Typisch Karibik

Die Karibianer (oder Karibier? Kariben?) sind ein nettes Völkchen. Egal, wo wir hinkommen: alles ist bunt und laut und herzlich. Englisch sprechen die meisten und US-Dollar akzeptiert jedes Land, das wir besuchen, also ist es hier ganz entspannt. Französisch und Spanisch zu verstehen schadet auch nichts – in St Maarten zum Beispiel kommt man so im Französischen Teil der Insel super zurecht und in der Dominikanischen Republik weiß man, wenn über einen gelästert wird, weil man so weiß ist.

Basseterre, St Kitts
Basseterre, St Kitts

Der Hauptteil der Bevölkerung hat irgendeine Form von dunkler Haut, von Mokka bis Zartbitterschokolade gibt es alles. Das kommt daher, dass auf den vielen vielen Inseln hier früher viel Zuckerrohr, Kakao und Kaffee angebaut und exportiert wurde und überall, wo es Plantagen gab, gab es auch Sklaven, die meist vom afrikanischen Kontinent kamen und von denen stammt die Mehrheit der Einheimischen ab. Jede Inselrundfahrt, bei der ich bisher dabei war, führte uns an einem Unabhängigkeitsplatz und an mindestens einem Denkmal zum Ende der Sklaverei vorbei. Die Kultur ist entsprechend eine ganz andere, als man sie in Europa finden kann.

 

Grenzdenkmal - links Holland, rechts Frankreich, beides St Maarten
Grenzdenkmal - links Holland, rechts Frankreich, beides St Maarten

Fast alle Inseln stehen in enger Beziehung zu einem oder mehreren anderen Ländern, meist je nach Kolonialzugehörigkeit früher. St Maarten ist zur Hälfte Holländisch und zur Hälfte Französisch, weil sich beide Staaten jahrhundertelang um das kleine Fleckchen Land gestritten haben und irgendwann einfach ein Kompromiss gefunden wurde, das Land zu teilen. Die Legende sagt, dass ein Franzose und ein Holländer jeweils an ihrem Ende der Insel losgelaufen sind und da, wo sie sich getroffen haben, wurde die Grenze gezogen. Weil der Holländer aber erst noch in der Kneipe war und sich verquatscht und versoffen hat, ist der Französische Teil jetzt größer als der Holländische.
Die Grenze zwischen beiden Hälften ist heute mit einem Denkmal zur Freundschaft und den Landesflaggen geschmückt, aber mehr ist da auch nicht, was verraten würde, dass man ein Land verlässt und in ein anderes fährt. Im Französischen Teil kann man mit Euro zahlen – mitten in der Karibik! Das ging nicht mal auf Tahiti!

 

"Hip Strip" in Montego Bay, Jamaika
"Hip Strip" in Montego Bay, Jamaika

Das Staatsoberhaupt von St Kitts ist die Queen, aber die Hauptstadt Basseterre hat einen französischen Namen und eigentlich ist das Ganze ein eigenständiger Staat. Die DomRep ist ziemlich durchgängig spanisch. Und Jamaika lässt sich irgendwie gar niemandem so richtig zuordnen, denn die sind einfach speziell. Nach meinem ersten Ausflug in Jamaika hatte ich Angst, gefeuert zu werden, weil ich das Gefühl hatte, so sehr nach gewissen einheimischen zum Rauchen angebauten Pflanzen zu riechen, dass ich vom Dienst auf See ausgeschlossen werden würde. An jeder Ecke, an die man kommt, sitzen die Einheimischen mit Joint in der Hand und Reggae-Musik in den Ohren und genießen halt ihr Leben. „Ya maan!“ ist das Motto jeden einzelnen Tages – alles ist gut oder wird gut, das ist Antwort auf alles.

 

Stromversorgung auf Jamaikanisch (und keine Ahnung, was die Bedeutung des T-Shirts ist...)
Stromversorgung auf Jamaikanisch (und keine Ahnung, was die Bedeutung des T-Shirts ist...)

Wie das schwarze Menschen ja so an sich haben, haben die irgendwie alle unglaublich viel Haar auf dem Kopf. Neben Afros sieht man aber eben auch unglaublich viele mit engen Zöpfen oder Rastas. Auf Jamaika natürlich richtig extrem, weil dort die Religion der Rastafaris entstanden ist. Die lehnen zwar Alkohol und Tabak prinzipiell ab, aber nehmen dann eben stattdessen ihre Pflänzchen, die ihnen bei der Meditation helfen sollen. Alles also ganz legal da, aber auf dem Schiff gelten ja doch nochmal andere Gesetze. Rastalocken sind uns an Bord aber erlaubt und so haben wir grade für ein paar Wochen zwei Jungs aus Trinidad mit hüftlangen Rastas zu Besuch, die abends immer karibische Beats mit Steeldrums und so machen.
Laut unserem jamaikanischen Reiseleiter entstand die Kultur der Rastalocken dadurch, dass die Schwarzen Widerstand gegen die weißen Gesetze und Regeln geleistet haben und sich auch durch etwas anderes als ihre Hautfarbe von den Weißen abzugrenzen. Und über die Religion des Rastafarianismus kam dann ein Eid gegenüber Gott dazu, der den Gläubigen daran bindet, keinen Alkohol zu trinken, keine Leichen oder Gräber zu berühren und sich die Haare und den Bart nie zu schneiden. Naja, wer das so fühlt, soll das halt so machen… Wenigstens haben wir dadurch superviel zu lernen und zu gucken.

