an den Verein. Die Leute von Ngakau Toa Vaka, dem örtlichen Ruder-Verein haben das Kino am Freitag gemietet für etwa 1000$. Der Film wurde zwei Mal gezeigt, ein Ticket kostete 10$. Mit 300 Plätzen im Kinosaal kam da wohl schon ordentlich was zusammen. Schreibtischnachbarin Tahei hat mich um halb Sechs abgeholt mit ihrem kleinen Sohn TJ, dann gab es was zu futtern und ne Tüte Popcorn für 4 Dollar, bevor der Film losging. Die Ruderfreunde waren ganz kreativ und haben auf dem Ticket das Filmplakat gephotoshopt und dem nackten Oberkörper von Pi ein Vereins-Shirt angezogen und im Hintergrund eins ihrer Ruderboote vorbeirudern lassen.

Avarua Movie Theater
Avarua Movie Theater

Das winzige Kino war nicht ganz voll, aber es waren sooo viele kleine Kinder da, de natürlich nicht stillsitzen konnten. Der Boden im Kinosaal war schon ziemlich morsch und ist am anderen Ende des Saals einer die Treppe runtergegangen, hab ich das in meinen Füßen gespürt. Die Sitze ließen auch zu wünschen übrig, ich will gar nicht wissen, wie viel Popcorn sich da in den Löchern im Polster verkrochen hat. Ich saß den ganzen Film über extrem still, weil ich mich nicht traute, den Winkel der Sitzfläche zur Lehne zu ändern, aus Angst ich würde dann nie wieder aufstehen können.
Hier gibt’s im Kino tatsächlich noch eine Halbzeitpause, wo der Film einfach angehalten wird und jeder brüllt, weil er denkt, der Film wär gerissen. :D

Ich hab gewonnen!!
Ich hab gewonnen!!

Das absolut coolste Erlebnis seit ich hier bin hatte ich heute während der Arbeit. Das Radio lief (das, wo wir im Büro nur einen Sender klar bekommen und wo stundenlang derselbe Kerl moderiert) und jeder summte so mit und kümmerte sich um seine Arbeit, als plötzlich Jeri aufsprang und sich dicht vors Radio kauerte und total zappelig wurde. Dann schnappte sie sich Shannons Handy und starrte auf die Boxen, als würde der Moderator so schneller reden. Grund für die Aufregung: es gab Essen zu gewinnen. Und dafür musste man nur ein Lied erkennen. Die ersten Töne waren zu hören und ich erkannte sofort „Snow“ von den Red Hot Chili Peppers. Jeri jammerte „ooooh, wie heißt das Lied, wie heißt das Lied?“ Als ichs ihr gesagt habe, hat sie mir erst nicht geglaubt, es dann aber doch in die SMS getippt und zum Radio geschickt. Erst danach sagte sie mir, sie hätte meinen Namen reingeschrieben. Die Auflösung folgte, allerseits freut man sich, dass ich es tatsächlich wusste und kurz später: „I don’t know why I choose her, but I will go with our winner TANJA FROM GERMANY, NIKAO!“ Wahnsinn! Ich hab gewonnen!! Dabei gewinne ich doch nie was! (Außer vor zwei Jahren eine Island-Flagge auf der Messe in Stuttgart)

Avarua Port (das ist so ziemlich der größte Tiefgang, der im Hafen Platz hat)
Avarua Port (das ist so ziemlich der größte Tiefgang, der im Hafen Platz hat)

Gewonnen hatte ich einen Gutschein für eine Waffel bei der Waffle Shack auf dem Marktgelände und den Gutschein muss man am Studio abholen. Also hat Jeri mich hinten auf ihren Roller geladen (Premiere für mich – ich hab die ganze Fahrt lang gegrinst) und ist mit mir in die Stadt gedüst. Das Radiostudio ist hinter dem Kino, ein winziges Schild hängt am Gebäude und eine steile Treppe geht es hoch. Jeri schickte mich hoch und oben stand ich dann in einem winzigen Raum mit einem winzigen Schild, das mir sagte, ich solle bitte nicht ins Studio treten, wenn das „On Air“-Schild leuchte. Die „On Air“-Lampe genauso winzig und der Gang zum Aufnahmeraum abgesperrt mit einer groben Kette zwischen zwei Haken in der Wand. Na, so hatte ich mir das beim Radio nicht vorgestellt. Nur durch eine dünne Wand von mir getrennt saß GeeDub, der Moderator und hörte sich genauso an wie im Radio. Na sowas!

 

Als die Leuchte ausging, schrie ich in bester Kiwi-Manier „Hellooouu?“ und eine originale Radiostimme rief mich rein. Und dann stand ich plötzlich in einem echten Aufnahmeraum mit Mikro und Platten und allem. Voll cool! Und ein arg tätowierter arg langhaariger arg braungebrannter GeeDub vom 88fm Boom Boom Radio grinst mich an. Gleich wie sich das gehört ein bissl in Smalltalk verwickelt worden, ob ich wirklich aus Deutschland komme oder das nur geschrieben habe, damit ich gewinne, ob ich weiß wo die Waffle Shack ist, und – die größte Frage überhaupt – was macht denn eigentlich dieses J in meinem Namen?
Sehr coole Erfahrung, ich wünschte, ich hätte meine Kamera dabei gehabt um den Moment festzuhalten, an dem ich im Rarotongaer Radio berühmt wurde. Doof…

Jedenfalls bin ich dann als große Helden mit einem an der Waffel…äh, mit einem Waffelgutschein zurück ins Büro geschwebt und durfte sogar meine Mittagspause um 10 Minuten verlängern, damit ich gemütlich in die City radeln und meine Waffel abholen konnte. Der Waffelheini in der Waffle Shack hat sich tierisch gefreut und bereitwillig ein Foto gemacht, wie ich da tierisch happy meine megaleckere Waffel mit Eis und Himbeersoße entgegen genommen habe. Und wie Jeri mir schon gespoilert hatte, es WAR die beste Waffel, die ich jemals auf Rarotonga gegessen habe! Auch wenn ich das komisch Gefühl habe, dass sie wahrscheinlich so gut war, weil frittiert – wie scheinbar alles andere hier auch…naja…was solls. Jedenfalls war ich dann ohne Frühstück und ohne Mittagessen nur mit meiner Waffel bis abends pappsatt und warne meine lieben Eltern schonmal vor: Den einen Samstag, den ihr hier seid, werden wir dort frühstücken, mittagessen und Kaffee trinken!! :P

Insgesamt hatte ich also eine tolle Woche – war sogar einen Abend am Strand um meinem Lieblingspapa einen Geburtstagsgruß in den Sand zu schreiben (aber das war eigentlich nur Ausrede…) und habe mal ein paar Fotos von Strand und Meer gemacht. Schade, dass auf den Bildern leider die Wolken weniger wolkig, der Himmel weniger knallig und das Wasser weniger strahlend aussehen…aber vielleicht bekommt ihr einen Eindruck. Und weniger Schnee und mehr Grade als daheim sieht man auf jeden Fall!

 

PS: Übrigens…egal, was grad mit Papst etc in Europa abgeht – die wichtigste Neuigkeit der Woche ist hier immer noch der Frachter Victoire, der im Hafenbecken stecken geblieben ist und laut Zeitung gestern eine tobende Meute aufgedrehter Schaulustiger herbeigeholt hat :D
DAS sind noch Nachrichten!


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