Über der Serengeti

Weil die anderen drei aus unserer Reisegruppe was besonders cooles zugebucht hatten, machte ich kurzerhand mit, denn wann kriegt man schon mal wieder die Möglichkeit, mit einem Heißluftballon über die Steppe zu fahren? So heißt es richtig: fahren. Versteh ich nicht, „fliegen“ wäre doch viel passender und es ist dazu auch noch ein viel entspannteres Fliegen als mit dem Flugzeug.

Skyline
Skyline

Wir hatten es ins Hauptziel der kenianischen Safaritouristen geschafft: die Masai Mara. Mit über anderthalb tausend Quadratkilometern Fläche gilt das Naturschutzgebiet als das tierreichste Reservat Kenias. Die Vegetation ist in meinen Augen weniger abwechslungsreich als in Samburu zu Beginn unserer Reise, aber die unglaubliche Anzahl Getier war schon sehr beeindruckend. Ich bin also froh, dass wir beides auf unserem Reiseplan hatten. Dass alle Touristen in die Masai Mara wollen, fällt sofort am Eingang auf. Dutzende Masai-Frauen in traditioneller rot-bunter Tracht und extrem ausgeleierten Ohrlöchern warteten auf den Konvoi an Safari-Jeeps, der aus allen Ecken des Landes hier zusammentraf. Zum ersten Mal mussten wir auch richtig lang auf George warten, bis er uns endlich am Tor angemeldet, die Gebühr bezahlt und sein Funkgerät abgeholt hatte. In der Zwischenzeit wurden wir regelrecht belagert von den Frauen, die alle ihre Souvenirs und Schmuck verkaufen wollten und wirklich sehr penetrant waren. Schade, denn ich persönlich schaue gerne ein bisschen hübsches Zeug an (und kaufe vielleicht sogar mal was) – wenn man mich nicht bedrängt und mir mit irgendwelchen Sachen im Gesicht rumwedelt.

Masai-Frau ganz typisch: viele Tücher, Schmuck, große Ohrringe und kahlgeschoren an Kopf und Augenbrauen
Masai-Frau ganz typisch: viele Tücher, Schmuck, große Ohrringe und kahlgeschoren an Kopf und Augenbrauen

Die Masai, die man sieht, leben üblicherweise nicht mehr in nomadischen Gruppen. Manche laufen nur so rum, um die Touristen zu bespaßen. Die wahren Masai leben abgeschieden von der modernen Zivilisation im Hinterland (vielleicht im „Unknown Village“?) streng nach ihren alten Traditionen. Viele könne nicht lesen oder schreiben, denn für sie ist viel wichtiger als zur Schule zu gehen, irgendwann eine große Rinder- oder Ziegenherde zu haben. Diese Dorfgemeinschaften sind meist halbnomadisch, manchmal bleiben die Dörfer jahrelang an der gleichen Stelle, manchmal ziehen die Bewohner beim Wechsel der Jahreszeiten weiter, manchmal wird auf die Ahnen gehört, die den Dorfältesten zum Beispiel im Traum sagen, dass es Zeit wird weiterzuziehen.
Was die traditionellen Masai im Hinterland mit denen in den größeren Städten gemein haben, ist die traditionelle Tracht. In Narok, der Hauptstadt von Masai-Land, sieht man alles von supermodern bis von oben bis unten mit Perlen behängt und in die typischen rotkarierten Stoffe gehüllt.

Masai-Dorf
Masai-Dorf

Masai-Dörfer haben wir trotzdem viele gesehen, aber eben die vermutlich nicht mehr ganz so krass nach Tradition lebenden, nahe der Straße. Meist bestehen sie nur aus ein paar Hütten, die aus Holz- oder Bambusstangen und dünneren Stangen gebaut und mit Lehm und Rinderdung verputzt werden. In fast allen Dörfern haben wir eine Koppel mit Zaun gesehen, wo die Viehherden über Nacht eingesperrt werden (vermutlich zum Schutz vor Löwen), tagsüber werden sie zum Grasen durch die Gegend geführt oder irgendwo angepflockt, wenn es nur einzelne Tiere sind.
Wir haben fast nur Männer mit Vieh gesehen, Frauen wenn dann mit einzelnen Ziegen. Auch Kinder sind manchmal unterwegs mit der Ziegenherde, zu Zeiten, wo man sie eigentlich in der Schule erwarten würde. Ich hab später gelesen, dass die traditionell lebenden Masai ihre Söhne mit den Ziegen zum Grasen schicken, sobald die gut alleine laufen können, also ab drei Jahren. Wahnsinn, wenn man bedenkt dass ja um die Ecke Löwen, Hyänen und sonstige Raubtiere leben.

