King Julien and Friends

Die madagassische Natur ist einfach atemberaubend. Schlau wie ich bin hatte ich direkt zu Beginn unserer regulären Indik-Route angekündigt, dass man mir keine Freude macht, wenn man mich auf die Strandtransfers schickt. Also durfte ich tolle Ausflüge begleiten, die wirklich in die Natur raus gingen und da gibt es ja so viel zu entdecken!

Chamäleon am Straßenrand
Chamäleon am Straßenrand

Von Antsiranana aus hat man die besten Chancen ganz viel kreuchen und fleuchen zu sehen, wenn man sich aufmacht ins Landesinnere entlang der National Road Nummer 6. Man würde denken, dass man auf so einer Straße nicht wirklich viel sieht, wenn man das vergleicht mit unseren Bundesstraßen und Autobahnen. Aber auf beiden Seiten bewachsen, mit Leitplanken und Schildern ausgestattet…sowas gibt es hier nicht. Im Stadtzentrum von Diego Suarez sind die Straßen weitestgehend asphaltiert, sobald man aber die Haupteinkaufsstraße Rue Colbert hinter sich gelassen hat ist das beste, was man über die Straßen sagen kann, dass sie vermutlich mal asphaltiert waren und man so nicht sofort im Matsch versinkt, wenn es mal geregnet hat. Wenige Kilometer weiter und das war es mit der „Straße“, die dann in einem Rutsch übergeht in die „Piste“, wie man so schön sagt. Sand und Lehm und Matsch und Steine, alles zusammengehalten von unzähligen Schlaglöchern. Wirklich schlagen tut es aber nicht, wenn man hier unterwegs ist, denn ein Loch geht ja sofort ins nächste über und man holpert sich eben so durch die Gegend bis man am Ziel angekommen ist. Für die nicht mal vierzig Kilometer bis zum Amber Mountain Nationalpark braucht man also eigentlich nie weniger als anderthalb Stunden.

groovendes Chamäleon
groovendes Chamäleon

Dort angekommen muss man eigentlich nur an einem x-beliebigen Baum stehen bleiben und ein bisschen angestrengt in die eine oder andere Richtung schauen, dann präsentieren sich schon irgendwann von ganz allein ganz viele faszinierende Geschöpfe. Selbst an der Straße blieb unsere Jeep-Kolonne zwei Mal ohne ersichtlichen Grund stehen und erst als wir ausgestiegen waren, sahen wir wieso: wie auch immer sie das mit normalen menschlichen Augen schaffen, haben unsere Fahrer am Straßenrand ein Chamäleon im Baum hängen sehen. Hätte es sich nicht irgendwann bewegt, wären wir glatt davon ausgegangen, dass jemand da ein Made-in-China-Plastikchamäleon in die Äste gehängt hätte. Aber nein, die grooven ja so richtig schön wenn sie laufen und rollen ihre Augen dabei so wunderbar. Wer mal lachen will, youtube mal nach einem kleinen Video namens „Chamäleon geht“, da sieht man das richtig schön. Man denkt, dass sie sich so fortbewegen, damit sie aussehen wie ein Blatt, das sich im Wind wiegt, und so weniger gut von Fressfeinden entdeckt werden. Witzigerweise können sie aber auch ganz normal laufen und sind dann richtig schnell; so gesehen als die ganze Besatzung unseres Busses in Nosy Be aus dem Bus gehüpft und die Straße rauf gerannt kam, als so ein niedliches Ding grade ganz entspannt die Straße überqueren wollte. Da ging es aber ab und rannte wie von der Tarantel gestochen drauf los bis es im Dickicht angekommen war, nichts mehr zu sehen vom netten Gegroove.

fühle mich leicht beobachtet...
fühle mich leicht beobachtet...