 

Rastafari Jerome mit Rasta-Haar und -Bart und Rastacap
Rastafari Jerome mit Rasta-Haar und -Bart und Rastacap

Die meisten richtig beeindruckenden Rastamähnen bleiben uns üblicherweise verborgen, denn die verstaut der Karibianer ab einer gewissen Länge unter einer Rastacap – einer weichen Woll- oder Stoffmütze. Einen Jerome hab ich einfach mal gefragt, wie lang die Haare unter seiner Cap sind und weil ein Gast das mitbekam, wollte der natürlich gleich, dass er die Mütze gleich komplett abnimmt und zeigt. Boah! Das war schon krass viel Gefilze, was da zum Vorschein kam. Jeromes Haare gehen bis zum Po, er hat sie seit 1993 keinen Zentimeter geschnitten. Sein ganzer Stolz ist eine gigantische Rasta-Strähne rechts hinten, da konnte ich an der dicksten Stelle nicht mit einer Hand drum rum greifen. Wahnsinn! Sein Bart sah auch etwas sonderbar aus, aber das kann er halt nicht beeinflussen, wenn er alles einfach wachsen lässt. So eine richtig natürlich gewachsene Strähne anzufassen, fühlt sich an, wie auf einen ausgetrockneten Schwamm zu drücken. Hart, aber irgendwie auch weich und irgendwie seltsam. Schlafen tut er drauf, indem er sich aufs Bett legt, den Kopf über die Kante hängen lässt und alle Haare oben zusammenbindet und dann auf ein Regalbrett überm Kopfende des Bettes legt über Nacht. Und gewaschen werden die Rastas bei Jerome am monatlichen Rastawaschtag.

 

Blick aus Holland nach Frankreich auf St Maarten
Blick aus Holland nach Frankreich auf St Maarten

Schon verrückt: da hat man so andere Kulturen und Glaubensrichtungen an diesem Ende der Welt und trotzdem gibt es so viele, die Deutsch sprechen oder lernen. Besonders in St Kitts ist es super, wenn Einheimische Deutsch lernen, denn dann können sie als Reiseleiter oder Museumsführer für die deutschen Touristen arbeiten. Wer nichts mit Tourismus zu tun hat, gehört üblicherweise schon mal automatisch zum ärmeren Teil der Bevölkerung. Mein Reiseleiter in St Kitts war Albert und mit dem habe ich die Strandpause beim Deutschlernen verbracht. Ein paar Kleinigkeiten wusste er schon, aber um voran zu kommen, hat er mir eine Liste mitgebracht mit allem was er wissen muss, um selbst deutsche Touren zu führen und so brachte ich ihm „Sklavenmarkt“ und „Freihandelszone“ und „Zuckerrohrplantagenbesitzer“ bei. Er schrieb sich alles silbenweise auf – in seiner persönlichen Lautschrift, damit er weiß, wie man es ausspricht. So wurde aus „Regierungssitz“ mal eben „Reggae Ounce Zits“. Naja…wenns ihm hilft. Jedenfalls hatte er sein Trinkgeld sicher, weil sich kurz vor dem Rückfahrtstreffpunkt eine ganze Horde unserer Gäste versammelten um bei seinen Redeversuchen mitzulachen und wir brachten sie total aus dem Häuschen mit seiner perfekten Aussprache von „Oun-ap-heng-ish-kites-plats“ (Unabhängigkeitsplatz) und "S gip Port Zante zite noin sain hun dart zibon ount noin tish" (Es gibt Port Zante seit 1997).

 

St Kitts - weit weg vom Villenviertel
St Kitts - weit weg vom Villenviertel

Ein bisschen komisch ist es ja schon, wenn wir und die Konkurrenz hier mit Hundert- und Tausendschaften an Touristen ankommen und die Länder mit Ausländern überschwemmen. Einerseits tragen wir dazu bei, dass es den Einheimischen gut geht, weil sie Geld an uns verdienen können. Aber andererseits gibt es dann auch wieder die Superarmen, die nix vom Kuchen abbekommen. Wenn man auf den Ausflügen im Villenviertel vorbeikommt, bevor man durch die „normalen“ Straßen fährt, merkt man doch schon, dass hier nicht alles so ideal läuft, wie uns das verkauft wird. Wenn man die Holzverschläge und Wellblechhütten sieht, die losen Bretter statt Brücken über den Abwasserkanal am Straßenrand, die Löcher in den Plastikplanen, die als Dach dienen, zugenagelte Fenster weil nach dem letzten Hurricane kein Geld für eine neue Fensterscheibe da war, … Sehr traurig, sowas zu sehen – und besonders, dann im Hafen den amerikanischen Kreuzfahrern zuzuhören, wie sie auch noch die letzten paar Dollar für die handgewebte Strandtasche runterhandeln wollen.

 

Hähnchengrill an der Ecke
Hähnchengrill an der Ecke

Und trotzdem sind alle Einheimischen, die man trifft, so herzlich und freundlich, dass man sich nie wirklich bedroht fühlt. Nur in Belize gibt es wohl Bandenkriminalität und extreme Armut, aber unseren Gästen versichern wir für alle anderen Häfen, dass es sicher ist, individuell von Bord zu gehen und zu erkunden. Wenn eine Palme gefällt wird und es zu teuer ist, den Stumpen entfernen zu lassen, malt irgendjemand ein großes Schild, das die Touristen vor der Stolperfalle warnt. Und ohne weiteres kann man sich eine Box mit frisch gebratenem Hühnchen vom Verkäufer an der Ecke holen, der sich seinen Grill aus einem halbierten rostigen Ölfass oder der Schale einer Bombe gezimmert hat, die er beim Schnorcheln am Wrack in der Bucht gefunden hat…

 

 

 

 


Kommentar schreiben

Kommentare: 0