Mit entspannt rumsitzen und Hamburg genießen war es kaum was dieses Jahr – dauernd war ich unterwegs und plötzlich ist das Jahr vorbei! Ab Sommer war ich permanent auf Achse: auf Fehmarn, in NRW und auf Sylt für coole Tee-Events, nebenbei in Torino, Berlin und Stockholm für Messen, im Dezember wollten eine fancy Weihnachtsfeier und ein Meeting für 100 Personen organisiert werden.
Aber ich beschwere mich nicht, so hatte ich es mir ja schließlich gewünscht und ausgesucht. Beim Windsurf World Cup am Westerländer Strand auf Sylt konnte ich ganze zwei Wochen am Stück Meerluft
schnuppern. Und es gibt wahrlich schlimmeres als durch Stockholms Altstadt zu stromern wenn die Hälfte der Stand schon weihnachtlich geschmückt ist. Natürlich muss aber nebenher auch hart
gearbeitet werden, ist schließlich auch kein Zuckerschlecken, jeden Tag 10 Stunden oder mehr auf den Beinen zu sein, um Kunden mit Tee zu beglücken.
Ein bisschen Zeit blieb immerhin im August, um ein schnelles verlängertes Wochenende mit Freundin Cindy in Warschau zu verbringen. An alle, die da noch nie waren: fahrt hin, es lohnt sich! Man
kann ganz wunderbar bummeln, die Altstadt ist richtig schön und entlang der Weichsel kann man herrlich flanieren oder führerscheinfreies Motorbötchen fahren. Weil es aber eben nur zwei Tage dort
waren, lohnt sich kein eigener Blog, ich wollte es nur mal erwähnt haben und eine klare Reiseempfehlung aussprechen.

Nach so einem wunderbar günstigen Mini-Urlaub in Polen musste der nächste ja zwangsläufig teurer sein. Und teuer können sie wirklich gut in Norwegen.
Weil uns die Reise nach Finnland vor knapp zwei Jahren so gut gefallen hat, machten Julia und ich uns wieder auf, um gemeinsam die Nordlichter zu jagen. Diesen Winter ist die Sonnenwind-Aktivität
auf ihrem Höhepunkt im aktuellen Sonnen-Zyklus, also ist die Chance besonders hoch, welche zu sehen. Wir haben gute gemeinsame Erfahrungen mit Kreuzfahrtschiff und mit dickem Flauscheschnee, also
verbanden wir beides, flogen nach Bergen in Südnorwegen und gingen dort an Bord der Hurtigrute.

Richtig vergleichen lässt sich die „schnelle Route“ nicht mit den großen AIDA-Schiffen. Die norwegische Reederei baute ursprünglich die Route entlang der Küste aus, damit die Orte am Ende der Fjorde über den Wasserweg erreichbar wurden. Viele von denen waren im Winter von der Außenwelt abgeschnitten und konnten nur mit Schlitten oder eben durch den Fjord erreicht werden. Seit 1893 fahren die Hurtigruten als Postschiffe die zweieinhalb tausend Kilometer Westküste rauf und wieder runter. Knapp hundert Jahre wurde die Route fast ausschließlich als Postroute befahren. Seit den 1980ern ist es eigentlich sowas wie ein Fährbetrieb. Man kann an jedem Hafen ein- und aussteigen, es gibt also auch Pendler, die zum Beispiel in Bergen arbeiten, aber regelmäßig zurück in ihr Küstendorf fahren.

