Aus-Flug

Eine Atlantiküberquerung ist für mich ja schon fast ein alter Hut. Letztes Jahr waren es sechs Tage Ententeich aus der Karibik zurück bis Madeira – dieses Jahr soll es mal ein bisschen schaukeliger werden und eine weitere der besonderen Meerespassagen der Welt wartet auf mich: Es geht nach New York!

Estlands Moor
Estlands Moor

Ein Kurzeinsatz sollte es eigentlich nur sein zwischen dem Irland-Urlaub im Juli und dem nächsten Einsatz im Oktober, aber wenn man dann angeboten bekommt, mit der Lieblings-Abteilungsleitung Leonie von Warnemünde nach New York überzusetzen, kann man eigentlich gar nicht Nein sagen. Also sind es eben doch zwei Monate, die das Schiffsleben mich wieder hat und freie Zeit zu Hause kommt ein kleines bisschen zu kurz dieses Jahr, aber man lebt nur einmal und der nächste Urlaub kommt bestimmt – nur vielleicht nicht im Oktober, wo ich dann tatsächlich nur zwölf Tage zu Hause sein werde.

Estlands Moor
Estlands Moor

AIDAdiva heißt meine neue Heimat und die Sommerroute ähnelt sich sehr dem letzten Gebiet, in dem ich unterwegs war. Ostsee in zehn Tagen ist ganz nett, aber auf Ausflug muss man da nicht immer. Die Agenturen sind fit, die Reiseleiter fast alle deutschsprachig, da hat Chefin Annika beschlossen, mich endlich ein bisschen einzuarbeiten, damit ich mich demnächst vielleicht auch mal weiterentwickeln kann. Natürlich braucht man vor so einer riesigen Transreise (nach New York geht es weiter nach Kanada, dann kommt kurz drauf die Überführung in die Karibik für den Winter) aber auch viel Zeit an Bord, um alles vorzubereiten. Sieben Häfen in siebzehn Tagen ist aber gut zu schaffen, vor allem wenn ich drei davon schon kenne. Die Ostseetour fuhr ich also noch zwei Mal mit, es gab nicht sonderlich viel neues zu sehen außer einer Wanderung durchs estnische Moor. Leider war aber auch hier der Sommer so lang, heiß und trocken, dass die speziellen Moorschuhe gar nicht erst ausgepackt wurden, denn einsinken konnte man in solch ausgetrocknetem Boden ja wohl kaum. Schön war es trotzdem und unser Reiseleiter schmatzte mit uns wenigstens durchs Ufer eines kleinen Sumpfsees, wo man sich fühlte, als würde man über dicke plauschige Kissen laufen.

Eremitage am Abend
Eremitage am Abend

St. Petersburg war noch mal ganz nett. Mit fünf anderen Schiffen im Hafen hatten wir richtige Schwierigkeiten, deutsche Reiseleiter für alle unsere Touren zu bekommen, also machten wir teilweise zwei Ausflüge am Tag zum Übersetzen mit und weil ich nachmittags die gleiche Reiseleitung wie vormittags hatte, konnte ich die Tour praktisch alleine leiten und bekam sogar fünf Euro mehr Trinkgeld als sonst – nämlich fünf Euro. Über Nacht in Petersburg hat auch was, denn es gibt Abendausflüge. Zum Ballett schaffte ich es leider nicht, dafür durfte ich aber eine exklusive Gruppe von 25 Mann begleiten in die Eremitage, die extra für uns am Abend aufgemacht wurde. Ganz alleine durch diese wahnsinnigen Räumlichkeiten zu flanieren, hatte was. Gläschen Sekt dazu und ein Konzert des städtischen Orchesters im wunderschönen Grünen Saal der Eremitage und der Abend war ziemlich perfekt.

Stockholms Altstadt
Stockholms Altstadt

Stockholm kannte ich noch gar nicht und nach zwei sehr schönen sonnigen Tagen dort würde ich fast sagen, dass es vielleicht sogar meine Lieblingshauptstadt sein könnte. Ein toller natürlicher Hafen, ein Altstadtviertel mit Schloss und eine Innenstadt, die sich auf mehrere Inseln erstreckt, wo ich doch Inseln so mag…einfach toll und auf jeden Fall noch einmal einen Wochenendtrip wert. Göteborg war dann wieder nicht so mein Fall, aber es gibt einen Brunnen, auf dem Poseidon steht und über den es eine richtig witzige Geschichte gibt. Poseidon ist nackt dargestellt und er hat einen gut gebauten Körper mit großem Kopf und jedem, der vorbeiläuft, fällt sofort auf, dass seine Weichteile nicht sonderlich beeindruckend sind. Der Bildhauer hatte ihn sehr männlich darstellen wollen, dann haben die Göteborger sich beschwert, dass man so etwas aus Jugendschutz- und Ästhetikgründen doch nicht mitten in die Stadt stellen kann. Also hat der Bildhauer das Gemächt des guten Poseidon sehr verkleinert und ihm dafür aber einen riesigen Fisch in die Hand gegeben. Wenn man von vorne, aus der offensichtlichen Richtung, schaut, denkt man jetzt „Mensch, der hat ja nicht viel zu bieten“. Geht man aber am Brunnen entlang und beschaut Poseidon von der Seite, sieht der Fisch nicht mehr aus wie ein Fisch, sondern wie ein sehr großer … na, ihr wisst schon.

