Feste feiern auf Arabisch

Man wohnt ja nicht umsonst bei einer Gastfamilie, wenn man in einem fremden Land ist – man bekommt so einfach viel mehr mit, wie das Leben so richtig ist, wenn man nicht nur als Tourist da ist.

typisch arabisch
typisch arabisch

Mama Leena, Zeina und Hammoudi geben sich unglaublich viel Mühe, mir meine Zeit hier schön zu machen. Besonders mit Zeina verbringe ich viel Zeit, weil sie als einzige den ganzen Tag da ist. Mama Leena schimpft dann immer mit ihr, wenn sie mich fragt was ich gegessen habe und ich sage „eine Banane und einen Jogurt“, weil Zeina sich dann ihrer Meinung nach nicht genug um mich gekümmert hat. Aber bei so viel essen kann man auch mal das Frühstück ausfallen lassen – und Mittagessen bekomme ich ja immer ausgiebig, auch wenn es das immer erst um 4 gibt…

 

Wie das ganze Essen heißt, was ich hier alles probiert habe, weiß ich nicht, aber es war fast alles sehr lecker. Dass ich kein rote Beete-Fan bin, wusste ich vorher, und von Oliven bin ich spätestens seit dem Griechenlandurlaub 100%ig überzeugt, dass ich sie nicht mag. Ansonsten ist aber alles echt gut, nur kann ich mich nie durchsetzen, dass ich beim Dippen lieber viel Kräcker und wenig Dip habe. Die Araber nehmen den Kräcker eigentlich nur um sich die Finger nicht schmutzig zu machen (wobei das natürlich immer schief geht bei sooo viel Dip auf einem Kräcker), am liebsten würden sie nur den Dip ausschlecken, also meist irgendeine Art von Hummus. Falafel find ich z.B. ganz lecker, aber wenn so viel Dip drauf ist, dass man vom Falafel nix mehr schmeckt, ist irgendwie der Witz weg.

Straße zur American University of Sharjah
Straße zur American University of Sharjah

Weil wir ja nicht schon tagsüber genug essen, hat Zeina mich spontan mitgenommen zu ihrer Uni, weil sie ihre Sachen aus dem Wohnheim abholen musste. Die American University of Sharjah (AUS) ist am Arsch der Welt und man fährt etwa eine halbe Stunde mit dem Auto, wenn auf der Straße nix los ist. Ich bin dann sogar in den seltenen Genuss einer autofahrenden Zeina gekommen, denn normalerweise fährt sie nicht so oft und traut sich dann nicht. Aber so schlimm war es gar nicht, wenigstens brettert sie nicht so drauf los wie Hammoudi. Der muss allerdings immer fahren weil er als einer der wenigen seiner Clique keinen Alkohol trinkt und dann fühlt er sich immer blöd, wenn Mädels in der Nähe sind und er sagt, er trinkt nichts. Da ist es doch viel cooler und verantwortungsvoller zu sagen, man sei desinated driver. (Er nimmt das allerdings nicht soo ernst mit dem Nicht-Trinken, von meinem Radler im Irish Pub hat er probiert und fand es viel besser als das Bier was er sonst probiert hatte und auch viel besser als sein alkoholfreies Bier, von dem er dann immer vorsichtshalber sofort das Etikett abrubbelt, damit niemand sieht wie uncool das ist.)

Sharjah University City
Sharjah University City

Die AUS liegt in der sogenannten University City, einem eigenen Stadtteil hinter riesigen hübschen Toren, wo fast alle der Hochschulen Sharjahs liegen. Hier ist alles grün und sauber, die Straßen leer, die Gebäude beeindruckend und wenn ein Campus Palmen hat, ist er mir ja schon gleich sympatisch. 
Der AUS-Campus ist richtig schön und Zeina meinte, es kommen ganz viele Touristen her, weil die Gebäude so schön sind. Die Profs finden das blöd, weil alles eigentlich nur fake ist; es sieht alles sehr authentisch arabisch und orientalisch aus, aber so übertrieben, dass es für sie schon wieder unarabisch aussieht. Innendrin merkt man auch schnell, dass hier alles neu und nicht nur renoviert ist. Zeina zeigte mir ihr Studio, wo sie Design studiert, wenn nicht grade Ferien sind, und von innen sieht es einfach aus wie eine Uni. Aber draußen musste ich natürlich trotzdem ein schönes Foto machen, als die untergehende Sonne den hellen Stein sooo schön beschienen hat…