Masai-Schnitzkunst
Masai-Schnitzkunst

Die Traditionen der Masai sind sehr streng und generell halten sie nichts davon, mit den Behörden zusammenzuarbeiten. Da sie meist nicht wissen, wann sie geboren wurden oder wie alt sie sind, weiß auch keiner so wirklich, wie viele Masai es eigentlich gibt. Weil viele von ihnen ja auch wandern, kann man nicht mal nach den Orten gehen, denn generell ist Masai-Land ein riesiges Gebiet in Kenia und Tansania.
Es gibt tolle Artikel online über die Masai-Traditionen, wenn es euch weiter interessiert. Als grobe Übersicht: Polygamie ist üblich, aber es gibt eine Hauptfrau bzw. einen Hauptmann. Jungen und Mädchen werden sehr jung beschnitten; wenn nicht, gelten sie als unrein und dürfen keine eigene Familie gründen. Kinder werden auch früh tätowiert und die Ohren werden im Knorpel oben und an den Ohrläppchen gepierct. Schmerzen dürfen Jungs nicht zeigen, weil das Schwäche zeigt und man will ja mal als Krieger gelten. Obwohl heute nicht mehr gegen wirkliche Feinde gekämpft wird, ist die Kämpfernatur weiterhin wichtiger Bestandteil der Kultur. Früher musste ein junger Mann einen Löwen mit Pfeil und Bogen oder Speer töten, um als wahrer Krieger und vollwertiger Mann zu gelten. Durch jahrelange Aufklärungsarbeit zum Schutz der Löwen wurde diese Tradition aber weitestgehend aufgegeben. Weiterhin verbreitet sind aber Feuerproben, wo Kinder über heiße Kohlen laufen müssen, oder die Entfernung der unteren Vorderzähne, das gilt als hübsch. Ein komisches Völkchen, wenn man sich mal näher damit befasst, aber eigentlich wäre es schon ganz interessant gewesen, mal zu sehen, wie die wirklich leben.

halbfertige Ballons
halbfertige Ballons

Unser Camp lag glücklicherweise an einem Nebeneingang und wir mussten erst wieder bei der Abreise an den nervigen Masai-Frauen vorbei. In aller Herrgottsfrüh, wo wir nach einer Tasse Tee und einem Keks am Tag der Ballonfahrt aufbrachen, hätten die aber wohl eh noch nicht da gestanden. Wir wurden in einem sehr viel unkomfortableren Jeep als sonst abgeholt und eine halbe Stunde in die Masai Mara gefahren. Es ist wirklich sehr schwarz nachts in der Pampa – und etwas gruselig, weil man am Horizont öfters mal Lichter aufflackern sieht, wenn ein anderer Jeep auch unterwegs ist.
Kurz vor Sonnenaufgang kamen wir am Startplatz an, wo bereits mehrere Ballons halb-aufgepustet am Boden lagen. Auf jeder Ballonöffnung lagen mehrere Männer, sahen aus als chillten sie nur rum, aber in Wahrheit hielten sie das Gas davon ab, wieder aus dem Ballon zu kommen. Weil so ein Ballon ziemlich gigantisch ist (im Durchschnitt immerhin 25 Meter hoch und bis zu 21 Meter im Durchmesser), braucht man da auch wirklich die Männer, die das Teil festhalten.

 

Schon der Anblick der halbvollen Ballons in der Morgendämmerung war ziemlich beeindruckend, und auch der Blick zurück gen Sonnenaufgang, vor dem die Silhouette der parkenden Jeeps so toll aussah. Weil es in der Masai Mara keine größeren bewaldeten Gebiete gibt, stehen die paar wenigen Bäume sehr vereinzelt in der Gegend rum, und es ist so eine ganz besondere Skyline, die sich einem bei niedrigstehender Sonne bietet. Ich dachte immer an Rafiki, den alten Pavian aus dem König der Löwen, der doch auch in so einem tollen einzelnen Baum mit ganz großer platter Krone lebte.
Vor so einer Ballonfahrt war ganz schön viel organisatorisches zu erledigen. Erstaunlich, dass ich mitten in der Savanne an einem Kreditkartenlesegerät bezahlen konnte und die Bezahlung war schneller bestätigt, als in manch deutschem Supermarkt. Dann muss man ganz viel unterschreiben und ausfüllen, denn wenn was passiert, will natürlich keiner Schuld sein.

 

Liegender Start
Liegender Start

Unser Pilot (…oder Fahrer?) war aber ein sehr erfahrener Südafrikaner namens Mervin, der uns sehr gut verständlich alles erklärte, und keiner hatte Angst – bzw. keiner hat gezeigt, dass er Angst hatte. Der Einstieg in den Korb unter dem Ballon war schon das erste kleine Abenteuer, denn wir mussten im Liegen einsteigen. Der Korb lag auf der Seite und wir waren 16 Passagiere, die jeweils in Vierergruppen in einem Abteil des Korbes Platz fanden. Drinnen waren kleine Bänke und wir mussten uns auf den Rücken legen und die Beine so sortieren, dass wir aufrecht sitzen würden, sobald der Korb aufrecht stand. Damit ihr es euch besser vorstellen kommt, gibt’s ein Mini-Video von uns, wie wir da sehr beengt in unserer Zwiebelkleidung (nachts wird’s kalt, ihr erinnert euch) reingefriemelt saßen/lagen. Alle Fotos und Filmchen, auf denen unser eigener Ballon drauf ist, sind von Kapitän Mervin. Der hatte eine Kamera an einem Seil hinten am Ballon hängen, die die gesamte Fahrt aufgezeichnet hat. Außerdem zauberte er kurz nach dem Start den längsten Selfie-Stick hervor, den ich je gesehen habe, damit er uns alle auf ein Bild bekommen konnte.

