Simbas Sippe

Wenn man von einer Anhöhe schaut, wird es gleich ganz deutlich: wo sich die Jeeps schon fast stapeln, gibt es irgendwas cooles zu sehen. Elefanten wären eine gute Wette oder irgendeine Katze. Alle stehen auf die Katzen der Steppe und mehrfach hielt George irgendwo an oder fuhr in Schrittgeschwindigkeit, um ganz angestrengt in die Gegend zu schauen. Zu Beginn hieß es dann öfters „da soll iiiirgendwo ein Löwe rumlaufen“, den man dann aber doch nicht gefunden hat.

auch ohne große Mähne ziemlich majestätisch
auch ohne große Mähne ziemlich majestätisch

George hing immer am Funkgerät und weil Mama so eine gute Zuhörerin ist, hat sie gleich am zweiten Tag rausgehört „Simba, Simba“ und daraus geschlossen, dass es um Löwen gehen könnte. Denn anders als bei Pumba, ist der Name Simba im König der Löwen tatsächlich einfach das Swahili-Wort für das Tier, das es bezeichnet. Im Nashorn-Reservat, wo wir die beiden kleinen Löwen gefunden hatten, hat man George am Funkgerät entsprechend ganz aufgeregt über „Simba-Mama“ reden hören, weil die Löwenmutti zuerst unauffindbar war.

In Samburu fanden wir direkt am zweiten Abend eine Familie Löwen, die sich ganz entspannt an einem kleinen Bachlauf für die Nacht einrichtete. In großen Löwengruppen sieht man wie so oft im Tierreich nur die weiblichen Tiere und Jungtiere, denn die Männchen sind meist Einzelgänger. Gejagt wird in der Gruppe, wenn man denn eine Gruppe hat. Und weil der Löwe eins der stärksten Tiere in der Savanne ist, hat er meist Vorrang beim Fressen, weil sich keins der anderen Tiere dran traut. Daher auch der Begriff „Löwenanteil“, der größte Teil geht an den Mächtigsten.

absolut ungestört von den Blechbüchsen
absolut ungestört von den Blechbüchsen

Wie bei den Elefanten auch wird man ziemlich ignoriert und die Simbas machen eben ihr Ding, egal wer ihnen dabei zuschaut. Ich war überrascht, dass sie uns sogar den Rücken zugewandt haben – offensichtlich sind sie so an die Jeeps der Ranger und Touristen gewöhnt, dass sie nichts zu fürchten haben. Und essen kann man uns in so einer großen Blechdose eben auch nicht, also sind wir nicht von Interesse. Ich hätte der ersten Löwenfamilie stundenlang zuschauen können, denn sie sind wirklich einfach große Katzen: sie schmusen und dösen und strecken sich und räkeln sich ganz wunderbar lässig. Nicht mal wirklich geschützt lagen sie da rum, denn wenn die Mittagshitze rum ist, liegt es sich im offenen Grasland wohl besonders warm und gemütlich. Es ergibt auch Sinn: wenn keine Büsche und Bäume außenrum sind, können sich Feinde in der Nacht weniger gut anschleichen. Kleine Simbas sind natürlich wie alle Tierkinder recht leichte Beute für Bösewichte wie Hyänen, wenn die Simba-Mamas nicht gut auf sie aufpassen.

"Maaamaaaaaa, spiel mit mir!"
"Maaamaaaaaa, spiel mit mir!"

Wenn man tagsüber auf eine Gruppe Löwen stößt, liegen sie auch meistens rum, außer sie waren grade jagen. Wie bereits erwähnt, schaut man dann am besten nach den Geiern im Baum oder den Hyänen, die rumstromern, um etwas klauen zu können. Aber sonst sind wirklich die Jeeps der beste Löwen-Indikator und so haben wir einmal am späten Nachmittag eine Gruppe rumliegen sehen - perfekt aufgereiht im schmalen Schattenstreifen, den ein einzelner Baum in der tiefstehenden Sonne geworfen hat. Wenn sich mal einer bewegt, dann nur, um was trinken zu gehen oder ausgiebig zu gähnen oder sich ganz genießerisch auf die andere Seite zu drehen. Und manchmal einfach, um mit jemandem kuscheln zu können. Das tun sie gern, vor allem die Jungen. Einen haben wir gesehen, der hat versucht, die Mama aufzuhalten und nach ihren Beinen gegrapscht, als sie aufgestanden ist. Und ein anderer hat seine Mutti so lang genervt, bis die ihm die Zähne gezeigt hat - daraufhin hat er ihr eins mit seiner Puschelpranke über die Schnauze gegeben und sich enttäuscht wieder umgedreht.

Ob er drüber nachdenkt, uns vielleicht doch fressen zu können?
Ob er drüber nachdenkt, uns vielleicht doch fressen zu können?

