Johoho und 'ne Buddel voll Rum

Seit heute früh um Vier fährt die Bella durch ein Gebiet, das international bekannt ist als „High Risk Area“. Wenn ich aus meinem Bullauge schaue, sieht das Meer draußen auch nicht anders aus als die letzten Wochen, aber die Wahrscheinlichkeit ist seit heute früh um Vier sehr viel höher als vorher, einem Piraten über den Weg zu schippern.

ganz normaler Seetag mit abnormal wenig Seegang
ganz normaler Seetag mit abnormal wenig Seegang

Wir haben von unserem letzten Hafen im Oman losgemacht und sind jetzt auf dem Weg entlang der Südküste der Arabischen Halbinsel, die von Afrika nur getrennt ist durch den Golf von Aden. Kennt man vielleicht aus den Nachrichten von vor ein paar Jahren als Schauplatz von viel Seeräuberei. Der Golf liegt nördlich des Horns von Afrika, das ist dieses spitze Landdreieck, das in den Indischen Ozean reinragt und der östlichste Zipfel des Kontinents ist. Die meiste Landfläche des Horns gehört zu Somalia und die somalischen Gewässer gehören kategorisch allesamt zur High Risk Area.
Um die Sicherheitslage am Horn von Afrika scheren sich eine Menge Leute. Weil es in den umliegenden Staaten viele Probleme mit Dürren, Hungersnöten und politischen Unruhen gab, musste irgendwie gewährleistet werden können, dass Hilfslieferungen auch ihr Ziel fanden und nicht auf dem Weg dorthin aufgehalten und geplündert werden konnten. Die EU hat eine Organisation ins Leben gerufen, die genau das sicherstellen soll. Und aus der heraus entwickelte sich das MSCHOA, das Maritime Sicherheitszentrum Horn von Afrika. Die kümmern sich nonstop darum, Seefahrern den Transit durch dieses Gebiet zu erleichtern und auch wir arbeiten eng mit denen zusammen.

Fliegender Fisch!
Fliegender Fisch!

Die wichtigsten Kunden Des MSCHOA sind Handels- und Tankschiffe, die die Gegend durchfahren. In seiner Durchsage sagte der Käptn heute früh, dass Schätzungen zufolge etwa 20% aller Handelsgüter der Welt irgendwann durch den Golf von Aden geschippert werden. Wir sind kein Containerschiff, also fallen wir nicht in das übliche Jagdmuster der Piraten. Es gibt diverse Eigenschaften, die ein Kreuzfahrtschiff hat und die einen Übergriff durch Piraten sehr unwahrscheinlich machen. Zunächst mal sind wir viel zu schnell und unsere Bugwelle dadurch viel zu gewaltig, als das ein kleines Bötchen festmachen könnte. Ein Piratenboot hat üblicherweise eine Besatzung von höchstens einem Dutzend Mann und die wissen, dass sie kaum eine Chance haben, 600 Crew (die meisten davon jung, fit und männlich) und 2.500 Gäste in ihre Gewalt zu bringen. Unser erstes offenes Deck ist Deck 5, das ist mindestens fünf Meter über der Wasseroberfläche und hat darunter keine Leitern, Sprossen oder Steighaken, um die Außenwand hochzukommen. Die Brücke liegt so hoch und ist 24 Stunden lang von so vielen Leuten bemannt, dass wir von weitem schon kleinste Boote ausmachen können und jedes Anschleichen unsinnig machen. Und vor allem haben wir weder Öl noch containerweise wertvolle Handelsgüter an Bord, die es sich lohnen würde zu klauen.

Fliegender Fisch!
Fliegender Fisch!