Manchmal sieht man sogar noch Postsäcke im Gepäckabteil liegen, aber das meiste sind dann heutzutage doch Skitaschen, Kinderwagen, oder schwereres Equipment, das transportiert werden muss und
einem der Passagiere gehört. Obwohl es sich um eine Fährroute handelt, gibt es auf den meisten Hurtigruten-Schiffen nur noch ganz wenige PKW- und LKW-Stellplätze und der Großteil des Platzes auf
den Decks wird von Passagierskabinen und den üblichen Annehmlichkeiten eines Kreuzfahrtschiffes eingenommen – nur eben alles ein bisschen gediegener und weniger aufregend als bei AIDA.
Die komplette klassische Postschiff-Route braucht 12 Tage, geht von Bergen bis Kirkenes und zurück, und legt unterwegs in 34 Häfen jeweils zwei mal an und ab. Bis ganz oben wollten wir aber gar
nicht, also gingen wir zwar am südlichsten Hafen in Bergen an Bord, stiegen aber 4 Tage später knapp oberhalb des Polarkreises in Tromsø wieder aus. Tromsø ist auch bekannt als „Tor zur Arktis“
und damit als bester Ausgangspunkt, um die Polarlichter zu nehmen. Wie passend, dass unser Schiff die „MS Polarlys“ (norwegisch für Polarlicht) war.

Von Bord aus gab es leider keine Polarlichter zu sehen – dafür muss man wohl doch eher gegen Ende des Winters kommen und nicht im regenreichsten Monat des Jahres. Bergen empfing uns wie erwartet mit richtigem Schiet-Wetter, aber wir blieben ja sowieso nicht lang. Zeit war trotzdem genug für einen schnellen Bummel über Julias Markt…ach nein, den Julemarked, also den Weihnachtsmarkt in Bergens Stadtzentrum. So richtig Weihnachtsstimmung kam nicht auf bei Wind und Regen, also zogen wir weiter für einen kleinen Abstecher nach Bryggen, das Altstadtviertel, wo sich die alten hölzernen Händlerhäuser krumm und schief aneinander lehnen müssen um nicht einfach umzufallen. Auch hierher kommt man lieber nochmal im Frühjahr oder einfach früher am Tag, denn im Winter sind die Ateliers und kleinen Geschäfte so kalt, dass die Betreiber abends früh zu machen. Aber einmal gesehen haben muss man es eben, wenn man schon mal da ist.

Meinen Geburtstagskuchen hatte Julia mitgebracht und verschlangen wir ganz schnell auf der zugigen Pier – denn brennende Kerzen sind auf Schiffen nicht erlaubt, wie wir alle wissen. Aber ein
guter Start in den Geburtstags-/Adventsurlaub war es trotzdem und wir konnten unsere schön warme Kabine erst recht genießen. Und schnell wieder abhauen aus Nordeuropas regenreichster Stadt mit
sage und schreibe 250 Regentagen im Jahr ist vielleicht auch nicht ganz verkehrt.
Das richtig coole an den Hurtigruten ist, dass alle zwei bis drei Tage ein Schiff in Bergen die nordgehende Route startet. Es gibt insgesamt zehn Schiffe, das geht sich bei der 12-tägigen Tour
also gut aus. Ein paar weitere Schiffe fahren nur Expeditionen Richtung Nordpol, Grönland, Spitzbergen und Co, die sieht man nur ab und an mal in den großen Häfen.
Weil die Abläufe bei so einer etablierten Route praktisch von allein funktionieren, klappt es, dass die Liegezeit in manchen kleinen Dörfern mitten in der Nacht zehn Minuten lang ist. Von Bord
gehen darf nur, wer dann nicht mehr aufsteigen will, denn zehn Minuten vor Ablegen muss jeder wieder an Bord sein.

Bunt gemusterte Teppiche, wo einem schon beim schnell drüber Laufen schlecht wird, sucht man hier vergeblich. Die Hurtigruten sind halt doch eher was fürs konservativere Klientel. Wir waren
vermutlich nicht die jüngsten an Bord, aber senkten den Altersdurchschnitt doch schon. Kinder gab es keine, soweit wir sehen konnten, dafür aber eine Frau, die ihren Hund mit hatte. Das war
vermutlich eine Einheimische und der einzige Passagier, der trotz 10 Minuten Liegezeit trotzdem in jedem Hafen von Bord hüpfen und Gassi rennen durfte.
In jedem Hafen will man als Otto Normaltourist gar nicht von Bord gehen, da gibt es praktisch nix. Zwischen der Einschiffung abends um 20:30 Uhr in Bergen und dem ersten größeren Landgang um
09:45 Uhr am nächsten Morgen hat die Polarlys über 200 Kilometer hinter sich gebracht und in drei Häfen an- und wieder abgelegt. Merken tut man davon erstaunlich wenig.