Die Augen der Chamäleons sind auch richtig cool. Die können sich beide unabhängig voneinander bewegen und ermöglichen so fast eine 360°-Rundumsicht. Es heißt, dass die Wissenschaft bis heute noch keine wirkliche Erklärung dafür hat, wie ein Gehirn zwei völlig unterschiedliche Bilder zu einem Gesamtbild zusammenfügen kann und wie das Chamäleon einschätzen kann, wo es grade eigentlich ist. Ich hab gehört, dass die Augen funktionieren wie die Linse einer Kamera und Dinge in weiterer Entfernung „ranzoomen“ können, um festzustellen ob es sich lohnt, den Weg dahin auf sich zu nehmen. Wenn das Chamäleon sein Fressen gefunden hat, fokussieren beide Augen gradeaus nach vorne und können so wie wir durch die doppelte Perspektive Größe und genaue Entfernung abschätzen, bevor die Zunge (übrigens der schnellste Muskel der Welt, denn in weniger als einer Zehntelsekunde kann sie komplett ausgefahren kommen) rausgeschnalzt kommt und das Fressen einfängt.
Ich könnte stundenlang so einem Chamäleon zuschauen, selbst wenn sie meistens nicht so spektakulär bunt sind wie man das immer denkt. Chamäleons wechseln nicht die Farbe um ihrem Hintergrund angepasst zu sein, sondern um generell unauffällig zu sein, meist sind sie also grünlich oder braun. Manchmal gibt es wie beim Menschen auch die Situation, die ein schillernderes Gewandt verlangt, so zum Beispiel zur Paarungszeit. Und dann sind Chamäleons sehr emotional und zeigen das auch. Wenn sie also gestresst sind oder Angst haben werden sie auch ganz knallbunt, oder wenn sie sauer sind weil sie angegriffen werden. Die buntesten Chamäleons sieht man also an den Stöcken der kleinen Kinder, die sich eins aus den Bäumen pflücken und dann den Touristen für Fotos anbieten.

perfekt getarnter Blattschwanzgecko
perfekt getarnter Blattschwanzgecko

Aber es gibt ja noch so viel mehr zu sehen als Chamäleons, auch wenn die wirklich überall sind. Ich hätte ja gedacht, dass man nach ihnen suchen muss, aber tatsächlich hängt an gefühlt jedem dritten Baum eins. Nur finden wir blinde Europäer sie natürlich nicht immer, also ist es schön, sich auf die lokalen Wanderführer verlassen zu können, die sogar das kleinste Chamäleon der Welt inmitten eines Haufens vertrockneter Blätter finden, das grade mal so lang ist wie mein halber kleiner Finger.
Auch die Geckos hängen überall am Baum und die sind teilweise tatsächlich ganz einfach zu sehen – wenn man denn hinschaut. Einer der am weitesten verbreiteten Geckos hier ist der Große Madagaskar-Taggecko und ist genauso wie ein Gecko sein sollte: knallgrün, hübsch rot oder blau gemustert, mit schwarzen Knopfaugen und knubbeligen Klebefüßen. Wenn man auf der Straße aus dem Auto schaut, sieht man ihn an fast jedem Baum hängen.
Die Verwandtschaft ist auch nicht weit, die findet man aber tatsächlich nur mit ganz geübtem Auge. Der Blattschwanzgecko ist ein ganz verrücktes Vieh. Er ist eigentlich nachtaktiv und dämmert deswegen tagsüber so vor sich hin und eignet sich daher ganz hervorragend als Fotomodell. Aber man muss ihn halt erstmal finden, denn er hat genau dieselbe Farbe und Musterung wie die Baumrinde, auf der er rumliegt und sein Schwanz hat die Form eines ausgefransten Blattes und zuckt weiter, wenn er ihn abwirft bei Gefahr, sodass der Feind lang genug abgelenkt ist, um dem schwanzlosen Gecko die Flucht zu ermöglichen. Beide Geckos gehören zu den hunderten an Tierarten, die endemisch in Madagaskar sind, also nur hier und nirgends sonst auf der Welt vorkommen (außer dort, wo sie später eingeführt wurden). Weil sich Madagaskar früh vom afrikanischen Kontinent abgespalten hat, konnten hier Arten überleben und sich entwickeln, die auf dem Festland wegen Fressfeinden oder anderen Einflüssen schnell untergegangen sind. Es soll um die 200.000 Tier- und Pflanzenarten in Madagaskar geben, wovon etwa 150.000 endemisch sind!

