Die Wiege des Irischen

Ausnahmsweise muss ich mich nicht drauf verlassen, was der Reiseleiter sagt, und dahin fahren, wo der Bus halt hinfährt. Nein, dieses Mal sind wir ganz flexibel unterwegs und fahren hin, wo es grade hübsch aussieht. Mit zwei bis drei Tagen Vorlauf haben wir unsere Hostels gebucht und weil die von Isabel präparierte Straßenkarte mit ein paar Kugelschreiber-Sternchen versehen war, wussten wir ja eigentlich schon immer vorweg, was da so auf dem Weg liegt. Einer der größten Sterne auf der Karte musste dann natürlich sein und so ging es endlich wieder auf See.

Kilronan Harbour, Inishmore
Kilronan Harbour, Inishmore

Nach einer Nacht in einem winzigen Örtchen namens Doolin ließen wir unser treues Auto am Fähranleger stehen und stürzten uns in die Fluten vor der irischen Küste. Knapp 30 Kilometer weiter und wir gingen wieder an Land, bzw. auf Insel, denn die Arans gehören nicht zu Festland-Irland, sondern sind drei vorgelagerte Inselchen. Der Reiseführer sagte, dass man hier die besten Chancen hat, originales Irisch zu hören, und das wollten wir uns natürlich nicht entgehen lassen. Wo wir unser Auto schonmal einen Tag los hatten, wollten wir natürlich extra aktiv unterwegs sein und die Radvermietung am Hafen hatte das perfekte Fortbewegungsmittel für uns: ein Tandem!

neue Freunde
neue Freunde

Inishmor, die größte der drei Arans, ließ sich damit auch ganz hervorragend erkundigen und zu zweit ist radeln ja sowieso schöner als alleine – vor allem, wenn beide gezwungenermaßen im gleichen Tempo unterwegs sind. Der ewige Wind verhindert, dass Pflanzen wirklich hoch wachsen und so gibt es keine Wälder, sondern nur niedrige Büsche und Sträucher. Felder und Weiden sind durch niedrige Mäuerchen voneinander getrennt und wenn man von weitem schaut, sieht es aus, als wäre die ganze Insel von schmalen Steinwegen durchzogen. Die Mauern stehen da schon seit Jahrhunderten und wirken teilweise, als müsste man sie nur anpusten und sie würden ineinander zusammenfallen, aber scheinbar verstanden die alten Bauern ihr Handwerk und wahrscheinlich stehen die noch die nächsten Jahrhunderte genauso stabil wie heute.

Cliffs of Aran
Cliffs of Aran

Ganz krasses Irisch hörten wir nur ganz am Rande im örtlichen Pub am Abend, aber auch ohne das extreme sprachliche Erlebnis hat sich der Ausflug mehr als gelohnt. So karg die Natur hier auch ist, irgendwie ist es eben doch was Spezielles und gerade für uns Vielgereiste sind es nicht immer die typischen Sehenswürdigkeiten, die für uns besonders toll sind. Entlang der Strände entdeckten wir Seehunde beim Sonnenbad und hinter den unscheinbarsten Ecken die beeindruckendsten Ruinen. Auf Inishmore gibt es alte Ringfestungen, die aus aufgeschichteten Steinen gebaut wurden und die ganze Insel überblicken, und alte Friedhöfe mit überwucherten keltischen Kreuzen, die so herrlich mystisch sind. Aber besonders fasziniert waren wir von der Steilküste, an der das Land so abrupt abzubrechen scheint, dass man ein kleines bisschen Ende-der-Welt-Gefühle bekommt, wenn man die Nase über die Kante streckt und in den Abgrund schaut. Wie gut, dass unser Tandem zeitlich begrenzt war, sonst hätte uns vermutlich nichts daran gehindert, den ganzen Tag mit den Wellen 90 Meter unterm Kinn dazuliegen.

 

Der Weg zurück ans Festland war dann noch einmal spannend, denn ausversehen wurden wir auf die falsche Fähre gewunken und so ging es nicht auf direktem Wege zurück nach Doolin, sondern mit Umweg über die anderen beiden Arans, Inishmaan und Inisheer, die tatsächlich noch eine Ecke kleiner sind als Inishmor. Für einen Tagesausflug ist es da ganz nett, aber wohnen würde ich da wohl nur wollen, wenn ich als gefeierter Schriftsteller einen Ort mit Abgeschiedenheit und Meeresrauschen zur Inspiration bräuchte.

 

 

 

 


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