Sharjah University City
Sharjah University City

Vor dem Design-Gebäude war richtig viel los, denn am Abend sollte ein riesiges Dinner für die Alumni stattfinden. Hammoudi war zu faul oder zu vergesslich oder zu blöd, seine Tickets abzuholen, also wollte Zeina sie, damit wir nach dem verspäteten Lunch um halb 6 direkt zum Dinner um 7 konnten. Also wieder nach Hause, aufgehübscht und mittaggegessen; dann wollte uns Zeinas Freundin Maria abholen (weil Zeina ja nicht fährt). „Sie kommt um viertel nach 6“ hieß es. Um halb 7 saß ich immer noch rum. „Sie braucht noch ‘ne viertel Stunde“ hieß es dann. Um 7 saß ich immer noch rum. „Jetzt ist sie da“ hieß es. Fünf Minuten später standen wir immer noch wartend an der Straße.        
Aber so ist das einfach mit der Zeit in der arabischen Welt: Zeit beachten ist so unwichtig wie Blinker setzen.

AUS Alumni Reunion Dinner
AUS Alumni Reunion Dinner

Obwohl der Beginn des Dinners auf 7 angesetzt gewesen war, kamen wir gerade rechtzeitig zur Eröffnung an, als es grade 8 schlug. Also alles gut. Wie die das immer schaffen ist mir ein Rätsel. 
Das AUS-Alumni-Dinner findet jedes Jahr für alle Alumni statt. Eigentlich muss man sich vorher anmelden und bekommt eine Karte, damit die Orga genug Stühle und Tische bereitstellen kann und das Büffet entsprechend bestückt. Wir hatten keine Karten, weil der Orga-Computer nachmittags noch nicht angeschlossen war (äh?), aber wir gingen einfach ohne Karten durch den Pieps-Durchleuchter und ließen unsere Handtaschen durchsuchen. Gut, dass sie meine Sonnencreme nicht so genau unter die Lupe genommen haben – die hat Alkohol drin, und der ist ja strengstens verboten auf Sharjahs Straßen.

Er ist es wirklich!!
Er ist es wirklich!!

Gerade als wir vom Parkplatz kamen, kommen vier Wagen mit Blaulicht die lange grade Straße runter auf das Hauptgebäude zu, dazwischen eine Limousine und wer steigt am Fuß der großen Treppe aus? Der Sheikh höchstpersönlich! Na wie gut, dass wir nicht pünktlich waren. His Highness Sheikh Dr. Sultan bin Mohammed al Qasimi, Supreme Council Member and Ruler of Sharjah, ist Präsident der AUS und legt seit er im Amt ist auf nichts mehr Wert als auf die Bildung in seinem Emirat. Daher kommt er zu jeder Graduation Party und übergibt den Graduates persönlich mit Handschlag ihre Urkunde. Außerdem kommt er jedes Jahr zum Alumni-Dinner und deswegen ist das auch so was tolles.

Wahnsinnsbärte!
Wahnsinnsbärte!

Da dieses Jahr ein ganz besonderes Event war, weil das Alumni-Dinner auch gleichzeitig die Feier vom 10.000sten Alumni war, waren an die 4.000 Gäste da (plus drei, die ohne Karten reingekommen sind) und dementsprechend krass war das ganze. Am Tor beginnt ein breiter roter Teppich, wo der Scheich mit seiner Entourage entlangschreitet, eine Rampe hoch und dann erhöht zwischen den Tischen weiter, bis auf halbem Weg vor dem Hauptgebäude eine Art Bühne ist, wo sie sich hinsetzen und die spektakuläre Lichtshow auf der Wand vom Hauptgebäude anschauen, dann geht es weiter zu den Ehrenplätzen direkt vor dem Hauptgebäude. Auf der Bühne gab es später am Abend eine Live-Band zu sehen, Namen hab ich vergessen, aber die ist auch noch richtig berühmt. Hätte ich gar nicht gedacht, weil die Sänger schon älter waren und gigantische Bärte hatten und für meine Ohren sehr volksmusikalisch gesungen haben, aber dieses typisch arabische lieben die jungen Leute hier ja.