Chillen auf Lemuren-Art
Chillen auf Lemuren-Art

Auch die Lemuren sind so entstanden. In Festland Afrika und auch Indien, was ursprünglich auch an Afrika klebte, konnten sie nicht überleben und wurden über kurz oder lang von den Affen abgelöst. Wenn man das evolutionstechnisch anschaut, würde das also heißen, dass wir die gleichen Vorfahren haben wie die Lemuren, aber viel viel weiter in der Vergangenheit als mit den Menschenaffen. Abgespaltet haben sich also wohl zwei Arten, aus der einen entstanden die Affen und wir Menschen, aus der anderen entstanden die Halbaffen und Lemuren.
Um einen Lemuren in freier Wildbahn zu sehen, muss man schon ein bisschen Glück haben oder sehr gute Ohren. Wenn es irgendwo lauter raschelt als das im Wald halt so üblich ist, ist es vermutlich ein Lemur, der irgendwo durch die Gegend hüpft. Meist sieht man sie also eher in der Ferne irgendwo als dunklen Schatten oder man sieht den flauschigen Schwanz von einem Ast hängen. Die sind unglaublich neugierig, wenn sie in der Nähe sind, schauen sie also dann doch ganz offensichtlich, wer sich da in ihrem Wald rumtreibt.

Boah! Ne Boa!
Boah! Ne Boa!

In Nosy Be gibt es eine Insel namens Nosy Komba, wo der Wald zum Schutz der Lemuren zum Naturreservat gemacht wurde. Die Lemuren dort sind wild, aber an Menschen gewöhnt, und so kommen sie alle angeflitzt, wenn die Wanderführer „Here, monkey, monkey!“ rufen und ihnen Bananen mitbringen. Richtig niedlich, wenn so ein Äffchen mit seinen erstaunlich weich gummierten Fingern die Hand festhält um die Banane zu nehmen. Auch die Lemuren werden gern als Haustier gehalten und den Touristen als Fotomodell angeboten. Ein Bild eines Lemuren zu bekommen ist also nicht so schwer in Madagaskar, aber so richtig cool ist es ja eigentlich nur in freier Wildbahn. Wo die Lemuren in direkter Nähe zum Menschen leben, gewöhnen sie sich schnell und haben dann auch keine Angst mal näherzukommen, aber wenn man mitten im Wald ist, geht das eher nur aus der Ferne.
Viel näher als die meisten von uns wollten kamen wir auch einigen anderen Waldbewohnern. Interessanterweise gibt es trotz einer so krassen Artenvielfalt nicht wirklich viele Tiere, die uns gefährlich werden können. Wenn man ein bisschen aufpasst wo man hintritt und nicht in krokodilhaltigen Flüssen schwimmen geht oder mitten ins Netz einer der Giftspinnen läuft, nicht unter Baumrinden nach Skorpionen sucht oder einen Hundertfüßler ärgert, kann soo viel lebensgefährliches eigentlich nicht passieren. Die ganzen großen gefährlichen Tiere, die Festland-Afrika also so bereit hält, gibt es hier einfach nicht, denn auch ihre Arten sind erst entstanden nachdem Madagaskar vom Kontinent abgedriftet war.

 

Ein bisschen Gänsehaut bekam ich dann aber doch, als eine bestimmt vier Meter lange Boa im Baum direkt über uns lag und uns ganz entspannt anstarrte. Wie im Zoo wenn man hier unterwegs ist, nur tausend Mal besser!

 

 

 

 


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