Jedenfalls tun wir so, als würde das alles wirklich so sein. Was so ein kleiner Pirat vor Somalia sich denkt, können wir nur raten und wer weiß, ob er nicht grade auf der Suche ist nach genau den mehreren tausend gelb-weiß-gestreiften Poolhandtüchern, die wir an Bord haben. Um die Wahrscheinlichkeit eines Angriffes zu minimieren, überwacht die MSCHOA automatisch alle Container- und Tankschiffe, die in die High Risk Area einfahren. Die wissen vorher, dass sie getrackt und durchweg überwacht werden. Bei der kleinsten Abnormalität oder Unregelmäßigkeit in Geschwindigkeit oder Kurs wird gefunkt und gegebenenfalls sofort ein Heli oder Boote zur Unterstützung geschickt. Als Kreuzfahrtschiff dürfen wir die 24-Stunden-Überwachung auch beantragen. Dann werden auch wir getrackt und zu jeder Tages- und Nachtzeit weiß jemand an Land, wo wir sind, wie schnell wir sind und was unsere Pläne sind. Um die High Risk Area herum gibt es eine sogenannte „Voluntary Reporting Area“, ein Seegebiet, in dem wir freiwillig Position, Geschwindigkeit und Kurs durchfunken können, einfach um sicherzugehen, dass jemand an Land weiß, dass wir da sind. Für die Durchfahrt durch die küstennahen Gewässer vor Somalia und den Golf von Aden kann man sich anmelden für einen Gruppen-Transit, dann sammelt die MSCHOA erstmal alle Schiffe der Gegend ein und dann fährt man gemeinsam im Konvoi mit militärischem Begleitschutz. Ob das nötig sein wird, werden wir sehen – noch sind wir recht weit vom Horn weg und haben ja auch noch einen omanischen Hafen vor uns bevor es in die wirklich gefährlichen Ecken im Somalischen Becken geht.

vor Omans Küste waren Wellen - also gab's Waschmaschine zu gucken bei uns auf Kabine ;)
vor Omans Küste waren Wellen - also gab's Waschmaschine zu gucken bei uns auf Kabine ;)

An Bord liefen die Vorbereitungen schon auf Hochtouren, da waren wir noch in Dubai. Es gibt Schulungen für alle Abteilungen, die in direktem Gästekontakt stehen, damit wir auf alle Fragen souverän und korrekt antworten können. Ein Teil unserer Lösch-Schläuche wurden entlang der Decken auf Deck 5 befestigt und sind jetzt so angebracht, dass man nur einen kleinen Hebel umlegen muss und schon fegt ein riesiger Wasserstrahl über die unteren Außenwände, sollte sich da doch ein Pirat dran festklammern. Der Ausguck wurde verdreifacht und geht nicht nur Wache auf der Brücke, sondern auch auf allen offenen Decks. Ist alles unglaublich spannend, ich sags euch. Es fühlt sich alles recht normal an Bord an, bis auf diese unterschwellige Aufregung, die doch jeder ein bisschen hat, denke ich. Dauernd kommen die Durchsagen „von oben“, wo abwechselnd Kapitän und Sicherheitsoffiziere die Gäste und uns informieren, was grade so abgeht und das alles in Ordnung ist. Man erwartet irgendwie, rauszuschauen und überall stehen rote Fahnen im Wasser, die warnen. Oder dass hinter jede Welle plötzlich eine Piratenflagge auftaucht und ein altes knarzendes Segelschiff mit Johnny Depp am Steuerrad mit einer angeknacksten Buddel voll Rum in der Hand…

Aber ganz so tragisch ist es dann doch alles nicht und damit wir schön schnell mit großer Bugwelle durch unsere viereinhalb Seetage brettern können, haben wir ja auch noch einen Hafen in Jordanien auf dem Weg, wo wir bis zum Gehtnichtmehr vollgepumpt werden mit genug Sprit, dass wir bis Griechenland ohne Stopp durchkommen. So richtig spannend wird die Aussicht erst, wenn wir wirklich im Golf von Aden ankommen und näher an Land sind – und dann kommt ja im Anschluss direkt die Passage durch den Suez-Kanal, bevor wir dann auch schon zurück in Europa sind.

 

 

 


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Kommentare: 1
  • #1

    Sonja (Sonntag, 25 März 2018 15:30)

    Knaller, liest sich wie ein Krimi. Gute Fahrt weiterhin!