Helsinki
Helsinki

Weiter ging’s nach Helsinki und dummerweise war das Timing mal wieder so blöd, dass es grade nicht gepasst hat, meine finnischen Freunde zu sehen. Muss ich wohl mal wiederkommen…wie immer.
Einen kleinen Hafen hatten wir noch auf unseren Kurzreisen: Visby, der Hauptort von Schwedens größter Insel Gotland. Die originale Villa Kunterbunt aus den Pippi-Langstrumpf-Filmen steht hier, heute aber dummerweise in einen Freizeitpark inkludiert, sodass man sie nicht einfach so sehen kann. Aber hübsch ist das Örtchen auch so, auch wenn hier echt der Hund begraben liegt – und das schon im Sommer, obwohl wir grade zum Ende der Saison da waren. Über den Winter zieht ein Großteil der Bevölkerung wieder ans Festland, wenn die Touristen weg bleiben.

Auf AIDAsehen in Warnemünde
Auf AIDAsehen in Warnemünde

Und dann ging sie los, unsere Transatlantik-Reise. In 17 Tagen nach New York und ein bisschen Schiss hatten wir schon, denn unser Schwesterschiff AIDAluna verließ Deutschland ein paar Tage vor uns und hatte richtig viel Pech auf der fast identischen Route. Also verbrachten wir unsere Tage mit Daumendrücken, dass uns der Wind ein bisschen freundlicher behandeln würde als die kleine Schwester. Das letzte Auslaufen der Saison aus dem Heimathafen in Deutschland ist immer etwas besonderes. In Warnemünde ist es nochmal besonders besonders, denn schließlich ist das der Hafen von Rostock und dort ist der Hauptsitz unserer Firma. Viele der Kollegen von Land ließen es sich also nicht nehmen, am Freitag ein bisschen früher Feierabend zu machen und nach Warnemünde raus zu kommen um uns von der Mole aus zu verabschieden. Alles stand voll und bis zum Leuchtturm raus wedelten diverse Plakate und Bettlaken durch die Luft mit guten Wünschen für die Wintersaison. Als wir dann wirklich ausliefen, war das Getröte groß, denn wenn wir das Schiffshorn tröten, tröten alle Hafenrundfahrtsschiffe und Freizeitboote hinterher.

Vor einer 17-tägigen Reise mit den immer gleichen Gästen ist man immer ein bisschen aufgeregt, was einen erwartet in der Gästeschar. Aber schon am Anreisetag saß ich mit meinen Kollegen beim Abendessen in der Messe und wir alle waren am Schwärmen, welch nette Gäste wir doch an Bord bekommen hatten. Ein Großteil der Gäste hat 20 und mehr AIDA-Reisen hinter sich und kennt sich besser aus als wir – jedenfalls in manchen Dingen. Und so war keiner großartig überrascht ob des Hinweises auf unseren Ausflugstickets, dass es in fast jedem unserer Häfen englischsprachige Reiseleiter geben kann und wird. Das ist immer die größte Sorge unserer Gäste, dass sie irgendetwas nicht mitbekommen, aber die meisten verstehen dann doch mehr Englisch als sie denken. Am interessantesten sind dann natürlich diejenigen, die sich vorher echauffieren, dass es ja wohl nicht sein könne, dass nicht jeder auf der Welt Deutsch spricht und sie gefälligst in einen deutsch übersetzten Bus möchten. Wenn ich mir dann aber Mühe gebe, alles gescheit rüberzubringen, bin ich permanent abgelenkt von eben diesen Gästen, die sich die gesamte Fahrt über lautstark unterhalten, sodass alle anderen weder die englischen noch die deutschen Erklärungen hören. Und danach können wir sicher sein, dass eben diese Gäste abends am Schalter stehen werden und sich beschweren, dass die Übersetzung nicht gut war und überhaupt.

Bergen von oben
Bergen von oben

Aber das ist ja auch alles nichts ganz neues mehr für mich, nach zweieinhalb Jahren habe ich schon das meiste erlebt, was ein Beschwerdegrund sein könnte. Davon lasse ich mich schon kaum mehr beeindrucken, auch wenn es natürlich unglaublich nervt, sich damit rumschlagen zu müssen. Meine Transreise stand aber eh unter einem sehr guten Stern, denn als Chefin Annika mitbekam, dass ich in meiner so langen Zeit als Scout noch kein einziges Mal im Helikopter geflogen bin, schickte sie mich gleich im allerersten Hafen bei grandiosestem Wetter in Bergen fliegen. Wahnsinn, ich sags euch! Die Landschaft um Bergen ist alles, was Norwegen sein sollte: Berg, Fjord, Holzhaus. Dazu noch einen sehr hübschen Piloten und zwei extrem nette Frauen, die auch zum ersten Mal im Heli saßen, und der Nachmittag war gerettet. Wie der Pilot weiß, wo er eigentlich hin muss, sieht er anhand eines kleinen Navis, das er aufs Bein gebunden hatte. Ein Kompass hängt in der Scheibe und ganz viele Zeiger zeigen an, wie hoch und wie viel Druck und wie viel Wind und so. Schon beim Bootschein fand ich es höchst verwirrend, keine Fahrspuren eingezeichnet zu sehen, aber wenigstens ist man da nur zweidimensional unterwegs. Wenn jetzt auch noch höher und niedriger dazu kommt…ich glaube, ich wäre völlig überfordert. Ich bleibe also erstmal beim Bestreben, den Bootsführerschein zu vertiefen (nachdem ich meinem Prüfer ja versprechen musste, noch mindestens zehn Stunden mit einem erfahrenen Bootsführer zu fahren, bevor ich die Welt mit meinem Navigationstalent beglücken will), bevor ich an einen Flugschein denke.

 

 

 

 


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