Ålesund ist der Haupt-Hafen an Tag 2. Im Sommer sieht die Hurtigrute zwei Anlegemanöver vor, einmal morgens, dann wird wieder abgelegt und einmal in den Geirangerfjord gezischt, dann geht es am Abend nochmal zurück nach Ålesund. Da der Geirangerfjord im Winter aber nicht angefahren werden kann, hatten wir ganze zehn Stunden Aufenthalt, bevor wir zurück an Bord mussten, also genug Zeit, auch ohne gebuchten Hurtigruten-Ausflug die Stadt zu erkunden. Nach einem verheerenden Brand, der 1904 fast die ganze Stadt zerstörte, wurde Ålesund neu aufgebaut und ist seither bekannt für seine Jugendstil-Architektur. Die verbrannten Holzhäuser wurden durch Steinhäuser ersetzt und vor allem in der Fußgängerzone Kongens Gate (Königstraße) sieht man eindeutig, dass der Wiederaufbau schnell ging, denn alles passt wunderbar zusammen.

Für uns ging es für einen guten Über- und wunderbaren Ausblick erstmal auf den Hausberg Aksla. Die 418 Stufen wären wohl auch gar nicht so anstrengend zu erklimmen, aber es war richtig doller Sturm, sodass wir ziemlich platt mit ziemlich unplatten Haaren oben ankamen. Irgendwelche netten Einheimischen haben an jeden zweiten Baum einen Plüsch-Weihnachtsmann oder -Weihnachtsgnom gehängt, da ging der Weg zurück in die Stadt gleich viel schneller und mit viel Lächeln auf den Gesichtern der entgegenkommenden Wanderer. Man muss sie einfach mögen, die Norweger.

Am 13. Dezember ist Santa-Lucia-Tag, wo kleine Kinder zu Ehren der Heiligen Lucia mit Kerzenkränzen auf dem Kopf durch die Städte ziehen. Lucia verteilte Essen unter den Armen und hatte ihre Kerze auf dem Kopf, damit die Hände frei blieben. Damit die ollen Touris auch was zu gucken haben, kamen beim Frühstück an Bord die Crewmitglieder in langen weißen Gewändern, spitzen Kappen und (natürlich elektrischen) Kerzen durchs Restaurant geschlendert und sangen das Lucia-Lied. Das war witzig, denn einer der Feuerwehrmänner war so groß, dass unter seinem Gewand seine Feuerwehrstiefel rausschauten und er seinen weißen Spitzhut abnehmen musste, um den Kopf nicht einziehen zu müssen. Wenn man freundlich geschaut hat, bekam man ein Lussekatt, ein süßes gelbes Brötchen, damit man auch ja nicht vom Fleisch fällt auf so einer Kreuzfahrt.

Zurück an Bord dann das heimliche Highlight der ganzen Reise: wenn es draußen stürmt und regnet ganz gemütlich und muckelig warm im Whirlpool sitzen und Auslaufen gucken! Ja, obwohl es nicht viel
Luxus gibt an Bord der Hurtigruten – ein traditioneller Hotpot und eine Sauna müssen natürlich sein. Da die Hurtigruten für Nicht-Passagiere zugänglich sind, kommen Einheimische, die keinen
Zugang zu einer Sauna in der Nähe haben, auch mal an Bord, um für ein Stündchen zu schwitzen.
Unseren Whirlpool mussten wir aber nicht teilen hatten am Tag drauf sogar Sonnenuntergangsstimmung und Sund-Durchfahrt vom Blubberwasser aus.
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