Wenn man so gebannt irgendwo hinstarrt und drauf wartet, dass irgendein Tier was total faszinierendes (wie gähnen oder strullern) tut, vergisst man gerne mal die Zeit. Gut, dass wir George dabei hatten und der immer einen Blick auf die Uhr hatte. Denn um im Dunkeln im Reservat unterwegs zu sein, braucht man eine spezielle Genehmigung, damit auch jemand weiß, dass da noch Leute unterwegs sind. Außerplanmäßig nach Sonnenuntergang in der Savanne unterwegs zu sein ist nicht so cool, also versuchen alle immer, möglichst vor Einbruch der Dunkelheit im jeweiligen Camp zu sein. Und der Einbruch geht schnell! Weil man so nah am Äquator ist, sind Tag und Nacht fast gleich lang, also jeweils etwa 12 Stunden. Dämmerung gibt es so gut wie gar nicht und innerhalb einer halben Stunde geht der Himmel von leicht sonnenuntergänglich zu pechschwarz über.

Eindeutig Zeit fürs Bett
Eindeutig Zeit fürs Bett

Als wir neben einer der schlafenden Löwenfamilien standen und schon fast am Aufbrechen waren, um noch pünktlich zum Camp zu kommen, winkte uns ein anderer Jeepfahrer heran. Er hatte Motorschwierigkeiten und brauchte Starthilfe. Was im Normalfall eine ganz alltägliche Situation ist, wird ziemlich aufregend, wenn man es in Gesellschaft einer Horde ausgewachsener und halbstarker Löwen erlebt. Üblicherweise würde man einfach aussteigen, ein Startkabel anbringen, vielleicht schiebt jemand das Auto von hinten an oder von draußen vor der Fahrertür. Aussteigen ist aber eher unklug, wenn man Gefahr läuft, als Betthupferl verspeist zu werden. Denn ohne unsere Blechbüchse sind wir halt doch nichts anderes als eine Gazelle auf zwei Beinen - und dazu auch noch langsamer und weniger gut zur Flucht ausgestattet.
Aber George und seine Kollegen scheinen auf alles vorbereitet zu sein und immer eine Lösung zu finden. Ein dritter Jeep stellte sich als Sichtschutz zwischen die Löwen und uns, George fuhr rückwärts an den Problemjeep heran und wir schoben ihn im Rückwärtsgang Heck an Heck an. Wie gut, dass alle Ersatzreifen hinten dran hängen haben, so war die Polsterung kein Problem, es ruckelte nicht allzu schlimm und wir konnten alle heil aus der Situation entkommen.

Sonnenaufgang über Samburu
Sonnenaufgang über Samburu

Drei mal waren wir auch im Dunkeln unterwegs, davon war einmal unbeabsichtigt, weil wir tagsüber im Stau standen. Verkehr läuft generell recht zivilisiert, jedenfalls wenn man die Augen zu hat, denn es hupt und quietscht praktisch nie. Wenn man hinschaut, sieht es teilweise aber ganz anders aus. Auf einer Schnellstraße mit je einer Spur in jede Richtung fuhren auch mal vier Fahrzeuge nebeneinander - in die gleiche Richtung! Wenn man überholen will, haut man den Blinker rein und nimmt ihn nicht wieder raus, bis man sein Manöver geschafft hat. Wenn man einfach als erster irgendwo ankommen will, lässt man den Blinker einfach permanent drinnen. Oder wenn man eigentlich rechts überholen wollen würde, da aber unverschämterweise der Gegenverkehr entgegenkommt, blinkt man weiter rechts, überholt aber links über den Standstreifen. Wer klein und schlank ist, fährt am besten gleich ganz außen oder fädelt sich rechts, links oder durch die Mitte durch den Verkehr. Sehr aufregend. Und gut, dass wenigstens die Straße dort gut war, sonst wäre das eine noch viel stressigere Sache geworden.

Aber zurück zur Nacht in der Savanne. Eigentlich ist super viel los, sobald es dunkel wird. Viele Tiere jagen in der Dämmerung oder sind komplett nachts aktiv und man würde denken, dass man noch viel mehr sieht als tagsüber. Dem ist aber nicht so. Bei unserem Transfer zum Ballon-Abfahrtplatz sahen wir absolut nichts entlang der Straße. Erst bei unserer nächtlichen Pirschfahrt gab es ein bisschen was zu gucken. Dafür fuhren wir erst nach dem Abendessen los, wo es schon richtig schön dunkel war und hatten einen "Spotter" dabei. Der stand auf dem Beifahrersitz neben George, schaute oben aus dem offenen Dach raus und leuchtete mit einem gigantischen Scheinwerfer in die Nacht hinaus. Nur zwei Hyänen sahen wir und ein paar Zebras, dafür aber ganz viel Kleinvieh. Hasen und Kaninchen gibt es in der Savanne, aber dann eben auch die etwas exotischeren, die man nicht aller Tage sieht, wie Mangusten, einen Honigdachs und ein besonders niedliches Ding namens Känguruhratte, das total putzig durch die Nacht hüpft.