Eingang zum Alumni-Dinner
Eingang zum Alumni-Dinner

Zeina ist überzeugt, dass die gesamten (sehr hohen) Studiengebühren jedes Jahr zum Großteil für dieses Dinner draufgehen. Und so sah es auch aus, mit weiß-behussten Stühlen und einem gigantischen Büffet.

 

Das war auf jeden Fall eine coole Erfahrung, einfach mal zu sehen wie die Araber so feiern. Sobald der Scheich involviert ist, muss alles übertoll sein, aber ich fands cool, ihn mal live zu sehen. Leider war sein Sohn nicht dabei, sonst hätte mich Zeina bekannt gemacht, die kennen sich nämlich aus der Architektur-Vorlesung, und dann hätte ich einen echten Scheichssohn gekannt, das wäre doch mal eine erfolgreiche Reise in die Emirate gewesen!

 

Auf dem Rückweg haben wir noch eine Extrarunde über den Parkplatz gedreht, um uns die Autos der Studis anzuschauen. Es gab wohl mal einen Prof, der eine Studie draus gemacht hat und einmal die Woche mit dem Notizbuch und der Kamera über den Studenten- und den Lehrerparkplatz marschiert ist und dann rausgefunden hat, dass die Studenten im Schnitt neuere Autos und schickere Marken fahren, als die Profs.

 

Gleich ein paar Tage drauf gab es schon wieder kurzfristig was zu feiern, denn Cousin Ahmed hatte Geburtstag und wollte feiern. Ich hatte großes erwartet, aber gegenüber dem krassen aufgemotzten Alumni-Event war es doch nur ein kleines gemütlich Get-Together mit der Familie in einer syrischen Shisha-Bar (hier übrigens liebevoll „Hubbly Bubbly“ genannt), wo wir eigentlich nur rumsaßen. Alle waren sehr begeistert von meinen Arabisch-Kenntnissen, vor allem als ich beim netten Kellner ganz perfekt „Bitte, Herr, ein Glas mit einem Wassermelonen-Flüchtling“ bestellt habe. Hatte mir halt keiner gesagt, dass man für „Saft“ das A in „assiir“ als offenes O sprechen muss, damit es nicht „Flüchtling“ heißt. Naja…er hat mich trotzdem verstanden :D

ja okay...die Haarfarbe verrät mich doch ein bisschen...
ja okay...die Haarfarbe verrät mich doch ein bisschen...

Es waren außer Zeina, Hammoudi und mir noch drei Cousins, drei Cousinen und eine Tante da und alle waren ausgesprochen nett zu mir. Wirklich passiert ist den ganzen Abend über nichts, man saß halt rum, hat vor sich hingeblubbert und Flüchtlinge getrunken und dann kam irgendwann der Kellner zum Geburtstagskind, weil er dachte es wäre Hammoudi und fragte „ist es okay, wenn wir nur eine Kerze in den Kuchen stecken?“ Die Spannung (ähäm..) war also gebrochen und dann haben sie auch noch auf den Bildschirmen in jeder Sitzecke „Arab’s Got Talent“ übertragen, dann war der Abend gerettet, weil das sowas wie die geilste Fernsehshow überhaupt ist.

 

Übrigens sind Ahmed und Mohammed eigentlich die gleichen Namen, Mahmoud gehört auch dazu. Das ist so wie bei uns Stefan und Steffen oder so, und man kann jeden der drei Namen eigentlich miteinander austauschen. In Zeinas Familie hoffen jetzt alle inständig, dass die ersten Cousins, die Kinder kriegen, die nicht Mohammed oder Mahmoud oder Ahmed nennen, denn es gibt schon so viele davon in der Familie. Die Frage danach, wie viele es denn wirklich unter den 37 Cousins und Cousinen und den dazugehörigen Eltern und Kindern gibt, ist streng tabu, also habe ich nur ein Abwinken und „Pff…who knows?“ gekriegt. Allein beim Geburtstagsdinner waren zwei Mohammeds und ein Ahmed da, und eine der Cousinen heißt Leena. Wie die da noch den Überblick behalten…

Aber Zeina meint, keiner der Mohammeds wird Mohammed genannt. So wie Hammoudi eben Hammoudi ist, hat jeder einen anderen Spitznamen, meist in irgendeinem Zusammenhang mit dem Nachnamen oder mit irgendwas was seit Kindheitstagen eben so ist, und einer heißt Ceasar. Aber niemand weiß warum. Die spinnen, die Araber…aber irgendwie mag ich sie doch ganz gern.

 


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