wir fliegen! äh...fahren
wir fliegen! äh...fahren

Der Start war schon ziemlich aufregend. Man sieht ja nichts außer der Wand vom Ballonkorb, dann wird der Ballon weiter aufgepustet, und die Männer hängen sich von außen an den Korb, damit man nicht vorschnell abhebt. Und dann gibt der Kapitän Gas, es macht ordentlich Lärm und eine riesige Flamme pustet aus den Gasdüsen in den Ballon, bis er voll genug ist. Dann lassen die Männer los und sobald man sicher in der Aufrechten ist, also mindestens 15 Zentimeter über dem Grund, darf man aufstehen. Mann, war das vielleicht cool! Die Sonne ging genau auf, als wir starteten und das Licht über der Masai Mara war der absolute Wahnsinn. Mit der Sonne kommt auch sofort die Wärme und nach zehn Minuten hatte ich mich aller meiner zusätzlichen Klamottenlagen entledigt. Mit der Sonne und Wärme wachen auch die Tiere auf und von oben gesehen haben sie doch echt Schwierigkeiten, sich zu verstecken.

sooo viele Zebras!
sooo viele Zebras!

Mervin war richtig gut darin, Tiere zu entdecken, und so gab es direkt ein paar Giraffen, soo viele Zebras, eine Hyäne, ein paar Pumbas und sogar einen Elefanten! Und auch wenn es gerade keine Viecher zu sehen gab, ist die Aussicht der Oberknaller! Wir konnten bis Tansania schauen, wo die Masai Mara in den Serengeti-Nationalpark übergeht. Aber eigentlich gehört die Masai Mara schon zum Gebiet der Serengeti, so heißt die gesamte Savanne, die über 30.000 Quadratkilometer groß ist und daher eben auch über die Landesgrenze geht. Serengeti heißt auf der Masai-Sprache „endlose Ebene“ und das ist der perfekte Name. Die Savanne scheint kein Ende zu nehmen, wenn man von oben schaut. „Masai Mara“ übrigens bedeutet „gepunktetes Land der Masai“, auch das ist ziemlich treffend, denn durch die vielen einzeln stehenden Bäume sieht die Landschaft von oben wirklich aus wie mit Punkten bemalt.

Man weiß nie so ganz genau, wo man landen kann, also werden in der Luft wie auch unten am Boden mit Funkgeräten Positionen ausgetauscht und einzelne Bäume und Landschaftsmerkmale genannt, wo man gut runterkommen könnte. Vor der Landung hatten wir alle ziemlich Respekt, denn Mervin hatte uns genau instruiert und uns in allen Details erklärt, was passieren würde oder könnte. Kurz vor Schluss mussten wir alle Handys und Kameras gut verstauen, weil man nie weiß, wie ruckelig es werden kann. Dann mussten wir uns hinsetzen und festhalten, weil wir genau so landen könnten, wie wir gestartet waren: mit einem auf der Seite liegenden Korb. Aber dann war alles gar nicht so schlimm, wir setzten recht sanft auf, dann nimmt man noch ein paar Termitenhügel auf dem Weg mit, dopst noch ein, zwei Mal ein paar Zentimeter nach oben und kommt wieder runter auf die Erde. Der Korb blieb sogar aufrecht stehen und schon hatten wir wieder festen Boden unter den Füßen.

definitiv der zweite Platz der coolsten Savannen-Klos
definitiv der zweite Platz der coolsten Savannen-Klos

Wir wurden wieder von unserem klapprigen Jeep eingesammelt – auf dem Weg gab es einen Mini-Stopp neben einer schlafenden Löwenfamilie, die aber so gut versteckt lag, dass es nur für das Foto einer schnarchenden Schnauze gereicht hat – und zum Frühstück gebracht. Das war direkt nochmal was besonderes. An einem mobilen Waschbecken mussten wir Hände waschen, dann bekam jeder ein Glas Sekt in die Hand und durfte sich am riesigen Frühstücksbüffet bedienen, sogar Pfannkuchen und Omeletts wurden frisch zubereitet. Mitten im Nichts!
Während wir schlemmten, saß Mervin an einem Tisch mit einer Decke über dem Kopf und schnitt Videos und Fotos von seinen zwei Kameras an Bord des Ballons zu einem netten Filmchen zusammen, den wir uns dann auch direkt unter der Decke anschauen konnten.
Mama und Papa kamen mit George nach dem Frühstück angedüst und in unserem so viel bequemeren Jeep ging es direkt weiter zur Pirschfahrt durch die Masai Mara. Ein anstrengender Tag lag vor uns, aber schon um 8 Uhr früh hatte er sich sowas von gelohnt!

 

 

 


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