Suchbild (wir suchen den Leoparden)
Suchbild (wir suchen den Leoparden)

Zurück zu den Miezekatzen. Da blieb es natürlich nicht bei den Simbas. Löwen wirken schon fast alltäglich, wenn man irgendwann tatsächlich den lang gesuchten Leoparden vor einem stehen hat. Ähnlich wie bei den Giraffen dachte ich immer, dass Leopardenfell doch eigentlich nicht wirklich gut zur Tarnung geeignet ist. Aber tatsächlich fällt hauptsächlich die weiße Schwanzspitze auf, wenn so ein gepunkteter Kater durchs hohe Gras spaziert. Viele Tiere sehen ja auch nur in schwarz-weiß - so sind zum Beispiel braun-schwarze Tiger in Asien auch ziemlich perfekt im grünen Dschungel-Dickicht getarnt, obwohl man das gar nicht glauben würde.

Irgendwie ja noch imposanter als die Simbas
Irgendwie ja noch imposanter als die Simbas

Einen Leoparden gab es auf freier Flur, der zweite war aber noch viel besonderer. Bzw. war es wohl in der Tat der gleiche Leopard nochmal - das habe ich aber erst später auf den Fotos gesehen, dass beide Tiere an der gleichen Stelle eine Verletzung hatten. Die zweite Sichtung brachte uns direkt vor einen Baum. Weil ich den Platz vorne links hatte, konnte ich immer recht früh vorne raus schauen, wo meine Mitfahrer noch nicht die freie Aussicht hatten. Der große Kamera-Zoom tat den Rest, sodass ich dann irgendwann auch entdecken konnte, was George schon längst gesehen hatte. So war es auch beim zweiten Leoparden. George sagt "Ah, da ist der Leopard", wir springen alle auf und schauen wie blöd in der Gegend rum, alles was wir sehen: ein Baum. 
Erst ganz nah ranfahren oder von weiter weg durchs Fernglas oder den Kamera-Zoom schauen, zeigt tatsächlich: da hängt ein gepunkteter Schwanz vom Ast! Und was war das ein knuddeliger Anblick, bei dem man sich am liebsten einfach dazu gekuschelt hätte: ganz entspannt chillte er da über einen Ast drapiert, als wollte ihn jemand zur Schau stellen, die Hinterbeine hingen auf beiden Seiten vom Ast runter, die eine Vorderpfote auch, die andere war ganz lässig unters Kinn geklemmt für die entspanntere Kopf-Auflage.

Brotzeit
Brotzeit

Einen Leoparden gab es dann auch nochmal, da schlief er wirklich und die Zunge schaute ein bisschen aus dem schnarchenden Maul. Nehme ich jetzt einfach mal an. Wer so entspannt schläft, hat bestimmt auch geschnarcht.

Uns fehlte auf unserer Liste der Tiere, die wir uuunbedingt sehen wollten nur noch einer: der Gepard. Und weil wir nicht unverrichteter Dinge die Masai Mara verlassen konnten, suchte George weiter, bis er ihn gefunden hatte. Das war nochmal ein kleines Highlight, denn zuerst lag er (der Gepard, nicht George) zwar nur rum, dann stand er aber auf, schlappte einen halben Meter weiter und ließ sich ganz genüsslich direkt vor seinem Abendessen nieder. Offensichtlich hatte er sich gerade eine kleine Gazelle gerissen und wir durften beim großen Schmaus zuschauen. Sowas sieht man sonst wirklich nur in Naturdokus im Fernsehen, wie faszinierend!

Fertig safari-t!
Fertig safari-t!

Damit hatten wir sie zusammen: die ganzen Big Five, ein paar der Ugly Five und unsere persönlichen Must-See-Savannenbewohner. Und so konnten wir uns guten Gewissens auf machen zurück nach Nairobi, zurück zum Flughafen, zurück in den Flieger. 
Aber zurück nach Hause ging es noch nicht. Denn anders als sich die Berichte vielleicht anhören mögen und als die Massen an Fotos denken lassen, waren es wirklich nur acht Tage, die wir Kenia erkundet haben. Weil es aber sooo anstrengend ist, dauernd im Jeep durchgeschüttelt zu werden, im Reservat in die Gegend zu starren und nach Tierchen Ausschau zu halten, mussten dringend noch ein paar Tage Erholung sein. Ich war sehr gespannt, ob unser nächstes Ziel halten konnte, wovon ich immer geträumt hatte, seit Sänger Achim Reichel sang: "Wenn du mich fragst, wo's am schönsten war..."

 

 

 


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